Partnerschaft mit Pardes Hanna-Karkur
Historisches Treffen in Bedburg
Bedburg pflegt seit zwei Jahren eine Parnerschaft mit der Stadt Pardes Hanna-Karkur in Israel. Ein erstes Treffen in Bedburg war herzlich und teilweise auch ergreifend.
Bedburg (red). „Dieser Tag hat einen Platz in den Bedburger Geschichtsbüchern verdient“, sagte Bürgermeister Sascha Solbach auf dem jüdischen Friedhof in Bedburg. Dieser Satz trifft im Falle des ersten persönlichen Treffens mit Vertreterinnen und Vertretern der israelischen Partnerstadt Pardes Hanna-Karkur zu. Direkte Nachfahren der Familie Franken waren zu Gast in Bedburg. Dies sind Nachfahren jener Familie, der bis kurz nach der Reichspogromnacht 1938 das Gebäude auf der Friedrich-Wilhelm-Straße 43 gehörte, das bis ins Jahr 2020 als Rathaus der Stadt Bedburg diente.Besonders bemerkenswert war der Besuch der mittlerweile 95-Jährigen Hannah Monin, die 1927 als Hilde Edith Franken in Düsseldorf zur Welt kam und nun in Tel Aviv lebt. Als Kind besuchte sie ihre Großmutter Frieda Franken im jetzt ehemaligen Rathaus am Bedburger Marktplatz regelmäßig. Ihren Großvater Hermann Franken lernte sie nie kennen, er starb bereits 1916 in Bedburg. Begleitet wurde sie von ihrer Tochter Daphna Arditi und ihrem Großneffen Yossi Meiri, der selbst in Pardes Hanna-Karkur lebt und an der Gründung der Städtepartnerschaft mit der Stadt Bedburg im Dezember 2020 maßgeblich beteiligt war. Mit auf die Reise kamen auch 25 Jugendliche der Tanzgruppe Hora Aviv Pardes Hanna-Karkur sowie Vertreter der Stadt Halver, die mit der Tanzgruppe seit 32 Jahren eine enge Freundschaft pflegen. Gemeinsam erhielten sie vom Vorsitzenden des Geschichtsvereins Bedburg, Heinz Obergünner, eine Stadtführung in Alt-Kaster.
Verschollene Grabplatte wieder an ihrem Platz
Bei der folgenden Zeremonie am jüdischen Friedhof in Bedburg wurde es das erste Mal emotional. Denn am Grab von Hermann Franken fehlte über Jahrzehnte eine Bronzetafel im Kronstein. Durch Zufall hatte Stadtarchivar Bastian Möller das Epitaph beim Umzug des Archivs in den neuen Anbau des Kasterer Rathauses gefunden. Mit Hilfe von Heinz Obergünner konnte die Platte dem Grabstein zugeordnet und auch die hebräische Aufschrift der Tafel übersetzt werden: „Auf deine Hilfe hoffe ich, Ewiger“.
Das bereits als verschollen geglaubte Fundstück konnte zur Freude seiner Nachfahren wieder am Grab von Hermann Franken angebracht und somit das erste Puzzleteil zusammengefügt werden. „Wir haben uns zwar nie kennengelernt und trotzdem spüre ich eine Verbindung zwischen uns. Ich bin dankbar, dass ich jetzt an deinem Grab stehen darf und bin froh, dass es wieder komplett ist“, sagte Yossi Meiri, den Bürgermeister Sascha Solbach wiederum als „Brückenbauer“ der Städtepartnerschaft bezeichnete.
Seine Tante Hannah Monin erklärte den Jugendlichen derweil eindrucksvoll, welche Bedeutung ihr Besuch in Bedburg vor allem in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus hat: „Hitler hat versucht uns zu vernichten und hat es nicht geschafft. Wir haben vor Hitler gelebt und leben jetzt immer noch. Und weil er jetzt nicht mehr da ist, ist es umso wichtiger, dass wir zeigen, wir sind da. Auch für die Juden, die die NS-Zeit damals leider nicht überlebt haben.“ Die Jugendlichen, die den Worten der 95-Jährigen aufmerksam lauschten, rundeten die sehr emotionale Zeremonie mit einer bewegenden Mischung aus Gesang und Tanz ab.
