Informationsveranstaltung R(h)einwohnen
Aufgebrachte Diskussion
Limperich - Die Bezirksvertretung Beuel hatte im Dezember 2018 mit knapper
Mehrheit die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung für das
Bauvorhaben „R(h)einwohnen“ auf dem Gelände der
Kissener-Gärtnerei, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Telekom,
beschlossen. Damit soll in Verbindung mit einer Bürgerversammlung
allen Bürgern Gelegenheit gegeben werden, sich über die Planungen zu
informieren und sich dazu zu äußern.
Grundsätzliche besteht bei allen politischen Fraktionen sowie bei den
betroffenen Bürgervereinen Einigkeit darüber, dass an dieser Stelle
Wohnraum für generationenübergreifende und sozial gemischte
Wohnformen geschaffen werden soll.
Schon seit 2006 bestehen dort, unter Einbeziehung von Politik und
Verwaltung, Bemühungen zur Bebauung. Als Voraussetzung dafür war
jedoch stets der Nachweis der Unbedenklichkeit durch Vorlage eines
aktualisierten Klimagutachtens verlangt worden. Ein Gutachten des
Deutschen Wetterdienstes aus dem Jahr 2000 hatte damals noch eine
weitere Bebauung zum Bestandsgebäude der „Telekom“ kritisch
gesehen.
Eine im Juli 2016 wieder aufgenommene Planung wurde deshalb erneut im
Hinblick auf die Auswirkungen auf das Kleinklima und wegen des
drohenden Verlustes einer wichtigen Kaltluftschneise infrage gestellt.
In einem von der Stadtverwaltung 2019 beauftragten und durch das
Ingenieurbüro „SimuPlan“ am 28. März 2019 vorgelegten neuen
Klimagutachten wurde jedoch nachgewiesen, dass durch die Baumaßnahme
weder für die bestehende Wohnbebauung im direkten Umfeld des
Plangebietes noch für die Bereiche jenseits der Bahntrasse
(Sonnenhang) negative kleinklimatische Einflüsse zu erwarten sind.
Lediglich das Plangebiet selbst soll durch die Bebauung betroffen
sein. Diesen Beeinträchtigungen soll jedoch durch eine Vielzahl an
klimatologischen Maßnahmen im Plangebiet entgegengewirkt werden.
Die gutachterlichen Empfehlungen wurden in die aktuellen
Plandarstellungen des Investors eingearbeitet, so dass das jetzt
optimierte Projekt in der am letzten Mittwoch erfolgten
Bürgerinformationsveranstaltung präsentiert werden konnte. Neben
dieser Maßnahme wurde den Bürgern auch die Möglichkeit eröffnet,
die Pläne vom 1. bis 12. Juli im Stadtplanungsamt sowie im Rathaus
Beuel einzusehen. Hiervon sollen nach Auskunft der Stadt Bonn
allerdings nur etwa zehn Personen Gebrauch gemacht haben.Die
Bürgerinformationsveranstaltung im Ratssaal des Rathauses Beuel
erfolgte in Form eines Workshops, in dem an vier Themenständen Pläne
und Darstellungen gegliedert nach Städtebau/Architektur, Klima,
Verkehr sowie Entwässerung/Versickerung eingesehen werden konnten.
Diese wurden durch Vertreter der Stadtverwaltung und durch Ingenieure
der beauftragten Planungsbüros erläutert. Dabei konnten die Besucher
eigene Vorschläge einbringen, die gesammelt, ausgewertet und nach
Prüfung gegebenenfalls in die Planungen einfließen werden.
So zeigen die detaillierten Pläne eine mögliche Bebauung mit 16
zweigeschossigen Einfamilienhäusern als Doppel- oder Reihenhäuser
entlang des Himmerichweges. Ferner sind drei dreigeschossige
Stadtvillen für generationsübergreifendes Wohnen und Wohngruppen
sowie 14 dreigeschossige Mehrfamilienhäuser vorgesehen, die den
Vorgaben des Bonner Baulandmodells (40 Prozent der Wohnfläche als
geförderter Mietwohnungsbau) entsprechen. Zudem sind der Bau einer
dreigruppigen KiTa und ein Bürogebäude mit etwa 8.000 qm
Geschossfläche vorgesehen. Alle Gebäude im Plangebiet verfügen
über extensiv begrünte Flachdächer. Geplant sind mehrere
Tiefgaragen, sodass alle Wohnungen und Büroarbeitsplätze über
Aufzüge und trockenen Fußes erreicht werden können. Zudem werden 33
öffentliche Stellplätze im Straßenraum angeordnet sowie drei
Stellplätze mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge eingerichtet.
Nachdem sich von Beginn der Informationsveranstaltung zahlreiche
Bürger über die Planungen in einer konstruktiven Art und Weise
informieren ließen, änderte sich der Diskussionston mit Erscheinen
einer Gruppe von etwa 50 Personen der Initiative „Lebenswertes
R(h)einwohnen“. Deren Sprecher missbilligte lautstark die Form des
Beteiligungsverfahrens, unterstellte der Stadtverwaltung eine
zögerliche und am Bedarf vorbei gehende Informationspolitik, rügte
den Termin der Bürgerinformation und monierte das Planverfahren, das
als Bebauungsplan der Innenentwicklung rechtlich nicht zulässig sei.
Versuche des Architekten an einem Modell das Projekt zu erklären,
blieben bei ständigen Zwischenrufen und Monologen von Mitgliedern der
Initiative im Ansatz stecken. Den Erläuterungen der beauftragten
Planer wurde kaum Aufmerksamkeit geschenkt, ein Dialog war nicht
möglich. Sichtlich irritiert darüber zeigte sich Kerstin Hemminger,
Abteilungsleiterin im Stadtplanungsamt. Öl ins Feuer war zudem die
Aussage eines aufgebrachten Architekten: Dieser konterte einen Vorwurf
mit der Antwort, dass, wenn es einem nicht passe, man ja auch
wegziehen könne.
Von den anwesenden Kommunalpolitikern sah sich keiner in der Lage
beschwichtigend einzugreifen. So gab es am Ende nur Verlierer, auch
wenn immer wieder betont wurde, dass gebaut werden soll. Über Form
und Umfang konnte am Ende des Abends jedoch keine Einigung erzielt
werden.
Bezirksbürgermeister und MdL Guido Déus, der plenumsbedingt am
Veranstaltungstag im Landtag war, äußerte sich auf Nachfrage: „Es
darf nicht sein, dass sich die Stadt eine städtische
Informationsveranstaltung derart aus der Hand nehmen lässt, wie es
anscheinend vor Ort geschah und dass Architekten Bürgern raten
wegzuziehen, wenn ihnen die Planungen nicht gefallen.
Den berechtigten Fragen, den Anregungen und der konstruktiven und in
einem versöhnlichen Ton vorgetragenen Kritik von vor Ort Betroffenen
gebührt Respekt. Es kann aber nicht hingenommen werden, dass
lautstarker und einseitiger Bürgerprotest den dringend benötigten
Wohnungsbau dann verhindert oder blockiert, wenn es konkret wird. Noch
ist Zeit für sachliche Auseinandersetzungen und ehrliche Diskussionen
vor Ort. Die Sommerpause sollte von allen Beteiligten, von Investoren,
Planern, Bürgern und Politik genutzt werden, um wieder aufeinander zu
zugehen.“
- Helmut Müller
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.