Hilfe im Alltag
Halt für die verletzte Seele

Elisabeth Bergmann leitet das Bonner Frauenhaus „Maria Königin“. Sie hat ein großes Herz - und das braucht sie für ihre Arbeit auch. | Foto: Harald Weller
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  • Elisabeth Bergmann leitet das Bonner Frauenhaus „Maria Königin“. Sie hat ein großes Herz - und das braucht sie für ihre Arbeit auch.
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Bonn - (we) „Das sind die Glückmomente, in denen ich das Gefühl habe, was
bewegen zu können.“ Wir hatten Elisabeth Bergmann gefragt, wie sie
mit all dem Leid, den teils erschütternden Schicksalen der 100 Frauen
umgeht, die sie als Leiterin des Bonner Frauenhauses „Maria
Königin“ täglich erlebt. Elisabeth Bergmann, eine Frau, die mitten
im Leben steht, freut sich einfach, dass sie helfen kann. Effektiv und
effizient. Gemeinsam mit 12 Sozialarbeitern hilft sie den 100 Frauen,
deren Schicksalsschläge zu verarbeiten und ins Leben zurückzufinden:

„Sie sehen nix. ich bin ein Nichts“, erzählt beispielsweise die
57-Jährige Karin Felicitas. Sie, die zu allem Überfluss auch noch
den Zweitnamen „Felicitas“, die Glückliche, trägt, ist arg
gebeutelt. Von ihrer Stieftochter hintergangen, hat sie alles
verloren, Beruf, Haus, Wohnung. „Es sind noch Strafprozesse
anhängig“ so Karin. „Ich bin heute zerstört. Meine Stieftochter
ist der Teufel in Menschengestalt. Ihr und ihrem Lover habe ich zu
verdanken, dass ich 9 Monate lang in der LVR-Klinik aufgrund
psychischer Probleme war. Jetzt bin ich seit 2 Monaten hier im
Frauenhaus. Und versuche, wieder auf die Beine zu kommen. Hier geht es
mir gut, die Leute kümmern sich um uns, niemand ist allein, ich habe
immer einen Gesprächspartner.“ Ein gutes Klima des Miteinander
herrsche im Haus. Man lebt in insgesamt 9 Wohngemeinschaften, kocht
gemeinsam, lacht gemeinsam, gestaltet den Tag gemeinsam. Dennoch hat
jede ihr Einzelzimmer.

Hier wird Hoffnung vermittelt, eine Hoffnung für Hoffnungslose.

„Mir fehlt es an hier nichts. Und wenn Sie mich fragen: Ja, hier bin
ich glücklich,“ so Karin. Zum Abschied bedankt sich Karin bei uns
fürs Gespräch. Es habe ihr gut getan, mit jemandem über ihr
Schicksal sprechen zu können. „Ich will Gerechtigkeit“, sagt sie.
„Und ich werde darum kämpfen.“ Sie hat wieder Lebensmut, ein Ziel
vor Augen.

Es gibt zig Gründe dafür, durchs soziale Netz zu fallen und etwa
Knall auf Fall ohne Wohnung dazustehen. „Manche haben ein
Drogenproblem. Oder als Prostituierte gearbeitet. Suchen jetzt den
Ausstieg. Sind aus dem Kinderheim abgehauen. Oder aus
Plegeeinrichtungen rausgeschmissen worden. Weil sie nicht
anpassungsfähig sind. Andere sind intelligenzgemindert“, erzählt
Elisabeth Bergmann. „Neulich habe ich eine Frau gesehen, die in
unserer gelben Tonne stand und alles rausräumte. Sie wollte all den
Müll in ihr Zimmer packen, konnte nichts abgeben.“

Seit 1951 gibt es das Haus in Bonn. Es wird getragen von der
Johannes-Bruderschaft. Das ist eine gGmbH mit Sitz in Leutersdorf am
Rhein. „Wir haben täglich fünf Anrufe und Bitten um Aufnahme“,
sagt Elisabeth Bergmann. Nicht aufgenommen werden Frauen mit
Gewalterfahrung. Die sind in anonymen Häusern untergekommen. Das hier
ist ein offenes Haus. Es gibt eine Adresse, und die Frauen wohnen hier
nicht anonym. Neben den 50 im Haus betreuten Frauen sind außerhalb 50
weitere in Privat-Wohnungen untergebracht. „Wir suchen immer wieder
Wohnraum, weil die räumliche Situation hier im Haus selbst
beschränkt ist“, so Frau Bergmann. „Wohnraum und immer wieder
Wohnraum, das ist mein Wunsch.“ Für potentielle Vermieter ist das
übrigens ein sicheres Geschäft. Die Miete zahlt das Frauenhaus. und
die Bewohnerin der Wohnung ist nicht allein, sondern einmal die Woche
wird sie von Sozialarbeitern betreut.

Eine Frauenhaus-Bewohnerin hat 35 Jahre hier gelebt, kam nicht allein
zu Recht im Leben. Sie ist im Haus gestorben. Viele weitere haben
Angst vor dem Alleinsein, sind einsam und wollen gar nicht mehr weg.
Die durchschnittliche Verweildauer beträgt 8 bis 12 Monate.

Mütter mit Kindern sind hier, Frauen, die ihre Kinder zur Adoption
frei gegeben hatten und jetzt damit nicht mehr klarkommen,
Gescheiterte und an der Gesellschaft Verzweifelte, Resignierte, es
gibt nichts, was es nicht gibt. Wem es gutgeht und wer das nicht so
recht weiß, dem sei ein Besuch im Frauenhaus empfohlen. Er wird es
trotz allen Mitleids gut gelaunt verlassen. Weil er nach seinem Besuch
begriffen haben wird, wie gut es ihm eigentlich geht.

Elisabeth Bergmann leitet das Bonner Frauenhaus „Maria Königin“. Sie hat ein großes Herz - und das braucht sie für ihre Arbeit auch. | Foto: Harald Weller
„Hier geht es mir gut. Die Leute kümmern sich um uns!“ Seit zwei Monaten lebt Karin Felicitas im Frauenhaus. | Foto: Harald Weller
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