Kunsthof Greven
Erinnerungen an die eigene Flucht

Gut 20 Meter langen ist das Kunstwerk „Der Flüchtlingstreck“, das zurzeit auf dem Kunsthof Greven in Honerath entsteht. | Foto: Rita Greven
  • Gut 20 Meter langen ist das Kunstwerk „Der Flüchtlingstreck“, das zurzeit auf dem Kunsthof Greven in Honerath entsteht.
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Bad Münstereifel-Honerath - (bp). 68,5 Millionen Menschen sind momentan auf der Flucht. Alle
zwei Sekunden wird ein Mensch zur Flucht gezwungen. Jeder 110. Mensch
auf der Welt ist asylsuchend, im eigenen Land vertrieben oder
Flüchtling. Warum ist das so? Verlassen die Menschen ihre Heimat,
weil dort Frieden herrscht oder weil sie dort frei ihre Meinung
äußern können? Verlassen sie ihre Heimat, weil dort Bildungs- und
Arbeitsbedingungen gut sind? Für all diese Menschen ist Flucht der
letzte Ausweg. Sie fliehen vor Bomben, Folter, Terror und Armut.

Der im kleinen Bad Münstereifeler Ortsteil Honerath lebende und
arbeitende, kritische Künstler Paul Greven greift das Thema erneut
auf. Im vorigen Jahr hat er mit einem großen Wandrelief auf die
furchtbaren Katastrophen, die sich im Mittelmeer abspielten und leider
noch immer abspielen, aufmerksam gemacht. Es war und ist Grevens
Anliegen, das Bewusstsein in der Flüchtlingsfrage weiter wach zu
halten und Toleranz zu schärfen.

Greven selbst und auch seine Frau Rita erinnern sich noch an die
eigene Flucht. Im Herbst 1944, der Künstler war damals zehn Jahre
alt, wurde er mit seiner Familie ins Bergische Land evakuiert. In der
Nähe von Siegburg wurde der Zug von englischen Jagdfliegern
beschossen, und es gab viele Tote und Verletzte. Bei der Rückkehr
etwa neun Monate später fuhr die Familie durch die zerstörten
Städte Köln und Düren.

Rita Greven, die im damaligen Polen evakuiert war, erlebte die Flucht
im Winter 1945 zu Fuß im langen Treck über das zugefrorene Stettiner
Haff unter ständigen feindlichen Angriffen aus der Luft.

Für Paul Greven und seine Frau war es dann auch 2015, als die ersten
Flüchtlinge ins Höhengebiet von Bad Münstereifel kamen,
selbstverständlich, diesen Menschen zu helfen. Schnell reifte in Paul
Greven der Plan, die Flüchtlingsproblematik künstlerisch umzusetzen.
Er versteht seine Arbeiten als Aufforderung an den Betrachter:
„Kunst“, so Greven, „schafft die Fähigkeit, sich in andere
Menschen hinein zu versetzen, Denkprozesse anzustoßen und
entsprechend zu handeln.“

Greven präsentiert seine Kunstwerke vor einem außergewöhnlichen
Hintergrund. Mitten durch die idyllische, friedliche Eifellandschaft
zieht ein Treck mit Menschen auf der Flucht. Diese Polarisierung ist
von Greven bewusst in Szene gesetzt, „denn“, so sagt er, „je
eindringlicher Kunst präsentiert wird, desto mehr setzt sich der
Betrachter mit der Thematik auseinander.“

Vierzehn lebensgroße Figuren - zu Fuß, mit Wagen, Karren und Tragen,
mit Gepäck und Tieren - ziehen am Betrachter in einem 20 Meter langen
Treck vorbei. Halbwüchsige Kinder ziehen einen kleinen Handwagen, der
mit Gepäck vollgestellt ist. Eine Frau hilft einer anderen Person,
eine Karre zu schieben. Ein anderes Paar - her hat Greven sich selbst
und seine Frau dargestellt - müht sich mit einer Trage voller Gepäck
ab. Ein alter Mann trottet gebeugt über seinem Gehstock neben dem
Treck her. Eine alte Frau, die ein winziges Baby im Arm hält, wird
auf einer zweirädrigen Karre befördert. Ein Kind sitzt fast verdeckt
von Gepäckstücken in einem Wagen. Eine Ziege ist mit auf die Flucht
genommen worden. Auch ein Hund, ja sogar ein Huhn werden im Treck
sichtbar.

Die gelungene figürliche Gesamtkomposition strahlt einerseits
Bewegung, Konzentration und Anspannung, aber auch Ruhe aus.
Andererseits aber ist dieses Ensemble von einer hohen
expressionistischen Ausdruckskraft. Grevens Werk erzählt Geschichten
und spricht den Betrachter an.

Alle Figuren und Gegenstände sind wieder aus einem
Zellulose-Leim-Tiefgrund-Farbgemisch auf einem Drahtgestell mit
Sechseckgeflecht hergestellt. Proportionen und Haltung der Figuren
sprechen Grevens Handschrift: Sie sind gut beobachtet und exakt
umgesetzt.

Noch ist der lange Treck nicht fertig gestellt, noch fehlt die
Farbgebung. Doch schon jetzt kann der politische Auftrag und dessen
künstlerische Umsetzung als sehr gelungen betrachtet werden.

Erstmals öffentlich vorgestellt wird Paul Grevens neues Projekt
„Der Flüchtlingstreck“ am Samstag, 8. September. Dann gibt es auf
dem Kunsthof Greven von 11 Uhr bis 19 Uhr Führungen, Kaffee und
Kuchen und Musik.

Am Sonntag, 9. September, ist das Krimifestival
„Nordeifel-Mordeifel“ in Grevens Atelier zu Gast. Martina Kempff
wird dann aus ihrem Buch „Die Kunst des Tötens“ lesen. Beginn ist
um 14.30 Uhr, um 12.30 Uhr und um 16 Uhr werden an diesem auch
Führungen über den Kunsthof angeboten. Der Eintritt kostet sieben
Euro und beinhaltet auch Kaffee, Softgetränk und Kuchen.

www.kunsthofgreven.de

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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