Godesberger Gespräche
Von Heimat und Flucht

Dr. Ebba Hagenberg-Miliu (auf dem Podium links) moderierte die interessante Veranstaltung zum Thema Heimat und Aufbruch im Schauspielhaus, hatte mit Pater Dr. Carlin und Schauspieldirektor Jens Groß sowie Menschen, die aus ihrer jeweiligen Heimat flüchteten, vielfältige Gäste.  | Foto: AS
  • Dr. Ebba Hagenberg-Miliu (auf dem Podium links) moderierte die interessante Veranstaltung zum Thema Heimat und Aufbruch im Schauspielhaus, hatte mit Pater Dr. Carlin und Schauspieldirektor Jens Groß sowie Menschen, die aus ihrer jeweiligen Heimat flüchteten, vielfältige Gäste.
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Bad Godesberg (as). Der Kirchengemeindeverband Bad Godesberg der katholischen Kirche und das Theater der Stadt Bonn boten beim inzwischen 3. Termin der Gesprächsreihe „Heimat und Aufbruch“ im Foyer des Schauspielhauses am Theaterplatz eine interessante Diskussion zum Thema „Heimat und Flucht“. Schauspieldirektor Jens Groß und der leitende katholische Pfarrer von Bad Godesberg, Pater Dr. Gianluca Carlin, freuten sich gemeinsam mit Moderatorin Dr. Ebba Hagenberg-Miliu über einen regen Austausch von Geschichten der Gäste und mit dem Publikum.

Dr. Ebba Hagenberg-Miliu sagte: „Aus den vorangegangenen Gesprächen hatten wir definiert: „Heimat heißt Verbundenheit mit einem Ort, aber man sollte ihn auch erneuern können und wollen, Heimat und Aufbruch ergänzen sich.“ Sechs Bonner beziehungsweise Bad Godesberger Bürgerinnen und Bürger saßen auf dem Podium und nahmen Stellung zum Thema. Vier Flüchtlinge (Vertriebene) und Flüchtlingshelfer aus verschiedenen Zeiten und Generationen kamen zu Wort. „Und alle haben die Gewalt des Krieges und der Flucht kennengelernt“ sagte die Moderatorin und verwies darauf: „Sie alle wissen, was es heißt, die Heimat verloren zu haben. Sie wissen aber auch, in Bonn und Bad Godesberg nicht bei jedermann willkommen zu sein. Sie alle wissen, was es heißt, Hilfe zu benötigen und anzunehmen. Sie alle wissen, wie schwer es ist, neu anzufangen.“ Dann erzählten die Gäste der Veranstaltung von ihren Fluchten aus verschiedenen Zeiten und Kulturen.

Aus Pommern flüchtete mit 16 Jahren Elisabeth Plenz mit Pferd und Wagen, zu Fuß und mit dem Zug 1945 zunächst nach Schleswig-Holstein und dann nach Bad Godesberg. Sie fand ihr Schicksal von vor fast 70 Jahren in den von den anderen erzählten Flüchtingsberichten von heute in vielem wieder und sagte, dass sie bis heute kaum Bilder und Filme über Krieg und Flucht sehen könne. Die heute 93-jährige rüstige Ruheständlerin gehörte hier zu ersten Siedlern im Bereich Marienforst, die die Lohrbergstraße selbst aushoben und ihr Haus selbst bauten.

Der zweite Diskussionsteilnehmer war der Arzt Dr. Yahya Wardak, der anfangs kein politisches Asyl in Deutschland erhielt, aber er bekam Asyl von den Menschen hier vor Ort. Dr. Wardak wurde vor 55 Jahren in Afghanistan geboren, arbeitete schon 2000 bis 2009 in Hamburg in der Tropenmedizin und wechselte 2010 als Ministeriumsberater nach Kabul, veröffentlichte Lehrbücher und gründete eine medizinische Hilfsorganisation. Heute arbeitet er von Bonn aus in gemeinnützigen Initiativen und ist Vorsitzender des Vereins Afghanic in Deutschland.  

2013 kam die junge Studentin Slafa Sheikho aus Syrien nach Deutschland. Sie schaffte es im Jahr 2015 ihre Eltern aus dem Krieg in Syrien legal und ohne Lebensgefahr nach Bad Godesberg zu holen. Unterstützt wurde sie von einer Godesberger Flüchtlingshilfe-Gruppe. Im Februar 2022 machte sie sich mit einer Geschäftsgründung selbständig und eröffnete „Jannys Eis“ an der Koblenzer Straße in Bad Godesberg.

Stefan Mironjuk (48) kam in den 1980er Jahren mit Familie aus der Ukraine nach Süddeutschland und ist heute Jurist bei Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Bonn. In diesem Jahr fuhr er acht Mal Hilfsgüter in Kooperation mit der Katholischen Kirche in die Ukraine und holte Flüchtlinge in Sicherheit. Jetzt ist er „Schaltstelle“ für Beratung, Hilfe für ukrainische Flüchtlinge und Helfer. Pfarrer Carlin berichtete als Vorsitzender des Runden Tisch Flüchtlingshilfe Bad Godesberg über die Aktivitäten der ihm angeschlossenen 50 Partner.

Jens Groß würdigte die Erzählungen von Flucht und Neu-Ankommen der vier Podiumsgäste als wichtig für die Geschichte Bad Godesbergs und freute sich über ein zahlreiches interessiertes Publikum. Er betonte die Rolle des Theaters als Ort der Zusammenkunft. Ebba Hagenberg-Miliu betonte, dass es bis 1953 allein die Stadt Bad Godesberg schaffte, gut 8.900 Vertriebene und Flüchtlinge aus dem Osten beziehungsweise der späteren DDR aufzunehmen. Von 2015 bis heute kamen in die gesamte Stadt Bonn 8.500 bis 9.000 Flüchtlinge, hauptsächlich aus Syrien. 

Die Gesprächsreihe geht nach den Sommerferien mit drei weiteren Terminen weiter.

Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:

Alfred Schmelzeisen aus Bad Godesberg

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