BENNEMANNs BLOG
Das ist der Heiner

Er schüttelte die Flasche diesmal nicht, sondern schwenkte sie nur sachte wie ein Cognacglas, vielleicht weil ihm der Inhalt diesmal kostbarer erschien. Der Duft war himmlisch gut, dass ihm schlagartig das Wasser in die Augen trat. (Das Parfüm war herrlich.) Er zog den Rest des Duftes auf zwei Fläschchen, die er mit Etiketts versah, darauf schrieb er den Namen „Nuit Napolitaine“. (famos, dieser Roman!)

Was war ich froh, das Einladungskärtchen in Händen zu halten. Ich trug es so offensichtlich vor mir her, damit auch jeder sehen konnte, sie darf hier sein, sie ist willkommen. Wenn ich es mir aussuchen dürfte, ich würde einmal in der Woche durch diese Location schlendern. Und am allerliebsten so wie neulich: von hinten, beginnend am Eingang in der Friedrichstraße, durch den Torweg mit seinen stylischen Leuchtstäben. Innen alles sehr modern, klare Formen. Dann einige Stufen hinauf und ich stehe im Biedermeier oder Barock? Egal. Links und rechts dieses antike Mobiliar, die barocken Schränke. Ich kann mich nicht sattsehen: die Glasvitrinen, in denen sich eine Unzahl von Flakons präsentiert. Und das ist ja nur der Augenschmaus. Viel wichtiger noch der Rausch für die Nase. Diese unzähligen Düfte, die sich da vermischen, aber auch für sich allein wahrgenommen werden wollen. Der Haken an der Sache ist, ich kaufe dort nichts. Ich will nur gucken, nur staunen, riechen und nach oben schauen, hinauf zum Glasdach. Was war ich also froh über die Einladung der Parfümerie Becker in meinem Briefkasten.

Hier nun, am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreiches wurde er geboren. Die Hitze quetschte den nach einer Mischung aus fauligen Melonen und verbranntem Horn riechenden Verwesungsbrodem in die benachbarten Gassen. Die Fische, angeblich erst am Morgen aus der Seine gefischt, stanken bereits so sehr, dass ihr Geruch den Leichengeruch überdeckte… Es war ihre fünfte Geburt. Alle vorhergehenden hatte sie hier an der Fischbude absolviert, und alle waren Totgeburten oder Halbtotgeburten gewesen, denn das blutige Fleisch, das da herauskam, unterschied sich nicht viel von dem Fischgekröse, das da schon lag, und lebte auch nicht viel mehr, und abends wurde alles mitsammen weggeschaufelt. (begnadet, dieser Süsskind!)

Du siehst, ich war auf alles gefasst. Seit vielen Jahrzehnten fahre ich an ihr vorbei, die Tore immer verschlossen. Nicht, dass es mich etwa gedrängt hätte, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Aber dann auch hier die Einladung - von Heiner. Keine Frage, dass ich da hingehe. So stand es in der Ankündigung: Wer wissen möchte, wie aus verschmutzter Brühe wieder sauberes Wasser wird, ist genau richtig beim Tag der offenen Tür in der Kläranlage Bonn. Die Stadt Bonn öffnet die Pforten ihrer größten von vier Kläranlagen am Salierweg. - Ich habe ja immer die rasenbepflanzten ich sag mal Pyramiden gesehen: So imposant wie die aussehen, so stinkt’s darinnen. Das sind die Faultürme: Dem Schlamm aus dem Klärprozess wird mit verschiedenen Techniken Wasser zur Volumenreduzierung entzogen, bevor er für 30 Tage bei 37 Grad in den Faulbehältern verschwindet. Möchte ich nicht dran riechen!

Wo ich gerade bei Gestank bin. So ein Besuch in der Kläranlage ist ja, was das eigene Blähverhalten anbelangt, eine tiefenentspannte Sache. Anders vor Jahren bei Staples, dem Laden für Büroartikel (gibt’s auch nicht mehr): Ich frage einen Verkäufer nach … egal. Wir beide stehen mitten auf der Verkaufsfläche, um uns herum nichts, keiner, kein Lebewesen, auf das ich es hätte schieben können. Ich lasse einen fahren. Sagt man doch so, oder? Ich schau grad mal: Ich habe noch furzen, pupsen, flatulieren und blähen gefunden. Das ist ja das eine: Ist der laut oder leise, der Furz? Das andere aber ist: Stinkt er oder stinkt er nicht? Und wenn er stinkt, was soll ich sagen. Mein Furz hat so infernalisch gestunken. Noch heute bewundere ich den jungen Verkäufer, der keine Miene verzog, und das Verkaufsgespräch eher noch in die Länge gezogen hat. So jedenfalls meine subjektive Einschätzung. Vielleicht, im Nachhinein, hat er sich auch einen Spaß daraus gemacht, mir nicht die Möglichkeit der Flucht zu geben.

Was ich aber eigentlich sagen möchte, wenn du in einer Kläranlage bist, vollkommen tiefenentspannt. Da kannst du einfach mal pupsen, ohne Angst zu haben, dass mit dem Finger auf dich gezeigt wird. Stell dir jetzt das mal im schmalen Gang in der Parfümerie Becker vor! Gut, wenn du Glück hast, kannst du die Flucht nach vorne antreten und ganz laut „Oh, hier stinkt’s aber“ rufen, damit klar ist, dass du es nicht warst. Diese Möglichkeit hatte ich bei Staples nicht.

Wo ich gerade dabei bin. Neulich wurde ja in London gekrönt und da hatte ich wieder denselben Gedanken, den ich immer habe, wenn ich am Fernseher die Hochzeiten der Adeligen verfolge. Weil, das ist ja schon auch eine Herausforderung, du musst ja als Gast, egal wie bedeutsam du bist, schon recht früh in der Kirche antanzen und deinen Platz einnehmen. Bis es dann endlich mal losgeht, das zieht sich. Und so eine Trauung zieht sich auch. Und am Ende, bis du da mal raus bist. Was machst du eigentlich, wenn du da mal aufs Klo musst? Was ja für den Charles recht praktisch war. Ich weiß, es geht bei der Salbung um etwas Höheres, Göttliches, wo der normal sterbliche Mensch nicht zugucken soll. Aber trotzdem, praktisch war es schon für den Charles. Weil in dem Alter, ich sage nur Prostata. Also ich kenne ganz viele alte Männer in meinem Umfeld, die gucken sich einen Spielfilm mindestens zweimal an, um den in Gänze gesehen zu haben. Da wurden doch dann um ihn, den Charles, herum diese Stellwände aufgestellt, und er soll für diese Prozedur nur ein Leibchen angehabt haben. Ich meine, da hätte er auch gleichzeitig …

Ach ja, ich vergaß, der Heiner, das Maskottchen der Kläranlage. Am Tag der offenen Tür habe ich den als Schlüsselanhänger mitnehmen dürfen. Es soll ein Geißeltierchen darstellen, das für die Klärung wichtig ist – das nur zur Er-Klärung. Was mich aber jetzt noch umtreibt, den habe ich doch tatsächlich nicht im Internet gefunden, den Heiner. Gibt es denn so was? Dass es etwas im Internet nicht gibt?

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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