E-Autos im Langstreckentest
Mit Polestar zum Nordkapp
Als wir in Oslo von der Fähre fuhren, sind wir mitten im Schneesturm. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns die nächsten zwei Wochen erwarten würde – und genau, was wir gesucht haben. Denn wir wollen unter Extrembedingungen erfahren, wie fortgeschritten die E-Mobilität ist. Mit 18 Teams fuhren die Siegburger Thomas und Tobias Schmitz im tiefsten Winter mit einem Elektroauto ans Nordkapp.
Die eNordkapp-Challenge 2021 war eine Challenge für elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Sie fand vom 27.12.21 bis 09.01.22 statt. Die Teilnehmer kamen aus der Schweiz, Luxemburg und Deutschland. Die 18 Teams fuhren über Dänemark und Norwegen zum Nordkapp. Die Rückreise führte über Finnland, Schweden und Dänemark nach Deutschland.
Die Siegburger haben an diesem Event teilgenommen und wollten mit dazu beigetragen, die ewige Mär von der geringen Reichweite elektrisch betriebener und nicht alltagstauglicher Elektro-Fahrzeuge zu beenden. Weitere Informationen finden sich im Reisetagebuch Polarsteps (Link) oder auf Instagram (polestar.goes.nordkap).
Ziel der Challenge war es öffentlich zu beweisen, dass die heutigen Elektrofahrzeuge auch unter extremen Bedingungen bestehen können: Kurze Tage, Nachtfahrten, Schneeverwehungen, Schnee- und Eisglätte sowie Stürme auf der Strecke bei Temperaturen von bis zu -20° Celsius und dies mit den unterschiedlichsten Elektrofahrzeugen.
Mich persönlich reizten dabei nicht nur das Abenteuer oder die Aussicht auf Nordlichter und wildlebende Elche. Norwegen gilt bei der Entwicklung der E- Mobilität als Musterland. Über zwei Drittel der neu zugelassenen Fahrzeuge sind rein elektrisch, die bei uns noch raren öffentliche Ladepunkte stehen quasi überall zur Verfügung. Als langjähriger E-Autofahrer und als Vorstand der regionalen Energiegenossenschaft bin ich überzeugt, dass gerade dieser letzte Punkt zum Nadelöhr der Verkehrswende wird. Können wir von Norwegen lernen?
Jedes Team fährt ein anderes Automodell, ideale Bedingungen für einen praxisnahen Marktüberblick. Bei jeder Gelegenheit wird sich ausführlich über Ladekurven, Handling und Batterietemperaturen ausgetauscht. Schnell wird klar: E-Autos sind inzwischen auch unter widrigen Bedingungen praxistauglich. Immerhin haben wir auf unserer Tour vom Schneesturm und Schneeverwehungen bis zum Eisregen alles erleben können. Die Straßen sind quasi durchgängig vereist und zugeschneit, die tiefste gemessene Temperatur lag bei - 19 Grad.
Die Teams erlebten die Begeisterung der Elektromobilität und haben bewiesen, dass die Autos schon heute für Fernreisen und unter extremen Bedingungen funktionieren. Sie haben ihre Erfahrung als Online-Event mit Tausenden von Followern auf der ganzen Welt geteilt. 11.000 Menschen haben dieses Event über 14 Tage live verfolgt, 2,5 Millionen mal wurden die GPS-Positionen im Livetracking angeklickt.
Mit dem Polestar 2, der erst seit August 2020 angebotenen wird und den mein Mitfahrer Tobias und ich fuhren, fühlen wir uns jederzeit sicher. Auch auf eisglatten, verschneiten Fahrbahnen in Norwegen ist sicheres Reisen möglich. Selbst Kleinwagen wie die Renault Zoe konnten problemlos mithalten. Die Vielfalt der Fahrzeuge umfasste auch familientaugliche 9-Sitzer wie der Mercedes EQV oder den Citröen e-Space Tourer. Wer sich heute ein Elektroauto kauft, kann sicher sein, damit auch entlegene Orte zu erreichen.
