Sommerinterview mit Sascha Solbach
Was Bedburg bewegt

Der Bedburger Bürgermeister war zu Gast bei der Werbepost-Redaktion. | Foto: Georg Zingsheim
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Bedburg - Im Sommerinterview stellte sich der Bedburger Bürgermeister Sascha
Solbach den Fragen von Werbepost-Redakteurin Martina Thiele-Effertz.
Der Rathaus-Umbau in Kaster steht bevor. Die ersten Angebote im
Bieterverfahren zur Entwicklung der Bedburger Mitte sind da. Was sagt
der Bürgermeister zur nach wie vor für die Anwohner
unzufriedenstellenden Verkehrssituation auf der Kolpingstraße in
Blerichen?

Wie hat Bedburg die Protestaktionen des Klimacamps
überstanden?

In Bedburg ist es weitgehend ruhig geblieben. Noch bevor klar war,
dass wir ein Camp in Bedburg haben werden, haben wir in der Verwaltung
im Vorfeld einen Einsatzplan erstellt, falls rund um die Thematik
Klimacamp von unserer Seite Unterstützung benötigt würde. Als wir
dann sehr kurzfristig, sprich einen Tag vorher, vom
Polizeipräsidenten um Hilfe gebeten wurden, war das organisatorisch
kein Problem. Wir waren insgesamt sehr beeindruckt von der
professionellen und besonnenen Arbeit der Einsatzkräfte des
zuständigen Polizeipräsidiums Aachen, in Zusammenarbeit mit unseren
Kolleginnen und Kollegen von Ordnungsamt und Feuerwehr.

Ziehen Sie doch bitte eine Bilanz des Wochenendes.

Es gab einige Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen durch die
Aktivisten und durch den Polizeieinsatz. Das ist ärgerlich für die
Landwirte, wird aber bereits jeweils durch die Verursacher geregelt.
Rath war mit mehr Polizisten als Einwohnern an dem Wochenende sicher
der best-bewachte Ort im Land, im Ernst, wir haben weder in Bedburg
noch in Rath Probleme mit den Aktivisten und der Bevölkerung gehabt.
Die Polizei selber aber auch die Klimaaktivisten haben ja auch bereits
eine positive Bilanz gezogen. Für uns intern war die direkte
Kommunikation mit dem Polizeipräsidenten perfekt, der mich jederzeit
über die Einsatzlage informiert hat.
Die größte Unruhe und viele falsche Informationen wurden vielfach in
den sozialen Netzwerken verbreitet und das hat wiederum einige
Menschen verunsichert oder verärgert. Da wünsche ich mir wirklich
mehr Verantwortungsgefühl der Nutzer und vor allem mehr
demokratisches Bewusstsein: Wir haben dankenswerterweise in
Deutschland das Recht auf Versammlungsfreiheit und wir dürfen uns
dieses kostbare Gut nicht selber kaputtreden.

Vor der Sommerpause hat der Rat die Auslobung eines
Bieterverfahrens zur Entwicklung der Bedburger Innenstadt, das heißt
des Projektes Bedburger Mitte, auf den Weg gebracht. Können Sie schon
etwas zu Angeboten sagen?

Die Frist läuft bis Ende September und derzeit sind es 13 Investoren,
die Daten und Unterlagen bei uns abgefragt haben. Es sind einige sehr
spannende Interessenten dabei, insofern bin ich sehr zuversichtlich,
dass wir zügig ein gutes Ergebnis hinbekommen.

Wann beginnen die Bauarbeiten am Rathaus in Kaster?

Das Baustellenschild steht und die vorbereitenden Maßnahmen laufen
schon seit einigen Wochen. Spätestens Mitte September wird es
sichtbar losgehen.

Die Verwaltung hat viel unternommen um den Einzelhandel zu
stärken. Dazu zählen die Leistungsmesse, das Online-Portal
„Einkaufen in Bedburg“ und die Bedburg App. Hat sich davon etwas
in den Kassen der Einzelhändler niedergeschlagen?

Sicherlich unterstützen diese Maßnahmen unsere Ziele, die
Wahrnehmung der Angebote in der Stadt zu verbessern und den Einkauf in
den Geschäften zu verstärken. Auch der Umbau der oberen
Lindenstraße ist hier ein großer Gewinn. Aber es ist völlig klar,
dass wir ohne einen attraktiven Frequenzbringer in der Innenstadt
nicht weiterkom-men. Das ist das Wesentliche - wir müssen im Bereich
ehemaliger „Toom“ zügig handeln und uns jetzt auf diese Maßnahme
fokussieren.

