Digitale Zwillinge
EU fördert Projekt zur besseren Schlaganfalltherapie

Prof. Dr. Matthias Braun von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn.  | Foto: Gregor Hübl/Uni Bonn
  • Prof. Dr. Matthias Braun von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn.
  • Foto: Gregor Hübl/Uni Bonn

(red). Kommt es zu einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung, beginnt der Wettlauf gegen die Zeit. Es muss verhindert werden, dass Gehirnzellen absterben. Noch klingt es wie Science-Fiction: An einem digitalen Zwilling testen Ärzte die erfolgversprechendste Therapieoption. Wenn es nach den Forschenden des europäischen Konsortiums „Gemini“ (lateinisch „Zwilling“) geht, könnte dies bereits in sechs Jahren möglich sein. Zur Realisierung des Vorhabens haben die 19 Partner unter Federführung des Universitätsklinikums Amsterdam (UMC) von der Europäischen Kommission eine Horizon-Förderung in Höhe von zehn Millionen Euro erhalten. An der Universität Bonn ist der Lehrstuhl für (Sozial-)Ethik der Evangelisch-Theologischen Fakultät beteiligt.

Schon seit vielen Jahren simulieren Forschende am Computer die Konstruktion etwa von Autos und Flugzeugen. Das Gemini-Konsortium möchte solche Technologien auch in der Medizin einsetzen. Bei diesen sogenannten „Digitalen Zwillingen“ handelt es sich um virtuelle Abbilder von Organen oder Körperfunktionen einer Patientin oder eines Patienten. Diese generierten Simulationen sollen Vorhersagen zu Gesundheitsrisiken und Krankheitsverläufen sowie Tests für Behandlungsoptionen ermöglichen.

„Computersimulationen in der Medizin sind noch längst kein Standard. Auch wenn sie das Potenzial haben, ein unglaublich wertvolles Werkzeug zu sein”, sagt Prof. Matthias Braun vom Lehrstuhl für (Sozial-)Ethik der Universität Bonn, verantwortlich für die Forschung zu ethischen und regulativen Fragen im Rahmen von Gemini. In diesem Projekt wollen die Forschenden die Behandlung für einzelne Schlaganfallpatientinnen und -patienten zunächst an einem digitalen Zwilling testen. Anhand der Simulation können die Ärztinnen und Ärzte abschätzen, welche Behandlung funktioniert und welche nicht. Sie geben etwa den Blutdruck, den Herzrhythmus, Informationen aus dem Gehirnscan und andere medizinische Daten der Schlaganfallerkrankten ein. Dann wird eine Art „digitales Abbild“ erzeugt, an dem Behandlungen simuliert werden können.

„Wird deutlich, dass es verschiedene erfolgsversprechende Optionen gibt, stellt sich an dieser Stelle schließlich die Frage, wer eine Entscheidung stellvertretend für die betroffene Person treffen sollte“, erklärt Matthias Braun. „Uns beschäftigt insbesondere, welche moralische wie rechtliche Handlungsmacht solchen Simulationen in einer Notfallsituation zukommen sollte. Kann und darf die Simulation stellvertretend entscheiden? Wie weit darf eine solche Stellvertretung gehen?“, sagt der Wissenschaftler, der Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen „Modelling“, „Life & Health“ sowie „Individuals & Societies“ an der Universität Bonn ist.

Das Konsortium entwickelt in den nächsten vier Jahren die Technologie zur Erstellung digitaler Zwillinge. Weitere zwei Jahre sind eingeplant, um sie in eine Computersimulation zu verwandeln, die in der klinischen Praxis eingesetzt werden kann. Ziel ist, mit Hilfe der digitalen Zwillinge maßgeschneiderte Behandlungsmethoden für die Patientinnen und Patienten zu finden.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

28 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.