In der Kanzlermaschine
Umgebaute Airbusse sind fliegende Domizile unserer Regierung
Köln - (kg) „Air Force One“ oder „Air Force Two“ heißen die
Regierungsflugzeuge nicht. Die vierstrahligen Flaggschiffe des
Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) sind nach Konrad Adenauer
und Theodor Heuss benannt und somit nach dem ersten Bundeskanzler und
dem ersten Bundespräsidenten der Republik. Die Namen zollen den
Airbus-Vorzeige-Jets der Flugbereitschaft BMVg Respekt.
„Die Kanzlerin, Kanzler, Minister und Präsidenten sind bereits mit
den Maschinen geflogen“, sagt Oberstleutnant Dirk Junker, Vertreter
des Kommandeurs der Flugbereitschaft BMVg. Untergebracht sind die
beiden Airbus A340 am militärischen Teil des Flughafen Köln Bonn.
Die weißen Airbusse ziert oberhalb der Fensterreihe in Versalien der
Schriftzug „Bundesrepublik Deutschland“, mittig am Rumpf erstreckt
sich von der Nasenspitze bis zum Heck die schwarz-rot-goldene Flagge.
Wer hier einsteigt, der hat keinen Flug am Schalter oder online
gebucht, für den ruft das Büro des Sekretariats des Staatssekretärs
an.
Nach dem Gang über die Treppe erwartet Minister, Kanzler oder
Präsident ein gediegenes Privat-Office mit Bad und Dusche, weiterhin
ein Konferenzraum und eine Lounge. Ab der Mitte des rund 64 Meter
langen Großraumflugzeugs findet man Sitzreihen vor, die im Bereich
der Klassen Economy, Business und First angesiedelt sind. 143
Passagiere haben in dem umgebauten Airbus Platz; regulär sind es mehr
als doppelt so viele. Zwei Küchen sind untergebracht, eine im letzten
Drittel, eine weitere zwischen Cockpit und Privat-Office. Wer jedoch
„goldene Wasserhähne“ oder ähnlichen Pomp erwartet, wird
enttäuscht sein. Funktional und bequem scheint alles, eher
schnörkellos und nüchtern.
Von Lufthansa angeliefert, werden die Speisen – etwa 30 Menüs
stehen zur Wahl – in Umluftöfen erhitzt. „Zehn Mitglieder der
Kabinen-Crew, zwei Techniker und ein Lademeister sind immer an
Bord“, sagt Flugbegleiterin Uta Keucher. Im Militärjargon wird ihre
Hauptfeldwebel-Position als „Lufttransportbegleiterin“ bezeichnet.
Keucher ist für die Airbusse A340 und die A319 der „weißen
Flotte“ der Flugbereitschaft geschult und kennt die hochrangigen
Gäste, die sie während des Interviews nie beim Namen nennt, sondern
nur „VIP“, was für „Very Important Person“ steht.
Bei den militärischen Mitarbeitern der Flugbereitschaft BMVg fällt
auf, dass auf Overalls und Dienstkleidung „German Air Force“ und
nicht „Deutsche Luftwaffe“ steht. Verlässt man in Porz-Lind den
Bereich des Naturschutzgebietes Scheuermühlenteich, erreicht man
zunächst eine militärische Wache, um in Anschluss – nach einer
weiteren Kontrolle - den Luftsicherheitsbereich zu betreten, der
nichts mehr mit Wahnheide, Porz oder Köln gemein hat.
Natürlich möchte man wissen, wo denn Angela Merkel sitzt, wenn sie
an Bord ist. Im März flog sie mit der „Theodor Heuss“ zu Amerikas
Präsidenten Donald Trump. Doch Keucher, seit zehn Jahren
Flugbegleiterin, ist eine First Lady der Verschwiegenheit. Nichts gibt
sie über ihre Gäste Preis, von denen sie sehr wahrscheinlich vieles
kennt. Etwas sei aber allen VIPs gemein: Im zwölfsitzigen
Konferenzraum nimmt ein jeder von ihnen, seien es Minister, Kanzler
oder Präsidenten, bevorzugt in einem bestimmten Sessel Platz. Warum?
Keucher schildert, dass der Sitz direkt zu erreichen sei, zudem gut
verstellbar und sich in Flugrichtung befinde.
Später erzählt sie doch noch ein wenig: VIP-Gäste würden aus der
Küche auch Extras bestellen, eine Fischsuppe oder zwei Antipasti zum
Beispiel. „Es gibt auch Espresso, Milchkaffee oder Latte
Macchiato“. Es gebe halt VIPs, die hätten ihre kleinen
kulinarischen Vorlieben. Und dass sie so gut wie nichts verrät, ist
gleichfalls beruhigend. Keucher bewahrt damit die Privatsphäre jener,
die die Politik im Großen wie im Kleinen lenken und denen mit
Regierungsmaschinen der Flaggschiffklasse neben einer großen
repräsentativen Kraft auch ein kleiner privater Rückzugsbereich
gegeben wird.
Sie selbst und ihre Kollegen haben auch einen kleinen Raum, in dem sie
sich auf langen Flügen für eine Pause hinlegen können. Dieser Raum
ist unterhalb der Passagier-Kabine, und hat genau so viel Raum, wie es
für ein paar Kojen und einmal um die eigene Achse drehen braucht.
Aufrecht stehen können nur kleinere Menschen. Man muss wohl einige
Übung haben und sehr müde sein, um hier schlafen zu können. Aber es
ist recht dunkel, kühl, und das gleichmäßige Summen der Maschinen
hilft vielleicht auch ein wenig beim Einschlafen.
Wirklich bequemer sieht die Koje der Piloten auch nicht aus. Ebenfalls
fensterlos und genauso groß, wie es unbedingt sein muss, braucht es
auch hier einige Routine, um Entspannung zu finden, erzählt
Oberstleutnant Junker.
Die Crew scheint durchweg mit ihrem Job sehr zufrieden zu sein. Man
komme halt viel rum, lerne viele Menschen kennen. Bereits seit über
20 Jahren fliegt Dirk Junker für die Flugbereitschaft BMVg. Er hat
seine Berufswahl nie bereut. Auch wenn er manchmal bedauert, dass sich
die Zeiten etwas geändert haben. Früher sei es entspannter
zugegangen. Da sei auch schon einmal ein Minister ins Cockpit gekommen
und Wartezeiten wurden mit einer Runde Skat überbrückt. Lange
Wartezeiten gebe es kaum noch, ebenso wenig Zeit für einen kleinen
Plausch mit den VIPs am Rande. Auch er weiß viel zu erzählen, über
Minister mit großer Flugangst, über Politiker mit Charisma oder eben
auch ohne. Doch verraten wird niemand. Das ist Ehrensache.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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