100 Jahre Wanderclub Merzenich
Gewandert wird nur selten
Zülpich-Merzenich - In Nachkriegszeiten bedarf es mitunter eines gewissen
Einfallsreichtums, um zu lieb gewonnene Gepflogenheiten und
Gewohnheiten zurückkehren oder diese neu einführen zu können -
insbesondere natürlich dann, wenn man auf der Verliererseite steht.
So war es auch im Jahr 1919, als fünf junge und lebensfrohe Männer
aus dem kleinen Zülpicher Ortsteil Merzenich den Entbehrungen des
Krieges ein Ende setzen wollten.
Erst wenige Wochen zuvor war der Erste Weltkrieg zuende gegangen und
nun wollten Fritz Breuer, Heinrich Dahmen, Karl Frings, Karl
Schiffmann und Wilhelm Gerikus das Kirchweihfest wieder aufleben
lassen. Zu diesem Zweck - so jedenfalls war der Plan - wollten sie
einen Junggesellenverein gründen, doch unter der französischen
Besatzung war die Gründung eines derartigen Vereins verboten.
Das schlitzohrige Quintett aus Merzenich ließ sich davon jedoch
keineswegs entmutigen. Stattdessen hoben sie den „Wanderclub
Heiterkeit“ aus der Taufe. Gewandert wird beim WCH - damals wie
heute - zwar nur selten, aber immerhin gibt es einmal im Jahr einen
größeren Ausflug - mit der Bahn oder dem Auto.
Die Gründungsväter Breuer, Dahmen, Frings, Schiffmann und Gerikus
machten es sich zur Aufgabe, bei der Kirmes für Musik und Tanz zu
sorgen - anfangs im kleinen Saal des örtlichen Wirtshauses, später,
als der Saal wegen der seinerzeit herrschenden Wohnungsnot geschlossen
werden musste, in einem Festzelt.
Daran hat sich bis heute im Grunde nichts geändert. Mit Ausnahme des
Jahres 1946. Denn bei der ersten Nachkriegskirmes gab es zwar einen
Holztanzboden, aber kein Zelt. Also wurde das Tanzbein unter freiem
Himmel geschwungen, und dem Vernehmen nach soll es einer der
gemütlichsten Kirmesbälle gewesen sein, die Merzenich je erlebt hat.
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In Ermangelung von Junggesellen öffnete sich der WCH ab 1948 auch
für verheiratete Männer und mit Franz Becker, dem Merzenicher
Dorfschmied, wurde 1952 erstmals auch ein Präsident gewählt. Bis
dato hatte es keine einheitliche Vereinsführung gegeben. Außerdem
wurden in jenem Jahr die ersten Vereinsstatuten erstellt.
Mit den Jahren nahmen die Aktivitäten des Vereins immer weiter zu.
1960 etwa gestalteten die WCHler erstmals den Karnevalsumzug im
benachbarten Sinzenich mit. „Wenn der böse Weingeist den Papa in
das Bein beißt, lautete das Motto des Festwagens. Im Gegenzug
marschierte der Sinzenicher Zoch erstmals auch durch Merzenich.
Überhaupt verschrieb sich der Wanderclub mehr und mehr dem Karneval.
1961 feiert der bunte Karnevalsabend seine Premiere. Bis heute findet
die kleine, feine und weit über die Grenzen des Ortes bekannte
Karnevalssitzung alljährlich statt. Bei derart viel Jeckheit war es
wohl nur eine Frage der Zeit, bis der WCH sich am Zülpicher
Rosenmontagszug beteiligte. 1963 war es soweit; die Merzenicher
Junggesellen waren als Kosaken verkleidet in Zöllech dabei und wurden
sogar als beste Gruppe ausgezeichnet.
Heutzutage organisiert der WCH alljährlich am Rosenmontag einen
eigenen kleinen Umzug. Dieser zieht vormittags durch den Ort und
anschließend weiter nach Zülpich, um dann dort auch noch am großen
Rosenmontagszug teilzunehmen.
Die Aktivitäten des Wanderclubs „Heiterkeit“ erstrecken sich aber
nicht nur auf die Durchführung von Kirmes und Karneval, auch der
Seniorennachmittag zur Vorweihnachtszeit, das Sommerfest und die
Wanderung am Vatertag finden unter der Federführung des Vereins
statt, der im Übrigen erst 1974 als solcher im Vereinsregister
eingetragen wurde. Außerdem unterhält der WCH gemeinsam mit der
Freiwilligen Feuerwehr das Dorfgemeinschaftshaus.
Seit 2008 ist der WCH auch kein reiner Männerverein mehr. Nach einer
durchaus kontroversen Diskussion wurde die Satzung entsprechend
geändert, und seither sind weibliche Mitglieder im Verein zugelassen.
Ingrid Schäfer war seinerzeit die erste Frau, die dem Wanderclub
beitrat.
Im Jahr des hundertjährigen Bestehens zählt der WCH 56 Mitglieder -
38 aktive und 18 inaktive. Eine durchaus beachtliche Zahl, wenn man
bedenkt, dass Merzenich gerade mal knapp 170 Einwohner hat!
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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