Getröstet nach vorne schauen
Evangelische Gemeinde nimmt Abschied
Ossendorf - (pm). Eine Kirche kann ein Zuhause sein, nicht nur im spirituellen
Sinne, sondern auch ganz praktisch: ein Ort, wo man mit anderen
Menschen zusammentrifft, gemeinsam feiert, singt und betet, musiziert
und diskutiert. Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Trauerfeiern
markieren entscheidende Stationen auf dem Lebensweg eines Menschen und
auch sie brauchen eine angemessene, würdige Umgebung. Die 1963
erbaute Dreifaltigkeitskirche in Ossendorf mit ihrem wenig
ansprechenden Äußeren, aber von hellem Holz und zwei
farbenprächtigen Glasfenstern geprägten Innenraum ist für viele
Mitglieder der Evangelischen Gemeinde Bickendorf ihr
„Wohnzimmer“.
Hier fanden die Schulgottesdienste der Montessorischule statt, die
Mädchen und Jungen des Kindergottesdienstes erfüllten den Raum mit
Lachen und Singen und auch der Seniorenkreis und der Frauenkreis
trafen sich regelmäßig in der Dreifaltigkeitskirche. Abwechselnd mit
der Epiphaniaskirche in Bickendorf wurde hier 14-tägig der
Sonntagsgottesdienst gefeiert.
Nun geht eine „Ära“ zu Ende. Am 24. März um 14 Uhr wird die
Evangelische Gemeinde Bickendorf sich mit einem
Entwidmungsgottesdienst endgültig von der Dreifaltigkeitskirche
verabschieden, die aufgrund eines hohen Investitionsbedarfs, der
räumlichen Nähe der vor vier Jahren renovierten und erweiterten
Epiphaniaskirche sowie der personellen Situation mit lediglich zwei
Pfarrstellen ab 2024 als einer von zur Zeit noch vier Standorten
aufgegeben werden muss.
„Wir müssen uns fragen: Wie bleiben wir zukunftsfähig?“, sagt
Pfarrerin Kristina Kügler und betont, dass es sich nicht um einen
Rückzug, sondern um eine Umstrukturierung handele. „Uns ist es
wichtig, den Abschied zu gestalten!“
Prädikant Georg Kronenberg war ursprünglich konfessionslos. In der
Dreifaltigkeitskirche hat er „Anschluss an evangelisches Leben“
gefunden. Schließlich trat er in die evangelische Kirche ein. Das
Fensterbild über dem Altar habe ihn berührt, erzählt er. Er habe es
auch schon in seine Predigt einbezogen. „Ich werde vor allem den
Raum vermissen“, meint Kronenberg. Er erinnert sich gerne an
Tanzgottesdienste, in denen die Liturgie, Bibeltexte und Lieder in
Bewegung umgesetzt werden. Besonders gerne denkt er aber an seine
Ordination in der Dreifaltigkeitskirche zurück. Der katholische
Rochuschor, in dem auch Kronenberg singt, hatte damals den
Gottesdienst musikalisch mitgestaltet.
Gemeindeglied Ulrike Hilbrig schwärmt ebenfalls von der „warmen,
freundlichen, willkommen heißenden Atmosphäre“ des Kirchenraumes.
Auch ihr hat es das „weit und breit schönste Kirchenfenster“
angetan. Ihre Tochter wurde in der Dreifaltigkeitskirche konfirmiert.
Ein Highlight war für sie der Kirchentag in Köln 2007. Über die
Dreifaltigkeitskirche sagt sie: „Das ist so eine Kirche, da spürt
man, da ist Leben drin!“ Der Abschied fällt ihr sichtlich schwer.
„Ich kann es schon spüren, aber ich kann es noch nicht fassen“,
beschreibt Hilbrig ihre Gefühlslage.
Noch bis zum 22. März ist die Dreifaltigkeitskirche montags bis
freitags von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Bei einer Tasse Kaffee und
Gebäck ist Gelegenheit, das letzte Mal eine Kerze anzuzünden und
sich in die an Stellwänden präsentierten Bilder, Zeitungsartikel und
Beiträge aus den Gemeindebriefen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte
zu vertiefen oder seine Gedanken und Wünsche auf Zettel zu schreiben.
Die Gefühle von Trauer und Wut zurücklassen und „getröstet nach
vorne schauen“ - das wünscht sich eine nachmittägliche Besucherin
und eine Zettelschreiberin bringt in wenigen Zeilen auf den Punkt, was
in den meisten Äußerungen anklingt: „Es gibt Orte, die man nie
vergisst. Diese Kirche ist einer davon. Sie war Heimat, im Glauben und
in der Liebe. Sie bleibt im Herzen.“
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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