Als es noch zwei Deutschlands gab...
Zeitzeugin Ines Pinsdorf erzählte in der Schule

Ines Pinsdorf war an der Ursulinenschule zu Gast. | Foto: FES
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Bornheim-Hersel - (fes) Wie war das damals, als es noch zwei „Deutschlands“ gab,
die Bundesrepublik und die DDR? Für die Generationen, die nach dem
Fall der Mauer 1989 und der Wiedervereinigung ein Jahr später geboren
worden sind, ist diese Situation kaum fassbar. Sie kennen sie aus
Geschichtsbüchern oder aus Erzählungen von Zeitzeugen. Eine dieser
Zeitzeuginnen ist Ines Pinsdorf, mittlerweile 55 Jahre alt, in
Magdeburg in Sachsen-Anhalt zu DDR-Zeiten aufgewachsen.

Auf Einladung des Bornheimer Stadtjugendrings berichtete sie
Schülerinnen eines Geschichtskurses am Gymnasium der Herseler
Ursulinenschule aus erster Hand aus ihrem Leben in der DDR. Als die
Mauer am 9. November 1989 fiel, war Pinsdorf 25 Jahre alt.
Mittlerweile lebt sie seit vielen Jahren in Bornheim mit ihrem Mann
und arbeitet in der Finanzbuchhaltung der Bornheimer Stadtverwaltung.

„Rebellisch“ sei sie bereits als Teenager gewesen, erzählte Ines
Pinsdorf. Das brachte ihr während der Schulzeit und bei der späteren
Ausbildung zur „Facharbeiterin für Zierpflanzen unter Glas und
Plastik“ viele Probleme ein. Ihre Schulnoten verschlechterten sich
und weil sie nicht in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
(SED) eintreten wollte blieb ihr ein Studienplatz verwehrt: „Mein
Lehrmeister war bei der Staatssicherheit, der Stasi, und er spielte
seine Macht richtig aus.“

Ines Pinsdorf berichtete auch von unangemeldeten Besuchen, etwa denen
ihrer Klassenlehrerin. Dadurch sollte überprüft werden, ob Familien
möglicherweise das in der DDR verbotene Westfernsehen guckten.

Dachte sie jemals an Flucht? Demonstrierte sie auch Ende der 80er
Jahre für mehr Freiheit und Demokratie? „Die Demonstrationen
verliefen nicht so ruhig, wie es gerne dargestellt worden ist. Es
wurden immer wieder Leute eingesperrt. Da ich damals eine
sechsjährige Tochter hatte, habe mich nicht getraut zu demonstrieren,
aber durch das Westfernsehen war ich gut informiert.“

An Flucht dachte die Finanzbuchhalterin nie. „Aus Angst“, räumte
sie ein. „Ich wusste von den Schießbefehlen an der Mauer. Den Mut,
das Land zu verlassen, hatte ich nicht gehabt.“

Eines ist bis heute geblieben: Ines Pinsdorf ist immer noch
überwältigt von der Auswahl an Waren in den Supermärkten: „Wir
hatten drei Sorten Bonbons, das war’s.“ Die DDR-Mangelwirtschaft
hatte aber auch etwas Gutes: „Was ich heute oft vermisse, sind die
Hilfsbereitschaft und Solidarität. Lieh mir mein Nachbar seine
Bohrmaschine aus, bekam er von mir meine Nähmaschine.“ Sie
bedauert, dass viele ostdeutsche Waren und Firmen nach dem Mauerfall
„verramscht“ worden seien. Deswegen kauft sie aus Solidarität bis
heute bewusst Produkte von ostdeutschen Unternehmen: „Ich freue mich
über jede Firma von damals, die noch am Markt besteht.“

Hat sie jemals ihre Stasiakten eingesehen? „Nein“, betonte Ines
Pinsdorf. „Ich lebe jetzt dreißig Jahre in Freiheit. Öffne ich die
Akten, dann könnten Konflikte entstehen, wenn dort jemand aus meinem
Bekanntenkreis darin steht.“ Und dann folgte eine eindrucksvolle
Bemerkung: „Heute verzeihe ich den Leuten, die damals für die Stasi
gearbeitet haben – es waren die Umstände –nur nicht meinem Onkel,
weil er zur Verwandtschaft gehörte.“

Und was gibt sie den Schülerinnen mit auf den Weg? „Ihr habt heute
die Möglichkeit und die Freiheit euren beruflichen Weg selber zu
wählen. Diese Freiheit hatte ich damals nicht.“ Schließlich
wünscht sich Ines Pinsdorf noch, dass mit der jetzigen
Jugendgeneration Ost und West richtig zusammenwachsen und Deutschland
endlich eine Einheit wird.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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