Stolpersteine wurden verlegt
„Das größte dezentrale Mahnmal der Welt“

Die Stolpersteine vor der Hausnummer 21 in der Holzgasse sollen an das Schicksal der Familie Linz erinnern.  | Foto: Woiciech
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  • Die Stolpersteine vor der Hausnummer 21 in der Holzgasse sollen an das Schicksal der Familie Linz erinnern.
  • Foto: Woiciech

Siegburg. „Wir gehen mit großen Schritten auf die Zahl 100 zu“, bemerkte die stellvertretende Bürgermeisterin Britta Pahlenberg bei der Verlegung von fünf neuen Stolpersteinen in Siegburg. 2003 setzte man die ersten Gedenksteine in das Pflaster der Kreisstadt. „Es war der positive Drang die Vergangenheit im Stadtbild sichtbar zu machen.“ Über 90 dieser schimmernden Tafeln fanden bereits ihren Platz in den Straßen, jeweils vor den letzten Wohnadressen der Menschen, die oft ein grausames Schicksal in der Deportation erlitten. Unter der Federführung des Fördervereins „Gedenkstätte Landjuden an der Sieg“ brachte das Straßenbauamt nun die Steine aus Beton und Messing in die Erde. „Der Künstler entschuldigt sich wegen sehr vieler Termine“, erläuterte die Vereinsgeschäftsführerin Dr. Claudia Arndt. Günter Demming hatte das Projekt 1992 ins Leben gerufen und inzwischen mehr als 100.000 Stolpersteine in 24 Ländern verlegt.

„Die Verschwörungstheorien in der Welt sind voller Antisemitismus“, so die Vereinsvorsitzende Elisabeth Winkelmeier-Becker. Sie stellte sofort klar, dass man sich mit der klaren Botschaft „Nie wieder“ an die Opfer der NS-Herrschaft erinnern sollte. „Dies ist das größte dezentrale Mahnmal der Welt.“ Zunächst erfolgte die Platzierung für Henriette „Jette“ Linz und ihre Kinder Bernhard und Anneliese vor der Holzgasse 21. Sie alle flohen in den 30er und 40er Jahren in die USA. Ihre Geschichte ruft uns die schonungslose Praxis der Nazis infolge der „Entjudung von Grundstücken“ ins Gedächtnis. Die Ortspolizeibehörde nahm damals angesichts der außerordentlich großen Wohnungsnot und aufgrund der Auswanderung der Familie eine Beschlagnahmung vor und gab sie anderweitig frei. Später zog man dann zur Hausnummer 39 weiter, wo ein Stolperstein an Ernst Baum erinnert, der 1938 ins KZ Dachau gelangte und schließlich nach einer Flucht nach Belgien 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Letzte Station war die Mühlenstraße 62, das damalige Wohnhaus der Anna „Anny“ Remmel. Die Großmutter der in Siegburg bekannten Buchhändler Andreas und Paul Remmel war die einzige Siegburgerin, die die Schrecken des Holocaust überlebte. 1944 wurde sie nach der Internierung im Lager Müngersdorf nach Theresienstadt deportiert, als ihre Befreiung glückte. Sie schlug sich per Anhalter nach Leipzig durch, fuhr von dort im Güterwaggon in Richtung Köln und schloss am Ende des Tages Sohn Paul erleichtert in die Arme. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1982 lebte Anna Remmel in der Mühlenstraße. „Dass nun vielleicht auch der Stein mit dem Namen unserer Großmutter den einen oder die andere über unser aller gemeinsame Geschichte nicht ins Stolpern, sondern ins Nachdenken kommen lässt und so aus der Erinnerung die Gegenwart zum Teil gedeutet und die Zukunft gestaltet werden kann, ist ein Gedanke, der mir gefällt“, fasste Paul Remmel anlässlich des Verlegungsaktes zusammen.

Die Stolpersteine vor der Hausnummer 21 in der Holzgasse sollen an das Schicksal der Familie Linz erinnern.  | Foto: Woiciech
Foto: Stadt Siegburg
Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:

Dirk Woiciech aus Siegburg

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