ASB übernimmt Patenschaft
Bergisch Gladbach begrüßt erstes ukrainisches Flüchtlingsbaby
Yulia Zdzozhek hat das erste ukrainische Flüchtlingsbaby in Bergisch Gladbach überhaupt zur Welt gebracht. Dass Maxim fern der Heimat und ohne Vater geboren werden würde, schien jenseits aller Vorstellungskraft. Der ASB Bergisch Land steht den Eltern in dieser schweren Zeit bei.
Yulia strahlt voller Stolz über das ganze Gesicht, als sie mit ihrem kleinen Maxim im Arm aus dem Auto aussteigt, auf dem mit großen Lettern Arbeiter-Samariter-Bund steht. Sie hat am vergangenen Mittwoch das allererste Kind einer ukrainischen Kriegsvertriebenen überhaupt in Bergisch Gladbach zur Welt gebracht. Ein großer Präsentkorb mit Windeln, Kuscheltieren und Breigläschen, eine schicke Babywiege sowie eine massive Wickelkommode werden von freiwilligen Helfern des ASB hinauf in den ersten Stock getragen. Am Rande des Gierather Waldes lebt Familie Zdzozhek zurzeit in einer kargen Wohnung mit hohen weißen Wänden und schmalen Fenstern unter der Decke. In den Räumen des Autohauses Hillenberg wurden früher KFZ-Mechaniker geschult, nun dienen sie als provisorische Unterkunft. Von nebenan sind leises Brummen und Stimmen zu vernehmen, wo in der Werkstatt an Motoren geschraubt und Sommerreifen aufgezogen werden. Dass dieser Platz ursprünglich nicht zum Leben gedacht war, merkt man deutlich. Dennoch ist die Apothekerin dankbar, nicht mehr in den Containern einer Sammelunterkunft zu wohnen –oder gar um ihr Leben zu fürchten.
Abschied aus Odessa
Exakt drei Monate zuvor brummte es auch über ihrem Haus in Odessa, als ein riesiges unheimliches Flugzeug in niedriger Höhe die Straßen auskundschaftete. Spätestens als einige Tage später eine Rakete aus heiterem Himmel in der Nachbarschaft einschlug, entschloss sich die Familie zur Flucht. Die 23-Jährige freute sich gemeinsam mit ihrem Mann Sergey schon auf eine vielversprechende Zukunft – gemeinsam mit ihrem Baby. Dieser Traum ist vorerst zerstört, denn Sergey, der in Friedenszeiten Pharmazeutika vertreibt, wurde zum Kriegsdienst eingezogen und darf die Ukraine nicht verlassen, genauso wie allen anderen männlichen Familienmitglieder.
Sieben Tage dauerte Yulias Odyssee über Moldawien und Rumänien, gemeinsam mit Mutter, Tante, zwei kleinen Geschwistern und dem Yorkshire-Terrier bis zur Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung Saaler Mühle. „Sergey freut sich sehr, dass Maxim gesund und munter ist, aber zugleich ist er auch traurig, nicht bei der Geburt dabei gewesen zu sein. Das war sein großer Wunsch“, erzählt Julia. Über die täglichen Telefonate hält sie regelmäßig die Verbindung zu ihm. Ständiger Luftalarm und immer wieder sinnlose Raketenangriffe, die Odessas Gesicht allmählich zerstören – Sergeys Realitäten sind andere als die seiner Yulia, die nun plötzlich über 2.000 Kilometer weit weg lebt. Trotzdem bleiben ihre Träume unteilbar und überdauern den Schrecken. „Ich bete einfach nur, dass der Krieg bald vorbei ist und unsere Männer und Häuser alles gut überstehen“, hofft Yulia Zdzozhek.
Alleine in einem fremden Land
„Diese Geschichte ist sehr tragisch und berührt uns alle sehr“, berichtet Anne Paweldyk. Als die Geschäftsführerin des ASB Bergisch Land vom Schicksal der Familie erfährt, die in der von der Hilfsorganisation betriebenen Erstaufnahme-Einrichtung an der Saaler Mühle unterkommt, zögert sie nicht lange und erklärt sich bereit, mit ihrem Regionalverband die Patenschaft für Maxim zu übernehmen. „Natürlich ist uns klar, dass das nicht auch nur ansatzweise einen Vater ersetzen kann. Trotzdem wollen wir versuchen, das Schicksal der jungen Familie durch unsere Fürsorge ein wenig zu erleichtern und die Patenschaft mit Leben zu füllen“, so Paweldyk. Der ASB schafft die nötigen Dinge an, die ein Baby zum Start ins Leben braucht, unterstützt mit Fahrdiensten, wenn die junge Mutter Termine bei Ärzten oder im Krankenhaus wahrnehmen muss und steht mit Rat und Tat zur Seite. Zu den wenigen Deko-Gegenständen in der Wohnung gehört jetzt ein ASB-Teddy auf der Fensterbank, vor Staub geschützt mit Folie umwickelt „Wir wüssten nicht, was wir ohne diese Hilfe nur machen sollten, alleine in einem fremden Land und mit wenig Geld“, sagt Yulias Mutter Irina, die sich über die große Unterstützung freut, die ihnen in Deutschland widerfährt. Aber letztlich ändere das nichts daran, dass sie ihren Aufenthalt in der Fremde so schnell wie möglich beenden wollten. Ihr Zuhause sei nun mal Odessa und sie hätten unter normalen Umständen niemals vorgehabt, das Land zu verlassen. Was sie antreibt, nicht zu verzweifeln, fasst Yulia in vier Worte: „Ein Wiedersehen mit Sergey“.
LeserReporter/in:Marco Wehr aus Bergisch Gladbach |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.