Die Anwohner der Kolpingstraße in Blerichen leiden unter dem
Verkehr, der sich jeden Tag durch die Enge wälzt und fühlen sich von
der Verwaltung alleine gelassen.

Die Kolpingstraße ist immer noch eine Hauptverkehrsader. Das hat sich
nach der Verkehrsveränderung, die vor meiner Zeit als Bürgermeister
beschlossen wurde, im Laufe der Zeit immer ungünstiger entwickelt und
ist eine sehr unbefriedigende Situation. Ich weiß wovon ich rede,
denn ich war dort selbst viele Jahre Anwohner. Wir kommen nicht umhin,
den gesamten Verkehr dort deutlich umzuorganiseren. Zumal diese
Straße auch von der Bausubstanz überhaupt nicht geeignet ist 70.000
Autos in der Woche zu tragen. Der Schwerlastverkehr, der dort gar
nicht fahren dürfte, fährt nach wie vor und es gibt zu wenige
Kontrollen. Die einzige Lösung, die meiner Meinung nach, den
Anwohnern der Kolpingstraße helfen würde ist ein
Einbahnstraßenverkehr.

Aktuell wird diskutiert, wann es denn mit der Modernisierung der
Schrankentechnik an den Bahnübergängen Lindenstraße und Erkelenzer
Straße vorangeht. Da heißt es, dass der Rhein-Erft-Kreis die Sache
nicht vorantreibe, obwohl es Gespräche zwischen Stadt und Kreis geben
soll. Sagen Sie doch bitte etwas zu diesem Thema.

Das letzte Gespräch mit dem Kreis zum Thema hat im November des
letzten Jahres bei uns im Haus stattgefunden. Wir haben dort die
Beschlusslage diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es
die schnellste und derzeit praktikabelste Lösung ist, den
Bahnübergang offenzuhalten und zu modernisieren. Die Deutsche Bahn
würde uns die Alternative, eine umfangreiche und teure Troglösung,
wahrscheinlich nicht finanzieren. Wir sind insofern einig aus diesem
Gespräch gegangen, dass der Rhein-Erft-Kreis mit diesem Angebot und
der Beschlusslage zur DB geht und dass wir uns danach für die
konkrete Maßnahmenumsetzung zusammensetzen. Wir waren in Bedburg von
der Vorlage des Kreisentwicklungsausschuss überrascht, in der steht,
wir würden mauern. Das letzte, was wir wollen, ist das Thema so lange
weiterlaufen lassen bis die Anlage irgendwann kaputt ist und wir kein
Ersatzteil mehr finden. Insofern bemühen wir uns derzeit um einen
weiteren verbindlichen Gesprächstermin, zumal wir mit der
Modernisierung weitere Verbesserungen an dieser Hauptkreuzung umsetzen
wollen: Im Eisenbahnkreuzungsbereich soll mehr Fläche für
Fußgänger und Fahrradfahrer entstehen.

Durch die Verlängerung der S 12 soll künftig im
20-Minuten-Takt eine Bahn von Bedburg nach Köln fahren. In den
sozialen Netzwerken gab es begeisterte Reaktionen. Wann denken Sie
denn, dass mit der Umsetzung realistisch zu rechnen ist?

Ich denke 2022 ist realistisch. Das Gute ist, dass die notwendigen
Voraussetzungen jetzt endlich da sind. Dass sich bislang jede
Bundesregierung so schwer damit tut, diesen Bahnstreckenknoten in
einer konzertierten Maßnahme endlich auszubauen, das wundert mich
doch sehr. Wir haben nicht nur den am dichtesten befahrenen
Autobahnring in Europa, auch auf der Schiene sieht es ähnlich aus.
Für unsere Stadtentwicklung ist die S-Bahn unglaublich wichtig. Die
Städte und Kom-munen rundherum können oder wollen nicht mehr weiter
wachsen. Mit einem S-Bahn Anschluss ist Bedburg noch einmal mehr
attraktiv.

Eine Frage zum Thema Schule. Wie sieht es eigentlich in Sachen
Mensa aus? Die Einrichtung ist ja ein bisschen ein Sorgenkind. Kein
Konzept scheint richtig zu passen.

