Die Menschenversuche des Nobelpreisträgers
Folgt jetzt die Umbenennung?
Robert Koch gilt als Begründer der modernen Bakteriologie und der klinischen Infektiologie, bekannt wurde er vor allem als Entdecker eines Bakteriums, das Tuberkulose auslöst: Dennoch erscheint es derzeit fraglich, ob es der Mediziner, Mikrobiologe und Nobelpreisträger Robert Koch wirklich verdient hat, dass in Köln Straßen nach ihm benannt sind. Die Professorin Marianne Bechhaus-Gerst, Mitglied im Historischen Beirat der Stadt, kommt in ihrem Gutachten jedenfalls zu dem Schluss, dass der Name „teilweise belastet und ein Abwägungsprozess notwendig ist“.
von Hans-Willi Hermans
Lindenthal. Prof. Bechhaus-Gerst hatte das Gutachten im Rahmen des Projekts „Umgang mit dem (post)kolonialen Erbe Kölns“ des Amts für Integration und Vielfalt erstellt. Dabei wurden unter anderem die Straßennamen auf einen möglichen kolonialen oder nationalsozialistischen Hintergrund hin abgeklopft. Ausgelöst wurden die Bedenken der Professorin durch Kochs zahlreiche Reisen: Ab 1883 war er häufig in britischen, niederländischen und deutschen Kolonialgebieten, um Tropenkrankheiten zu erforschen.
Dort habe Koch auf der Suche nach einem Mittel gegen die Schlafkrankheit „Menschenversuche“ vorgenommen, so Bechhaus-Gerst, und zwar „ohne Einwilligung der einheimischen Probanden“. Er habe dabei mit dem Arsenpräparat Atoxyl experimentiert, dessen Einsatz an Versuchspersonen in Deutschland verboten war, weil es in hohen Dosen giftig ist. Es sei im Verlauf der Versuche zu Erblindungen und Todesfällen gekommen, doch auch die Isolierung der Versuchspersonen „in sogenannten Konzentrationslagern“ unter unhaltbaren hygienischen Umständen und bei mangelhafter Ernährung habe zahlreiche Menschen das Leben gekostet. Genaue Zahlen liegen nicht vor.
Auch auf der Homepage des nach ihm benannten Robert-Koch-Instituts (RKI), der wichtigsten Einrichtung der Bundesregierung in Fragen der Krankheitsüberwachung und -prävention, werden diese Menschenversuche als das „wohl dunkelste Kapitel in der Karriere des Institutsgründers“ bezeichnet.
Bechhaus-Gerst erkennt darin „Unterstützung des europäischen Kolonialismus“, „Verbrechen im Kontext des Kolonialismus“ und „ein rassistisches Menschenbild, das ihn als im rassistischen Diskurs seiner Zeit fest verankerten kolonialen Täter ausweist“. Sie gibt aber auch zu bedenken, dass Kochs Verdienste und wissenschaftliche Leistungen „ohne Zweifel groß“ seien.
Die betroffenen Bezirksvertretungen – außer in Lindenthal gibt es auch in Pesch eine Robert Koch-Straße –müssen nun überlegen, wie sie weiter vorgehen. Sie können die Straßen umbenennen, mit Erläuterungstafeln oder QR-Codes über den Namensgeber informieren oder auch gar nichts tun. Die einstige „Mensa Robert-Koch-Straße“ der Universität wurde bereits 2021 auf Initiative von Studenten in „Mensa Lindenthal“ umbenannt.
Neben Koch stehen noch weitere Persönlichkeiten zur Prüfung an. Derzeit werden die Namensgeber des Heinrich-Stevens-Wegs, der Peco-Bauwens-Allee, des Jakob-Zündorf-Wegs sowie der Max-Wallraf-Straße in Müngersdorf beziehungsweise Braunsfeld durch das NS-Dokumentationszentrum auf mögliche Verstrickungen in den Nationalsozialismus hin überprüft.
Redakteur/in:EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln |
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