Inklusiver Chor bleibt
Gemeinschaft mit Bestand über die Coronakrise hinaus
Oberberg - Das HBW hat einen inklusiven Projektchor für Sänger mit und ohne
Behinderung gegründet, um an der Aufführung des Chormusicals
„Martin Luther King“ teilzunehmen.
Die Corona-bedingte Absage der Aufführung war zwar ein Rückschlag,
aber kein Schlussstrich.
Schwierige Proben, stimmgewaltiger Auftritt
Bei der ersten Probe dachte Andreas Lamsfuß, Leiter des Hauses für
Menschen mit Behinderung Wiehl (HBW), noch: „Das klappt nie“.
Besonders ein Kanon machte dem inklusiven Chor, den das HBW ins Leben
gerufen hatte, Schwierigkeiten. Mehrstimmig singen, die eigene Stimme
halten, den Einsatz treffen und sich dazu noch bewegen – das stellte
insbesondere die Chormitglieder mit einer geistigen Behinderung vor
Herausforderungen.
Einige Wochen später schallte der Kanon jedoch stimmgewaltig durch
das evangelische Gemeindehaus in Waldbröl, füllte den Saal und nahm
jeden in seinen Bann. Die rund 50 Sänger um Chorleiterin Anne Schmidt
hatten die Hürde gemeistert.
Doch dann kam der nächste große Paukenschlag: Die Coronakrise machte
alle weiteren Proben und dem großen Finale, einer Musicalaufführung
in Wetzlar, einen Strich durch die Rechnung.
Chorgründung vor einem Jahr
Den inklusiven Projektchor hatte das HBW im vergangenen Jahr
gegründet, um am Chorprojekt „Martin Luther King“ der Stiftung
„Creative Kirche“ aus Witten teilzunehmen. Das Besondere des
musikalischen Großprojekts: lediglich die Hauptdarsteller des
Musicals sind professionelle Sänger. Der Großchor bildet sich für
jede Aufführung neu.
Zur Umsetzung des Projektes suchte die Creative Kirchen Sängerinnen
und Sängern beziehungsweise Chöre, die das Musical gemeinsam auf die
Bühne bringen wollten. Als einziger inklusiver Chor überhaupt war
der HBW-Projektchor mit von der Partie. Er sollte die Aufführung in
Wetzlar unterstützen.
Bei den Proben für den großen Auftritt waren die Sänger mit einer
geistigen Behinderung teils auf Assistenzkräfte angewiesen. Sie
halfen, die Notenblätter umzuschlagen oder zeigten den richtigen
Einsatz durch einen Händedruck an. Diese Assistenzkräfte konnten den
Chormitgliedern dank einer Förderung der Aktion Mensch an die Seite
gestellt werden.
Jedes Chormitglied zeigte hohen persönlichen Einsatz, so dass der
Projektchor bei seiner letzten gemeinsamen Probe Anfang März so
klang, als würde er aus lauter Profis bestehen.
Eifer und Freude
Stephanus, der im HBW-Haus „Haus Am Konradsberg“ lebt, lernte die
Texte des kompletten Musicals sogar mithilfe einer CD auswendig, so
dass er trotz starker Sehschwäche mitmachen konnte.
„Musik bedeutet unseren Bewohnerinnen und Bewohnern sehr viel“,
weiß HBW-Leiter Andreas Lamsfuß. „Eines unserer Chormitglieder hat
anfangs nur zugehört und gelächelt. Es war ein toller Moment, als
sie plötzlich begann, mitzusingen“, erinnert er sich. Diese
besonderen Momente gab es auch für Chorleiterin Anne Schmidt: „Ich
kann nur staunen, bis wohin wir es geschafft haben. Wir sind gemeinsam
gewachsen, stimmlich und menschlich.“
Dass die Aufführung des Chormusicals in Wetzlar ausfällt, war darum
ein Rückschlag, der bei allem Verständnis doch zu viel Traurigkeit
geführt hat.
Chor als feste Größe
Sobald es gefahrlos möglich ist, werden die Proben wieder
aufgenommen, um am Nachholtermin Ende des Jahres das Beste geben zu
können. Auch über die Aufführung hinaus könnte der Chor Bestand
haben.
„Hier ist etwas sehr Wertvolles entstanden, eine Fortführung
könnte sich lohnen“, schmiedet Andreas Lamsfuß bereits Pläne für
die Zukunft des Chores. Bis es soweit ist, singen die Chormitglieder
ihre Lieder einfach zu Hause und warten voller Vorfreude auf den
Moment, in dem sie ihre Stimmen wieder vereinen können.
„Diese stimmgewaltige Gemeinschaft, die im Rahmen eines
Musicalprojekts gewachsen ist, ist wertvoll für die Menschen. Darum
wird sie auch Bestand haben - trotz Absagen und Corona-Krise“, weiß
Andreas Lamsfuß.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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