Zuflucht gefunden
Ukrainerin berichtet dem Extra-Blatt über ihre Flucht

Schülerin Natalija Schewzowa (li.) mit Lehrerin Nadja Soprun, die ebenfalls geflüchtet ist und in Ruppichteroth bei guten Freunden lebt.  | Foto: Steimel
  • Schülerin Natalija Schewzowa (li.) mit Lehrerin Nadja Soprun, die ebenfalls geflüchtet ist und in Ruppichteroth bei guten Freunden lebt.
  • Foto: Steimel

Ruppichteroth. In den Medien sieht, hört und liest man es jeden Tag seit Ende Februar, die Nachrichten zum Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. 1.500 Kilometer weit weg von Ruppichteroth und doch ist dieser Krieg auch in der kleinen Berggemeinde spür- und sichtbar. Flüchtlinge aus der Ukraine sind eingetroffen, die Schutz suchen für sich und ihre Kinder. Derzeit befinden sich 132 Ukrainer im Gemeindegebiet, vom Baby- bis ins Rentenalter. 116 davon sind privat untergebracht, die restlichen 16 in Kommunalwohnungen. Als Reserve steht weiterhin die Grundschulturnhalle in Schönenberg zur Verfügung.

Das Extra-Blatt hatte die Gelegenheit, sich mit einigen Flüchtlingen zu unterhalten. Hierbei unterstützte die ebenfalls geflüchtete Nadja Soprun. Sie spricht fließend deutsch und hat die Übersetzung vorgenommen. Interviewpartnerin ist Natalija Schewzowa (53) aus dem hart getroffenen Irpin, einem Vorort von Butscha. Sie schildert ihre Flucht mit ihrer französischen Dogge nach Deutschland und schließlich nach Schönenberg, wo ihre Schwägerin Freunde hat. Ihr Sohn musste, wie alle Männer, zurückbleiben. Die Flucht von Natalija Schewzowa begann am 9. März, als die Russen bereits im Ort Irpin waren. Bis zu diesem Zeitpunkt hat man im Keller gelebt. Geflüchtet wurde mit dem, was man am Körper trug sowie einem kleinen Rucksack mit Papieren (Teils in kyrillischer Schrift) und dem nötigsten Bedarf. Alles andere musste man, genau wie die Heimat, schmerzlich zurücklassen. Die Brücken im Ort waren zu diesem Zeitpunkt bereits alle zerstört, Innerhalb von nur sechs Stunden musste man die Stadt verlassen haben. Im Ort selber, so schildert Schewzowa, hatte sich inzwischen eine ukrainische Selbstverteidigung gebildet. Männer mit Kalaschnikows, Jagdgewehren und mit allem, was man zur Verteidigung gerade noch finden und gebrauchen konnte.

Erschreckend hat Natalija Schewzowa noch die Bilder vor Augen von den erschossenen Landsleuten in Autos, die rechts und links der Straße standen oder lagen. Der Stadtpark sei inzwischen ein Friedhof. Den Versuch, das aufwühlende Gespräch hier zu unterbrechen, beendete sie mit dem Satz: „Nein, nein, ich will, das hier die Menschen die Wahrheit wissen“.

Also schilderte sie ihre Flucht weiter. Am Stadtrand hatten sich ebenfalls Russen und Weißrussen positioniert, die jeden auf Waffen durchsuchten. Ein Laptop im Rucksack wurde Natalija weggenommen. Es war ein Arbeitsgerät in ihrem Beruf als Regisseurin in einem Filmstudio. Sie sieht es heute als Bezahlung für ihr Leben. Die Flucht führte sie weiter in Richtung Lemberg und polnische Grenze. Ab der Grenze ging es weiter mit Linienbus und Bahn über Frankfurt/Oder nach Berlin, von dort über Köln nach Schönenberg.

Es war Natalija auch sehr wichtig anzumerken, das sie und ihre Landsleute die große Hilfe hier in Ruppichteroth sehr beeindruckt hat. Ebenfalls die kostenfreie Nutzung von Internet- und Telefonverbindungen. Dieser Dank geht ebenfalls an die Flüchtlingshilfe Ruppichteroth, die das hohe Formular- und Papieraufkommen der Behörden (Gemeinde, Kreis, Jobcenter, etc.) regelt - allen voran der ehrenamtliche Koordinator Klaus Schramm. Er ist auch zuständig für die Sprachkurse in der Gemeinde, die im Gemeindehaus „Die Arche“ angeboten und sehr intensiv angenommen werden. Das Gemeindehaus stellt die evangelische Kirche kostenfrei zur Verfügung.

Derzeit laufen alleine vier Kurse nur für ukrainische Flüchtlinge. Finanziert werden diese Schulungen vom katholischen Bildungswerk. Dienstags und freitags sind alle ukrainischen Kinder von 9 bis 12 Uhr zum Besuch der ebenfalls kostenfreien Kinderspielgruppe in der „Arche“ eingeladen. Es ist abschließend schön, anzumerken, dass in der Not alle zusammenstehen, egal welche Religion, welche Herkunft und welches Geschlecht.

Möge die Einladung durch Weihbischof Radoslaw Zmitrowicz aus dem Bistum Kamjanez-Podilskyi (Südwestliche Ukraine) beim Gottesdienst in Broeleck Wahrheit werden: „Kommet uns alle in der Ukraine besuchen, ich lade herzlich ein aber erst nach dem Krieg“.

Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:

Wolfgang Steimel aus Ruppichteroth

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