Leben in Zeiten von Corona
Risikogruppe „Menschen mit Behinderung"
Region - Aufgrund des rasanten Anstiegs der am Corona-Virus infizierten
Menschen in Deutschland kommt es täglich zu immer mehr drastischen
Einschnitten in den Alltag. Menschen mit Behinderung, die alleine oder
in Wohneinrichtungen leben und in den Behindertenwerkstätten der
Region arbeiten, sind von diesen Einschnitten ganz besonders
betroffen.
Die Gold-Kraemer-Stiftung (GKS) hat schon recht früh das Leben in den
Paul Kraemer Häusern - Wohneinrichtungen für Menschen mit geistiger
Behinderung - mit Blick auf die Pandemie - angepasst.
Stiftungsmitarbeiter haben die Bewohner gezielt darauf vorbereitet,
sich zu schützen. „Neben den vom Robert Koch-Institut und den
Gesundheitsämtern empfohlenen Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen kommt
es hier besonders darauf an, die Bedürfnisse nach sozialen Kontakten
und den damit verbundenen Umgang in den Wohngruppen untereinander
sensibel neu zu gestalten“, erklärt Peter Worms, Pressesprecher der
Stiftung.
So wurden sämtliche Sport- und Freizeit-Veranstaltungen sowie auch
alle weiteren sozialen Kontakt außerhalb der Paul Kraemer Häuser
abgesagt. Worms: „Die Möglichkeit des Besuchs von
Familienangehörigen in den Häusern bleibt im Notfall weiterhin
bestehen.“
Die Gold-Kraemer-Stiftung betreibt fünf Wohneinrichtungen im
Rhein-Erft-Kreis - in Pulheim und Stommeln sowie in Frechen, Buschbell
und Hücheln. In einem Haus leben bis zu 26 Menschen in vier
Wohngruppen mit bis zu jeweils sechs Bewohnern zusammen.
Die meisten von ihnen gehen einer geregelten Beschäftigung in
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) nach. Diese wurden jetzt,
auf Anordnung der Landesregierung, vorerst bis zum 19. April
geschlossen.
Eine Maßnahme, die sowohl die Gold-Kraemer-Stiftung als auch die
Lebenshilfe NRW, bereits im Vorfeld gefordert hatten. Ihre
Befürchtung: Die Werkstätten könnten zum „zum Corona-Katalysator
in der Eingliederungshilfe“ werden.
„Die Menschen mit Behinderung, die bekanntlich zur Risikogruppe
gehören, können die Hygienevorgaben, trotz Aufklärung, nur schwer
einhalten. Sie suchen gerade in solchen Ausnahmesituationen den
Kontakt zu betreuenden Mitarbeitern und Kollegen. Diese Menschen
nehmen den Virus dann mit nach Hause und infizieren in den Familien
Angehörige, oft ältere Eltern jenseits der 60 Jahre, oder
Betreuungspersonal in den Wohneinrichtungen. Hinzu kommt, dass viele
Menschen mit Behinderung mit Fahrdiensten oder Taxen zu den
Werkstätten gefahren und abgeholt werden. Auch hier handelt es sich
um eine hochriskante Situation“, argumentierte die Lebenshilfe im
Vorfeld.
Auch Angelika Piesciek hat sich über Tage große Sorgen gemacht. Ihre
Tochter (30) arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen in
Zingsheim. Seit frühester Kindheit hat die junge Frau mit geistiger
Behinderung Probleme mit den Bronchen.
„Die lange Busfahrt und das Arbeiten mit möglicherweise
Infizierten… ich habe mir solche Sorgen gemacht“, erzählt die
Mutter.
„Total verzweifelt“ habe sie sich ans Telefon gehangen, sprach mit
Ämtern, Verbänden, dem Bürgermeister, der Werkstatt und der Presse.
Angelika Piesciek: „Ich habe gekämpft wie ein Löwe und bin jetzt
überglücklich, dass meine Tochter nicht mehr dieser Gefahr
ausgesetzt ist.“
ie hofft, die Gefahr für ihr Kind in den heimischen vier Wänden
aussitzen zu können.
Für die GKS steht jetzt der soziale Halt in den Wohneinrichtungen im
Vordergrund. Aushänge in Leichter Sprache mit anschaulichen
Bildmaterialien helfen, die konkreten Verhaltensweisen wie
Händewaschen und Begrüßungen untereinander anzupassen.
„Die Paul Kraemer Häuser sind insbesondere in dieser
Krisensituation der zentrale Lebensmittelpunkt unserer Bewohnerinnen
und Bewohner. Sie und alle unsere Mitarbeitenden stellen sich in
diesen Tagen den ganz besonderen Herausforderungen“, unterstreicht
der Vorstandsvorsitzende der Gold-Kraemer-Stiftung, Professor Dr. Hans
Josef Deutsch.
Er verweist auf die besondere Fürsorgepflicht des Unternehmens: „In
diesen Stunden wenden wir uns vor allem den Menschen zu, die aufgrund
ihrer persönlichen Lebenssituation besonders viel Schutz und Hilfe
benötigen. Es kommt jetzt darauf an, ihnen mit viel
Einfühlungsvermögen zu begegnen“.
Auch die Fachverbände für Menschen mit Behinderung setzen sich
dafür ein, dass bei den aktuellen Entwicklungen, der Ausbreitung des
Corona-Virus und den getroffenen Schutzmaßnahmen Menschen mit
Behinderung oder psychischer Erkrankung besonders geschützt und
unterstützt werden.
„Zu den dringlichsten Aufgaben gehört, dass die Betreuung durch
ausreichend Personal gewährleistet bleibt“, erklärt Peer Brocke,
Pressereferent der Bundesvereinigung Lebenshilfe in Berlin.
Die Dienste und Einrichtungen müssten mit Schutzkleidung und
Desinfektionsmittel versorgt werden. Auch die Versorgung mit
notwendigen Medikamenten, unter anderem zur Epilepsiebehandlung,
müsste gewährleistet werden.
Wie leben und arbeiten sie in diesen außergewöhnlichen Zeiten? Wie
beeinflusst Corona ihr Leben? Unternehmen, Organisationen,
Einrichtungen und Leser sind aufgerufen, uns ihre ganz persönliche
Situation zu schildern: Schicken sie uns einfach eine E-Mail an:
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- Lars Kindermann
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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