Experten diskutieren
Inklusion im Vorschulalter

Die Experten sind einer Meinung: Eine gelungene Inklusion funktioniert nur mit mehr Personal und einer anderen Politik. | Foto: Caritas RheinBerg/Christoph Hähnel
  • Die Experten sind einer Meinung: Eine gelungene Inklusion funktioniert nur mit mehr Personal und einer anderen Politik.
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Bensberg - Teilnehmer einer Meinung: Gelungene Inklusion nur mit mehr Personal
und anderer Politik möglich

2019 feiert die Welt 30 Jahre Kinderrechte. Die Arbeitsgemeinschaft
der Freien Wohlfahrtspflege Rheinisch-Bergischer Kreis hat dies zum
Anlass genommen, im Ratssaal in Bensberg die Chancen und
Teilhabemöglichkeiten von Kindern mit Behinderungen im Vorschulalter
auf den Prüfstand zu stellen. Vor drei Jahren wurden gemäß der UN-
Behindertenrechtskonvention fast überall in NRW und auch im
Rheinisch-Bergischen Kreis die integrativen Kindertagesstätten
abgeschafft und inklusive Plätze in allen Einrichtungen eingerichtet.

Die Theorie war, den Kindern mit Förderbedarf einen freien Zugang in
jede wohnortnahe Kita zu ermöglichen. „Wir würden gerne alle
Kinder willkommen heißen“,
erklärt Jochen Zanders,
Bereichsleiter von der Diakonie Michaelshoven. In der Praxis ist das
jedoch nicht realisierbar. Daher werden immer mehr Stimmen
beispielsweise von betroffenen Eltern und Fachleuten laut.

Sie sprechen von verschlechterten Rahmenbedingungen seit der
Einrichtung der inklusiven Plätze. So auch der Podiumsteilnehmer
Julian Mihm. Er ist Erzieher in der Kindertagesstätte
„Sonnenblume“ der Caritas RheinBerg und zugleich betroffener
Vater. Für seine mit einem Gendefekt geborene Tochter Lotta ist es
ihm nicht gelungen, eine zufriedenstellende Betreuung in einem
Kindergarten zu organisieren. Sie geht nun zu einer Tagesmutter.

Angelika Huber, Fachdienstleiterin des Frühförderzentrums der
Caritas RheinBerg, attestiert: „Kinder haben heute ungünstigere
Konditionen in inklusiven Kitas als früher in integrativen.“
Sie bedauert, dass das alte integrative Modell nicht als Basis
für das neue Inklusionsmodell genommen wurde.

Genau wie Huber vermisst Dunja Brala, Leiterin der AWO-Kita
„Kunterbunt“, feste Therapeuten in den Einrichtungen:
„Früher konnten die Kinder mit Förderbedarf viel besser betreut
werden als heute, wo externe Therapeuten stundenweise bestellt werden
müssen.“

Neben diesem Faktor scheitert die gewünschte gelebte Inklusion bisher
vor allem am Personalmangel und bestehenden politischen Richtlinien.
Darin stimmen alle Experten Alwine Pfefferle, AWO
Geschäftsbereichsleiterin Kinder, Jugend, Familie und
Beratungsdienste, zu. Sie berichtet von erschöpftem Personal, das
durch die jetzige Situation sehr belastet sei. Mitarbeitende in Kitas
müssen heutzutage gesunde Kinder und solche mit Förderbedarf
parallel betreuen, was alle an ihre Grenzen bringe.

Neben diesem Hauptkritikpunkt bemängelt Claudia Eggers vom Jugendamt
Bergisch Gladbach die langen Wartezeiten auf beispielsweise
Diagnostik-Untersuchungstermine. Diese führen dazu, dass Eltern ihre
Kinder monatelang nicht für einen Inklusionsplatz in einer Kita
anmelden können. Hier müsse sich in der Politik maßgeblich etwas
ändern. Ab dem 1. Januar 2020 wird die nächste Reformstufe des
Bundesteilhabegesetzes umgesetzt.

Das bedeutet, dass der Landschaftsverband Rheinland (LVR) anstatt wie
bisher die Kommune für die Finanzierung der Inklusion zuständig sein
wird. Dies soll die Lage verbessern. Der LVR plant zum Beispiel
regionale Fallmanager einzusetzen, die eine enge Begleitung der
betroffenen Familien sicherstellen sollen. Allerdings gibt es dazu
noch viele Fragezeichen, da die konkrete Umsetzung nicht final bekannt
ist. Alle hoffen indes, dass der Wechsel zum LVR ihre Situation
erleichtert.

Julia Tierbach, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Department
Heilpädagogik der Universität zu Köln, unterstreicht, wie wichtig
generell Hoffnung ist. Sie plädiert zudem dafür, auch die Chancen,
die Inklusion mit sich bringt, zu sehen. Falls sich 2020 jedoch keine
Verbesserungen für alle Beteiligten ergeben, möchten sie im neuen
Jahr weiter auf die Missstände aufmerksam machen. Denn der momentane
Zustand ist sowohl für Eltern, Träger als auch Mitarbeitende nicht
länger zumutbar, so die Experten einstimmig.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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