Gedenksteine für jüdische Gründerfamilie
Alpenverein übernimmt Patenschaft
Marienburg - (sb). Bereits 1933 flohen der jüdische Kaufmann Alfred Leonhard
Tietz, seine Frau Margarete, ihre Kinder und seine Mutter aus Köln.
Tietz war auch Mitglied der Sektion Rheinland-Köln des Deutschen
Alpenvereins (DAV). Dieser übernahm die Patenschaft für
Stolpersteine für die Familie. Nun verlegte Künstler Gunter Demnig,
Initiator des Stolperstein-Projekts, fünf Gedenksteine vor dem
ehemaligen Familienwohnsitz in Marienburg.
Die emigrierte Familie wollte nicht unter Hitler leben und fürchtete
antisemitische Handlungen. Schon früh stand Tietz im Visier der
Nazis. Er war ein bekannter Mann, ältester Sohn des
Warenhaus-Gründers Leonhard Tietz. Von 1914 bis 1933 führte er den
Familienkonzern an und baute ihn - trotz Teilnahme als Soldat im
Ersten Weltkrieg - kontinuierlich aus. Im Jahre 1929 bestand das
Unternehmen mit Hauptsitz in Köln aus 43 Filialen mit 15.000
Beschäftigten. Bei einem Jahresgesamtumsatz von über 200 Millionen
Reichsmark ein interessantes Objekt für die Nazis. Im April 1933 trat
Tietz aufgrund von SA-Terrors gegen mehrere Niederlassungen und
angesichts der Bankendrohung, sämtliche Kredite zu kündigen, aus dem
Unternehmensvorstand zurück, um die „arische Vorstandsmehrheit“
zu ermöglichen, die die neuen Machthaber forderten. Unter ihrem Druck
musste die Familie ihre Aktien, deren Kurswert durch Hetzkampagnen von
300 Prozent auf elf Prozent gefallen war, an die neuen Eigentümer
verkaufen. Die hießen Commerzbank, Deutsche Bank und Dresdner Bank.
Alfred Tietz, 1883 in Stralsund geboren, und Margarete Dzialosynski,
Tochter eines jüdischen Berliner Großhändlers, hatten 1909
geheiratet. Sie lebten in einer Villa in der Parkstraße 61 in
Marienburg und bekamen drei Kinder: 1913 Wolfgang L., 1915 Herta
Gabriele und 1920 Ulrich Albert L,. Das Ehepaar gehörte zu den
angesehenen liberalen Vertretern des Kölner Judentums. Er war
Mitglied der Rotarier und des Deutschen Industrie- und Handelstages
und saß im Vorstand des Kölnischen Kunstvereins und zahlreicher
karitativer Organisationen. Sie engagierte sich in mehreren Kultur-
und Sozialeinrichtungen.
Auch im Alpenverein herrschte Antisemitismus. Ab 1934 hieß es: „Wer
Mitglied sein wollte, musste arischer Abstammung sein.“ Jüdische
Mitglieder wurden ausgeschlossen, so auch Alfred Tietz. „1996
begannen die Alpenvereine mit der Erforschung der Nazizeit“,
informierte Karl-Heinz Kubatschka vom DAV. Der Kölner Reinhold Kruse
suchte als Archivar des Vereins intensiv über viele Jahre nach
Quellen, um die Biographien der ausgeschlossenen Mitglieder zu
recherchieren und niederzuschreiben, darunter auch die Geschichte von
Alfred Tietz.
Dieser floh mit seiner Frau 1933 ins Saargebiet, 1934 emigrierten die
beiden nach Amsterdam, wohin sich bereits Tietz Mutter und die Kinder
geflüchtet hatten. Als die Deutschen 1940 in Holland einzumarschieren
drohten, floh die Familie erneut. Die einzige Möglichkeit, die sich
noch bot, war ein Schiff nach Palästina, das letzte Schiff überhaupt
dorthin. Alfred L. Tietz starb 1941 mit 58 Jahren in Jerusalem.
Margarete zog 1948 in die USA, 1972 starb sie in London. Zeit ihres
Lebens engagierte sie sich sozial. Nach Köln kehrte sie nur einmal
für einen Tag zurück.
Seit dem Jahr 2000 verlegt Gunter Demnig regelmäßig Stolpersteine.
Mittlerweile sind in Köln etwa 2.300 und insgesamt über 70.000
Gedenksteine verlegt. In weiteren 20 europäischen Ländern finden
sich ebenfalls die Gedenksteine. Sie beruhen auf dem Prinzip des
Engagements: Ein Stolperstein wird dann verlegt, wenn Einzelne oder
Gruppen, eine kostenpflichtige Patenschaft übernehmen. Wer Pate für
einen Stolperstein werden möchte, kann sich an das
NS-Dokumentationszentrum wenden. Eine Patenschaft kostet mit Verlegung
rund 120 Euro. Weitere Informationen unter
www.stolpersteine.com
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.