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BENNEMANNs BLOG
Ich hab ein zweites Sitzbein!

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass mein Göttergatte demnächst in den Ruhestand hineintritt? Will sagen, dass die Sache mit dem Geld dann doch ein wenig übersichtlicher wird. Deshalb schaue ich mich schon seit Längerem nach zusätzlichen Einnahmequellen um. Klar, da ist zunächst einmal meine Insel. Meine altbekannte Verkehrsinsel, auf der ich ja ohnehin viel Zeit verbringe. Da wird sich sicherlich etwas aufbauen lassen.

Was sich aber zunehmend als recht lukrativ herausstellt, wo ich mittlerweile richtig gut im Geschäft bin. Angefangen hat es mit einem vollkommen aufgelösten älteren Herrn, der auf mich zulief (ich dachte noch, da weißt du auch nicht, wie lange das sein Herz noch mitmacht). Er steuerte direkt auf mich zu, laut keuchend, knallroter Kopf, Hemd halb aus der Hose raus, und baute sich vor mir auf. Ob ich, er wisse, dass sei ein ungewöhnliches, wenn nicht sogar ein unmoralisches Angebot, aber er sehe keine andere Möglichkeit. Anders wisse er sich nicht zu helfen. Nun war ich zu diesem Zeitpunkt völlig tiefenentspannt, saß im Außenbereich einer Pizzeria und hatte schon zwei Cocktails im Hinblick auf ihren Alkoholgehalt getestet.

Normalerweise komme ich nicht dazu, mich durch verschiedene Cocktails zu süffeln, weil eigentlich immer der Mai Tai gesetzt ist. Weil, das kann ich unumwunden sagen, einen gut zubereiteten Mai Tai - und die Menschen um dich herum erscheinen dir nicht nur schöner, sondern vor allem auch amüsanter. Neulich hat mir übrigens jemand gesagt, den Mai Tai gäbe es auch alkoholfrei. Bis zu dem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass es alkoholfreie Cocktails gibt, geschweige den Mai Tai. Meinen Mai Tai, also den mit Alkohol, gabs aber in besagter Pizzeria nicht. Deshalb andere Cocktails, und sicherheitshalber zwei. Wie gesagt, der ältere Herr baute sich nun vor mir auf und sagte, er habe mich vom Fenster aus, er wohne gleich gegenüber, in der zweiten Etage. Wenn ich mal schauen wolle, dort oben das erste Fenster auf der rechten Seite mit den frisch gewaschenen weißen Gardinen. Jedenfalls, er habe mich von dort oben beobachtet und dabei habe sein Anliegen immer mehr Raum in seinem Kopf eingenommen. Er sei sich bewusst, dass sein Anliegen in gewisser Weise, wisse sich aber nicht anders zu helfen. Sein Begehr sei aus allergrößter Not geboren. So etwas habe er vorher noch nie in Erwägung gezogen. Aber für alles gebe es ja schließlich ein erstes Mal. Es sei ja aber auch von meiner Seite nicht mit allzu großen Kraftanstrengungen verbunden. Den allergrößten Teil müsse er ja erledigen, was ja in seinem Alter, man wisse nie. Ich müsse ja nur ganz ruhig, eigentlich unbeweglich. Genau genommen müsse ich eigentlich nur still, und er würde dann versuchen, so schnell wie möglich, ich wisse schon. Und im Übrigen könne ich ja auch nein sagen. Wobei er hinzufügen wolle, dass er ein Mann sei, der sich nicht lumpen ließe.

Nun ja, was soll ich sagen, nach zwei Cocktails ohne solide Grundlage im Magen war da von meiner Seite aus schon ein gewisses zwirbeliges Gefühl. Nenn es von mir aus auch ein Kribbeln. Auch weil ich während seines Redeschwalls, an seinen Lippen hängend, selbstvergessen - und redend, also selbstredend, weiter getrunken hatte. Und gerade überlegte, ob ich im Angesicht seines Ansinnens noch einen dritten Cocktail ordern sollte. Da ich also schon leicht einen hängen hatte, erschien mir der Mann gar nicht mehr so alt, und vor allem wirkte er so was von sympathisch. Was die Sache zusätzlich erleichterte, was ich als Wink des Schicksals deutete, mit der Pizza würde es sowieso laut Ober noch ein Weilchen dauern. Und wenn wir Glück hatten, der alte Mann und ich, würde es ja auch schneller über die Bühne gehen als angenommen. Auch dachte ich, ich erwähnte es eingangs, an unsere zunehmend geringeren Einnahmen. Und was das Sparen angehen würde, bitte nicht an meinen Cocktails. Da kam mir der Nebenverdienst gerade recht.

Ich willigte also ein. Kaum hatte ich seinem Wunsch entsprochen, drehte er sich auch schon postwendend um und setzte sich schwungvoll in Bewegung. Seine Schritte wirkten geradezu wie die eines Jungspunds. Ja, sichtlich verjüngt, in Vorfreude auf das, was ihn erwarten würde, eilte er von dannen. Was jetzt aber das Blöde war, ich hatte so was von Schwierigkeiten, ich schätze mal, dem Konsum der Cocktails geschuldet, also bis ich mich mal in der Vertikalen hatte. Plötzlich hatte ich das ungute Gefühl, meiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Die wirklich nur darin bestand, in Ruhe auszuharren, bis der alte Mann.

Apropos alt und Ruhe bewahren. Ich mein, das hast du ja bestimmt auch schon mitgekriegt. Schon zu meiner Zeit hast du, wenn du in der Altstadt gewohnt hast, ein bestimmtes Knöllchenbudget für falsches Parken eingeplant. Aber immerhin hast du nach einigen Suchrunden einen Parkplatz gefunden. Über die Jahre sind immer mehr Parkplätze in den Innenstädten weggefallen. Erst neulich lasen sich in meinem SCHAUFENSTER die Lettern: Platz für Fußgänger – Gerhard-Domagk-Straße verliert Parkplätze. Und viele von den wenigen Parkplätzen, die es noch gab, sind ja heute zum größten Teil der Außengastronomie gewidmet. Wo war ich? Ach ja, Außengastronomie. Genau, ich saß draußen vor der Pizzeria zur Straßenseite hin zwischen Häuserfront und Bürgersteig. Und neben dem Bürgersteig und zwischen einigen Anpflanzungen auch ein paar wenige Parkbuchten. Und eine dieser Parkbuchten war frei, die hatte der ältere Herr von seinem Fenster aus gesehen. Hatte sich seinen Wohnungsschlüssel geschnappt und war auf mich zugestürzt. Während er nun zu seinem Auto, das er notgedrungen in weiter Entfernung hatte parken müssen, im Laufschritt unterwegs war, stellte ich, nach wie vor ein wenig gefährlich schwankend, zwei Stühle in besagte freie Parklücke. Und zwar so, dass ich auf einem Stuhl saß und auf dem anderen meine Füße bettete.

Ich verdiente 20 Euro und eine Flasche Rotwein. Also, wenn du mich neuerdings in der Altstadt herumlungern siehst, weißt du Bescheid, Schätzelein.

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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