Wie auch bei Verbrennern steigt der Verbrauch bei tiefen Außentemperaturen an. Sechs Stunden Wartezeit an einer wegen widrigsten Witterungsverhältnissen gesperrten Straße verbraucht zwar Energie aus dem Akku, aber dafür ist es im Elektroauto bei 21 °C behaglich warm und es muss kein Motor unnütz laufen. Über 40° Temperaturdifferenz zwischen der Außentemperatur von –19 °C und der Innentemperatur hat die Klimaanlage ausgeglichen. Zudem konnten wir während der Wartezeit Videos schauen, z.B. den Livestream eines Teamkollegen. Der Akkuverbrauch lag bei extrem geringen 3% pro Stunde. Der Gesamtverbrauch über die gesamte Strecke bei 27,5 kWh/100 km.
Die Überraschung der Reise war die Erfahrung, dass auch in den skandinavischen Ländern die Versorgung mit Schnellladern teilweise immer noch nicht so entwickelt ist, wie wir es erwarten würden. Schnelladen ist wichtig für lange Destinationen, aber der Schwerpunkt der Verkehrswende liegt im Ausbau der günstigen, netzdienlichen Normalladern, die überall dort stehen sollten, wo Autos abgestellt werden: bei Arbeitgebern, auf Parkplätzen, am Hotel und vor der Haustür.
Höhepunkte der Reise waren neben dem Erreichen des Nordkapps die persönlichen Erlebnisse, der Teamgeist, die Hilfsbereitschaft der Fahrerinnen und Fahrer sowie die große mediale Reichweite.
Das persönliche Treffen mit dem Geschäftsführer (CEO) von Polestar, Herrn Thomas Ingenlath, der den Vorstand Thomas Schmitz persönlich eingeladen hatte, zählte ebenso dazu. Polestar ist der erste Autohersteller, der sich zum Ziel gesetzt hat, 2030 ein Fahrzeug ohne CO2-Emissionen zu produzieren (Projekt Zero). Ein starkes Ziel:
„Jede Reise – so lang sie auch sein mag – beginnt mit dem ersten Schritt. Wir haben bereits mit den Konventionen der Automobilindustrie gebrochen und sind fest entschlossen, den Wandel zu einer nachhaltigeren Zukunft zu beschleunigen. Jetzt brechen wir zu unserer bislang wichtigsten Reise auf: Wir fordern uns selbst heraus und wollen bis zum Jahr 2030 ein klimaneutrales Auto bauen. Dafür reduzieren wir konsequent alle Emissionen, die in der gesamten Lieferkette und bei seiner Herstellung anfallen.“
Im sehr persönlichen Gespräch interessierte sich Thomas Ingenlath auch für die Energieprojekte der BürgerEnergie Rhein-Sieg eG, das Carsharing in Bürgerhand und den komplexen Stromhandel der Bürgerwerke eG. Auch seine persönliche CO2-Bilanz optimiert er durch eine neue Solaranlage, obwohl diese in den nordischen Ländern weniger Energie gewinnen kann als bei uns.
Über den Autor:
Thomas Schmitz ist Vorstand der regionalen BürgerEnergie Rhein-Sieg eG. Die Genossenschaft realisiert Projekte für die Energiewende und setzt für Carsharingprojekte in Wohnvierteln, Wohnprojekten und Kommunen ausschließlich mit Elektroautos ein. Damit kann die Verkehrswende von unten gelingen.
Als Aufsichtsratsvorsitzender der Vianova eG hilft er bei der bundesweiten Umsetzung des „eCarsharings in Bürgerhand (eCB)“. Europaweit sind schon viele Genossenschaften in der „The Mobility Factory (TMF)“ vernetzt und nutzen die mehrsprachige Buchungs-App (Android, iOS), damit Carsharingautos mit modernen Smartphones gebucht, geöffnet und verschlossen werden können.
LeserReporter/in:Thomas Schmitz aus Siegburg |
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