Gemeinsam Brücken bauen
Am Abend bekräftigten Sascha Solbach, sein Halveraner Amtskollege Michael Brosch, Andreas Becker aus dem Landesbüro Israel der Staatskanzlei NRW und Yoni Hakimi, Mitglied des lokalen Stadtrats in Pardes Hanna-Karkur, beim Festakt im Schloss die Wichtigkeit der Städtepartnerschaft und kündigten an, dass diese zu einem Dreiecksbündnis erweitert werden soll.
Familie Gummersbach überreicht Franken-Gebetsteppich
Im Gespräch mit Anna Noddeland, verantwortlich für die Städtepartnerschaft auf Bedburger Seite, teilte Hannah Monin die Erinnerungen an ihre Kindheit mit den 200 anwesenden Gästen. „Meine Freundinnen wollten plötzlich nichts mehr mit mir zu tun haben. Die Eltern hatten vermutlich Angst davor, wenn rausgekommen wäre, dass ihre Kinder Kontakt zu Juden hatten. Doch als Kind habe ich das nicht verstanden“, sagte die nun 95-Jährige, die bis zu ihrem elften Lebensjahr in Deutschland lebte. „Wir waren doch alle normale Menschen.“
Gemeinsam mit ihrer Schwester floh sie im Januar 1939 über die Niederlande nach Israel. Ihre Großmutter Frieda, ihr Onkel Albert und ihr Vater Josef wurden im Anschluss an die Reichspogromnacht ins Konzentrationslager Dachau verschleppt und später freigelassen. Das Wohnhaus am Bedburger Marktplatz, heute bekannt als historisches Rathaus, musste die Familie unter politischem Druck verkaufen.
Die Flucht der Familie mitbekommen hat damals die Familie Gummersbach, die seit 1909 ein Geschäft in der Bedburger Innenstadt führt. „Eines Abends im Jahr 1938 klingelte es an der Tür“, erzählte Frank Gummersbach, der die Drogerie heute gemeinsam mit seinem Vater Dieter führt. „Die Familie Franken musste fliehen und gab ihren Gebetsteppich bei meinen Urgroßeltern ab. Ob zur Verwahrung oder als Andenken, das wissen wir leider nicht“, fuhr er fort.
Der Teppich wurde dann von Urgroßvater Robert Gummersbach aufbewahrt, was nicht ganz ungefährlich war. „Eigentlich durften Juden nicht mehr bedient werden. Doch meinen Urgroßvater hat das Verkaufsverbot nicht wirklich interessiert“, erklärte Frank Gummersbach, der sich anschließend an die Nachfahren der Familie Franken wandte und auch die anwesenden Gäste zu Tränen rührte. „Alle haben gewusst, was mit den Juden passiert. Doch niemand hat etwas dagegen unternommen, alle haben geschwiegen. Ich entschuldige mich heute für das Schweigen und hoffe, dass so etwas in Zukunft nie mehr passiert.“
Anschließend gab die Familie Gummersbach den Gebetsteppich, den sie über 80 Jahre verwahrte, an die sichtlich bewegten Nachfahren der Familie Franken zurück. „Wir alle sollten immer den Menschen helfen, die vernichtet werden sollen, ohne dass sie jemandem etwas getan haben“, sagte eine zuvor sprachlos wirkende Hannah Monin.
Zum Abschluss des Abends präsentierten die Jugendlichen aus Israel, die als eine der besten Tanzgruppen des Landes gelten, eine vielfältige Performance mit Tänzen aus unterschiedlichsten Kulturen. Mit spanischen, jemenitischen und indischen Tänzen beeindruckten sie das Publikum. Als krönenden Abschluss animierten sie das Publikum zum Mitmachen und tanzten gemeinsam mit ihnen im Rittersaal des Schlosses.
Rückkehr ins alte Rathaus
Am darauffolgenden Tag besuchte Hannah Monin gemeinsam mit ihrer Tochter Daphna und ihrem Großneffen Yossi das ehemalige Wohnhaus ihrer Vorfahren gegenüber vom Bedburger Marktplatz. „Die Treppe ist noch dieselbe und im Garten habe ich immer mit meiner Schwester gespielt. Sonst hat sich aber vieles verändert“, sagte Hannah Monin, die zum Ende ihres Besuchs noch eine wichtige Botschaft für alle nachfolgenden Generationen hatte. „Wichtig ist, nicht zu vergessen. Denn Leute aufzuhetzen ist einfach, das merkt man auch heute noch. Doch wenn man gemeinsam Brücken baut und diese Partnerschaft auch im jugendlichen Alter pflegt, können für die Zukunft daraus Freundschaften entstehen.“
Redakteur/in:Georg Zingsheim aus Kerpen |
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