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Düren: Leidenschaft und Erotik

Kennst du das, wenn du so richtig reingesteigert bist? War ich. Und kennst du auch den 1983 erschienenen und preisgekrönten Roman "Die Entdeckung der Langsamkeit" von Sten Nadolny? Unbedingt lesen! Wenn du denkst, du hast ihn noch nicht gelesen, schau aber erst einmal ins Bücherregal (hat unsereiner ja noch!) Vielleicht steht das Buch ja da und du hast nur vergessen, dass du es schon gelesen hast. Wenn's nicht da steht, kauf's dir gebraucht, da macht es auch nichts, wenn du beim Ölziehen Öl draufkleckerst. Wie komm ich drauf? Genau, der letzte Samstag im August. Ich sag dir, so was von reingesteigert und dabei so was von tiefenentspannend …

Weil was Anspannung anbelangt, bietet mir mein SCHAUFENSTER ja immer wieder so einiges. Neulich zum Beispiel: War ich da froh, dass die Lettern "Das Elend des Scheiterns" sich nicht auf. Ich mein, Elend und Scheitern sind ja schon jeweils für sich kein Spaß, aber zusammen in einer Überschrift, da ahnst du nur das Übelste! Gott sei Dank bezogen sich die Lettern aber nicht auf unsere Beethovenhalle. Ich hatte nur zwei Artikel in einen Topf geworfen, weil beide sich mit Dramen befassten. Weil über sie gab es auch einen Beitrag in meinem SCHAUFENSTER, aber zum Glück mit der Überschrift "Neustart für die Beethovenhalle". Darin hieß es, das Drama um die Beethovenhalle soll nun endlich ein Ende finden. Oberbürgermeisterin Katja Dörner holt für die Sanierung einen erfahrenen Experten für komplizierte Bauprojekte der öffentlichen Hand an Bord. Ein Team der Berliner Häuser Baumanagement GmbH soll die Stadt als Bauherrin unterstützen, damit die Beethovenhalle erfolgreich fertig geplant und störungsfrei zu Ende gebaut werden kann. Mein erster Gedanke: Haben die nicht genug eigene Probleme in Berlin zu lösen und hätte man die in Berlin nicht wegen des Flughafens mal anrufen können? Konnte und hat man. Denn weiter hieß es in dem verheißungsvollen Artikel, die Berliner Häuser sei spezialisiert auf das Projekt- und Baumanagement diffiziler Bauprojekte. Das Unternehmen war mit seinem Geschäftsführer Steffen Göbel entscheidend in der Fertigstellung der Elbphilharmonie sowie des Berliner Flughafens BER involviert. Ich kann nur sagen, meiner Meinung nach hat der Herr Göbel für dieses Leben ausgesorgt, wenn der so gut ist.

Aber apropos Drama. Die Lettern "Das Elend des Scheiterns" waren die Überschrift für eine feine Rezension über das Stück "Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist. Was hab ich da beim Lesen für einen Spaß gehabt an solchen Sätzen wie: "Die nahezu brutal naturalistische Inszenierung mit sehr textsicheren und engagierten Schauspielern entließ so manchen verstörten Zuschauer." Und "Das Premierenpublikum spendete den hervorragend die Regieziele umsetzenden Schauspielern anhaltenden verdienten und den besonderen Wert der Aufführung schätzenden Applaus." Hammer-Satz, oder?
Und wo ich gerade beim Scheitern bin, kennst du "Das Institut – Oase des Scheiterns"? Dazu Wikipedia: eine deutsche Workplace-Sitcom aus dem Jahr 2018 und 2020 über die Arbeit eines deutschen Kulturinstituts im zentralasiatischen Fantasiestaat Kisbekistan. Weitgehend am Interesse der Einheimischen vorbei versuchen die sechs Mitarbeiter, mit Sprachkursen und Veranstaltungen ein positives Deutschlandbild zu vermitteln. Das in der Serie dargestellte Deutsche Sprach- und Kulturinstitut trägt dabei unverkennbar Züge des Goethe-Instituts. Unbedingt schauen!

So, nun aber zu meinem letzten Samstag im August und der Entdeckung der Langsamkeit. Ich sagte ja, ich war da so was von reingesteigert. Was dem einen sein Sylt, war mir Heimbach. Wir haben uns wieder aufgemacht, mit dem 9-Euro-Ticket, und sind mit der Regionalbahn vom Bonner Hauptbahnhof nach Euskirchen gefahren. Von Euskirchen mit der Bördebahn nach Düren, und von Düren mit der Rurtalbahn nach Heimbach. In Heimbach ein klein wenig nach links geschaut und ein klein wenig nach rechts gegangen. Und dann alles wieder retour. Was zunächst einmal das absolut Entspannende ist: Bonn, Euskirchen, Düren und Heimbach sind jeweils Start- oder Endhaltestelle. (Witzig in dem Zusammenhang: Es gibt kein Antonym, also kein Gegenteil, für Endstation.) Du steigst also immer in einen leeren Zug ein und fährst bis zur Endstation. Also kein Stress von wegen verpassen. Dann hast du immer so was von genug Zeit für den Umstieg - bis zu eineinhalb Stunden. Was aber das absolut Erholsame ist: Es gibt in Euskirchen und Düren nichts, was du dir anschauen willst. Also nichts wie rein in die Bahnhofsbuchhandlung. Und in Zeitschriften schwelgen, von deren Existenz ich nicht die geringste Ahnung hatte. Und, noch besser, in Schnulzen schwelgen: "Jadeherzen (schau dir das Cover an!) - Der legendäre Schatz der chinesischen Tang-Dynastie ist verschwunden!" Und "Kyle Donovan, für ein Abenteuer immer zu haben, wird auf die Spur der geheimnisvollen Lianne Blakely gesetzt. Die exotische Schönheit ist nicht nur eine anerkannte Expertin für alte Jadekunstwerke, sondern auch eine illegitime Tochter der einflussreichen Tang-Familie. Bald schon werden die beiden in einen verzehrenden Sog aus Lüge, Macht und Leidenschaft gezogen …" Und darunter: "ein überaus spannender und exotischer Liebesroman". Bei aller Liebe, der Tag dient ja gerade der Entspannung! Und jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht trotz eineinhalb Stunden Aufenthalt den Anschlusszug verpasse! Was auch witzig ist, der Bahnhof Euskirchen hat sechs Bahngleise: Gleis 1 bis 5 und Gleis 46.

Schon das ganze Drumherum an diesem Tag war so was von tiefenentspannend. Wenn du dann aber noch zusätzlich unzählige Male das folgende Mantra hörst: "Nächste Station Jakobwüllesheim - Bitte achten Sie auf den Abstand zwischen Zug und Bahnsteigkante - Bedarfshalt: Zum Aussteigen bitte Haltewunschtaste betätigen - Ausstieg in Fahrtrichtung links". Wenn du dieses Mantra den ganzen Tag über immer wieder hörst - so was von Tiefenentspannung, so was von Erholung, entschleunigend, die Langsamkeit neu entdeckt!

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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