Ältestes Fachwerkhaus im Kreis
Erbaut, als das Mittelalter gerade zu Ende war

Das Alter von fast 500 Jahren ist dem Fachwerkhaus in Kirchherten nicht anzusehen. Geschichtsforscher Dolfen spricht vom ältesten bewohnten Fachwerkhaus im Kreis. | Foto: Heinz-Toni Dolfen
  • Das Alter von fast 500 Jahren ist dem Fachwerkhaus in Kirchherten nicht anzusehen. Geschichtsforscher Dolfen spricht vom ältesten bewohnten Fachwerkhaus im Kreis.
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In Kirchherten steht das vermutlich älteste bewohnte Fachwerkhaus im Rhein-Erft-Kreis. Eine Inschrift datiert auf das Jahr 1558, also kurz nach dem Ende des Mittelalters. Heinz-Toni Dolfen vom Verein für Geschichte und Heimatkunde Bedburg hat die Geschichte des Hauses recherchiert.

Bedburg-Kirchherten (red). Die wechselvolle Geschichte scheint dem Haus bis heute kaum etwas anhaben zu können. Als das Haus erbaut wurde, gehörte das Gebiet zum Heiligen Römischen Reich, das im selben Jahr, 1558, einen neuen Kaiser bekam: Ferdinand I. aus dem Geschlecht der Habsburger. Es war eine Zeit des Umbruchs, denn unter dem Druck der Stände verstärkten die Landesherren den Auf- und Ausbau ihrer Verwaltung mit einer ständigen Zentralverwaltung. Ziel war es, das Leben der Untertanen durch Landes- und Polizeiordnungen zu regeln und auch zu disziplinieren.

Solide Fachwerkbauweise ohne Baumeister

Mitten in dieser Zeit entschloss sich der unbekannte Erbauer, an der heutigen Stelle der Zaunstraße 99 ein Fachwerkhaus zu errichten. „Die Fachwerkbauweise ist eine uralte, seit Jahrtausenden bewährte Technik, die an die Bauleute nicht allzu hohe Anforderungen stellte, so dass sie auch im ländlichen Raum ohne Baumeister angewandt werden konnte“, schreibt Dolfen. Es gab zwar immer mehr Steinbauten, aber sie waren teuer, erforderten Fachleute und waren daher meist wohlhabenden Bauherren vorbehalten. Der Hausbesitzer war nicht arm, aber wohl auch nicht reich genug, um sich ein Steinhaus zu bauen, vielleicht gab es auch keinen Baumeister, so dass das Gebäude von den Bewohnern selbst errichtet wurde, mutmaßt Dolfen.

Der Bau eines Gebäudes im 16. Jahrhundert war in etwa so komplex wie heute. Zunächst musste man sich um den Erwerb eines Grundstücks bemühen, wenn man kein eigenes besaß. Im ländlichen Raum war für den Erwerb eines Grundstücks in der Regel die Zustimmung des örtlichen Grundherrn erforderlich, die - wie heute auch - notariell beurkundet werden musste. Auch der Bau eines Hauses bedurfte je nach örtlichem Brauch der Zustimmung des Grundherrn oder des lokalen Herrschers. Ein Baumeister war im Prinzip nicht nötig und die Statik des Hauses wurde nach Erfahrung und Gefühl gemacht. Waren diese Hürden genommen, konnte mit dem Bau begonnen werden.

Mehrgeschossig in Ständerbauweise

Das Fachwerkhaus in Kirchherten besteht aus einem zweigeschossigen Hauptgebäude, das später durch einen ebenfalls in Fachwerkbauweise errichteten Anbau erweitert wurde. Die tragende Grundkonstruktion bilden fünf giebelhohe Holzstützen aus Eiche, auch Ständer genannt. Diese Ständerbauweise hat den Vorteil einer besseren Lastabtragung und ermöglicht es einfacher mehrgeschossig zu bauen. Die ursprüngliche Konstruktion ist heute nicht mehr sichtbar sondern nur noch auf einer älteren Rekonstruktionszeichnung zu erkennen.

Die Eingangstür, die heute am zweiten Ständer rechts angeordnet ist, befand sich früher vermutlich auf der linken Seite. Dort ist noch der ursprüngliche Türbogen mit der Jahreszahl 1558 zu erkennen, der jedoch ansonsten auch im Zuge einer Erneuerung der Tür versetzt worden könnte.

Das Gebäude steht nun seit 466 Jahren, ist also solide gebaut und wurde von den Eigentümern immer gepflegt. Natürlich gab es viele Veränderungen am Gebäude, die den jeweiligen persönlichen Verhältnissen angepasst wurden, so dass das Ursprüngliche verloren ging. Es überstand auch zahlreiche Konflikte im Laufe der Zeit, wie den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), den Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697), den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714), die französische Besatzung ab 1794, den Ersten und Zweiten Weltkrieg. Alle Konflikte betrafen das Rheinland und hinterließen Spuren in unserer Region. Wie viele und welche Schäden das Gebäude in dieser Zeit erlitten hat, ist nicht bekannt. Es ist ein Glücksfall, dass die Holzbauten aus dieser Zeit, die auch leicht in Brand gerieten, heute noch zu sehen sind.

Möglicherweise wurde das Gebäude ursprünglich landwirtschaftlich genutzt, mit verschiedenen angebauten Stallungen, wie es Heinz-Gerd Schmitz in einem Artikel beschrieben hat. Das lässt sich nicht mehr nachweisen, wäre aber in einer ländlichen Gegend naheliegend. Er schreibt weiter, dass das Gebäude als Gasthaus, Metzgerei und Blumenladen genutzt wurde. Die Raumaufteilung nach einer Rekonstruktionszeichnung ist im Innern einfach, zur Straße hin zwei große Räume, zum Garten hin zwei schmale Kammern. In einem der größeren Räume befand sich eine Feuerstelle mit Kamin. Die Lage der Fenster ist wahrscheinlich mehrfach verändert worden und entspricht heute nicht mehr dem ursprünglichen Plan. Man kann sich gut vorstellen, dass sie anfangs nicht verglast, sondern mit Leinen, Fellen oder Holz verschlossen waren, da Glas sehr teuer war.

Seit 1992 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

Redakteur/in:

Georg Zingsheim aus Kerpen

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