Solange wir keine Ganztagsbeschulung haben ist eine Mensa, egal für
welchen Betreiber, nicht kostendeckend zu betreiben. Sicher, wir
können als Stadt nur bis zu einem gewissen Punkt subventionieren,
aber ich halte es für sehr wichtig, den Kindern ein gutes Essen
anzubieten und finde für diese Haltung in der Bedburger Politik auch
parteiübergreifend Unterstützung. Dennoch hoffe ich, dass sich das
neue, den Wünschen der Kinder angepasste Angebot der Mensa nun
durchsetzen wird.

Was ist eigentlich aus den Hochzeitsmesse geworden? Aus den
sozialen Netzwerken ist zu erfahren, das es eine Kooperation zwischen
der Stadt Bedburg und Gut Hohenholz für eine Hochzeitsmesse
gibt.

Die Messe war damals eine sehr gute Idee unserer Standesbeamtin. Doch
ein solches Thema wird schnell immer umfangreicher. Das kann ein
Standesamt nicht auf Dauer leisten. Letztlich waren die
Räumlichkeiten im Schloss nicht mehr geeignet, es gipfelte ja darin,
dass wir leider sehr kurzfristig aus Sicherheitsgründen die letzte
Messe sogar noch absagen mussten. Der Besitzer von Gut Hohenholz hat
das Interesse eine solche Messe zu veranstalten sehr früh
signalisiert, dort finden ja auch viele Trauungen statt. Ich denke,
die Messe wird dort eine perfekte neue Heimat finden.

Zwei Jahre ist es her, dass eine Welle von Flüchtlingen nach
Deutschland und auch nach Bedburg kam. Ist die Integration hier vor
Ort gelungen?

Die Integration gelingt sehr gut in unserer Stadt. In der Verwaltung
sind wir mit unserem Integrationsteam sehr professionell aufgestellt
und wir haben immer noch sehr viele Ehrenamtler die uns unterstützen.
Eine hohe Zahl der Flüchtlinge ist anerkannt und auf Arbeitssuche.
Aus dem Grund haben wir das freiwillige Projekt „Talents“
aufgesetzt, wo wir auch ein bisschen die Arbeit des Jobcenters hier
vor Ort gemacht haben. Das Projekt war erfolgreich und dabei sehr
erkenntnisreich: Von den Flüchtlingen ist das Angebot sehr gut
angenommen worden und wir sind dabei, einen Teil der Menschen in
Arbeit zu vermitteln. Ich denke, Sie stimmen mir zu, dass neben
Sprache vor allem die Arbeit und damit das selbstbestimmte Leben, ein
wesentlicher Erfolgsfaktor für gelungene Integration ist.
Enttäuschend war der Teil des Projektes, der die jungen deutschen
Langzeitarbeitslosen in Bedburg betraf. Da haben wir 300 Menschen
unter 30 Jahren angeschrieben, vier haben sich angemeldet und keiner
ist zum Termin erschienen. Das ist auch eine Botschaft und sie hat
mich doch etwas schockiert, zumal in der Politik und in der
Öffentlichkeit oft die vermeintliche Ungleichbehandlung heftig
kritisiert wird.

Wie sieht es mit dem Wohnraum für Flüchtlinge aus?

Auch im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen ist das
Thema Wohnraum in unserer Stadt sehr akut. Wir bekommen viele
Flüchtlinge nicht in den freien Wohnungsmarkt vermittelt, weil viele
Vermieter sich nach wie vor sträuben Flüchtlinge als Mieter zu
akzeptieren. Wir haben darüber hinaus ein sehr schmales Angebot an
sozialem Wohnungsraum bei uns in der Stadt. Da ist 15 Jahre lang
nichts passiert und das rächt sich jetzt. Diese Situation ist einer
der Gründe warum wir jetzt an einer eigenen städtischen
Wohnungsbaugesellschaft arbeiten. Wir planen hier in Zusammenarbeit
mit der Gemeinde Rommerskirchen. Wir wollen aus eigener Initiative
heraus dafür sorgen, dass in den nächsten Jahren mehr bezahlbarer
Wohnraum in unserer Stadt zur Verfügung steht. Es ist enorm wichtig,
die Stadt selber aktiv weiter zu entwickeln. Deshalb werde ich in
Kürze mit einem Plan an die Öffentlichkeit gehen, mit welchen
Maßnahmen, wo und in welchen Dimensionen ich mir weiteres Wachstum in
Bedburg vorstellen kann. 

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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