180 Jahre Laurentiuskirmes
Ein Blick in die Geschichte
Bergisch Gladbach (us). Seit 1842 baute „das fahrende Volk“ alljährlich zum Patronatsfest von St. Laurentius am 10. August auf dem Marktplatz seine Buden auf. Kindheitserinnerungen an die Kirmes um 1900 beschreibt Zeitzeuge Anton Jux in seinem Buch. Es „entstand eine bunte Traumwelt“ zwischen Kirche, Villa Zanders und „Bocker Garten“, wo 1906 das Rathaus errichtet wurde. Sonntags nach dem Hochamt begann das Kirmestreiben für „drei volle Tage“. Mittwochs wurde abgebaut und „spätestens donnerstags war der Markt wieder leer“.
Von Freifahrten, Türkischem Honig, Kokosnuss, Schiffsschaukel, Kettenkarussell, „Hau den Lukas“, stolzen jungen Schützen an Schießbuden, jauchzenden Mädchen auf der Berg- und Talbahn ist die Rede. Glänzende Kinderaugen, die mächtige Kirmesorgel, Trööt, Trömmelche, Luftballons, Plüschtiere und „Kotzmöllchen“ werden beschrieben. Die Sitzplätze des fahrenden Karussells kreisten schnell um sich selbst. Da „drehte sich bei Manchen der Magen im Leibe mit“.
Doch auch Bergisch Gladbacher Karieren nahmen auf der Kirmes ihren Anfang. Zu Beginn der 1930er Jahre sah Ingenieur Friedrich Rosengarth auf der Kirmes zu, wie Zuckerwatte entstand. Seine Idee, auf ähnliche Weise Glasfäden herzustellen, um daraus Dämmmaterial zu fertigen, führte 1931 zum entsprechenden Produktionsbeginn in Bergisch Gladbach. Die Glasfäden mit eingeschlossenen Luftpolstern eroberten von hier den Globus und werden heute in 40 weiteren Werken weltweit produziert.
Im Sommer 1949 setzte Walter Wünsch, Koch im Bensberger Schloss, damals Quartier belgischer Besatzungstruppen, seine Idee um. Von einem Grill auf dem Anhänger seines Mopeds verkaufte er Bratwurst auf Kirmessen und Schützenfesten. Rund zehn Jahre später folgte seine erste fahrbare Würstchenbude, 1972 waren es 20, heute stellt der Metzgereifachbetrieb in eigener automatisierter Produktion auch Fertiggerichte her, und das in vierter Generation.
Die eigene Erfolgsgeschichte der Kirmes in den letzten 70 Jahren nahm am 10. August 1952 ihren Anfang und ist untrennbar mit dem Namen Burkhardt Unrau verbunden. Der erblickte an diesem Kirmessonntag das Licht der Welt, bekam noch am selben Tag von Schaustellern seinen ersten „Teddy“ und sagt von sich: „Ich bin praktisch auf der Kirmes groß geworden“. Sein Vater, seit den 50er Jahren bei der Stadt für das Volksfest zuständig, „nahm mich immer mit, wenn die Schausteller aufbauten“. Als 20-Jähriger half er bei der Auswahl attraktiver Kirmesgeschäfte „für die Jugend“. Später übernahm er die gesamte Kirmesorganisation.
Die Belange „seiner Kirmes“ verteidigte der Ehrenschausteller stets bei gutem Konsens mit allen Verantwortlichen. So mündete sein Kampf „Kirmes gegen Gourmetfest“ vor dem Rathaus von 1992 (am Ende fand beides parallel statt) in der Gründung des Schaustellervereins 1994. Dieser trägt seither Werbung, Eröffnungsfeier und Feuerwerk. Seit 1995 verschenken die Schausteller Fahrchips zu jeder Eröffnung. Veranstalter der Kirmes ist jedoch nach wie vor die Stadt Bergisch Gladbach. So ist Kontinuität für die Veranstaltung gesichert. 2005, als Kreisdechant Norbert Hörter Kirmesabbau und Weltjugendtagsveranstaltung vor der Kirche „auf Kollisionskurs“ sah, versprachen die Schausteller einen „besenreinen“ Konrad-Adenauer-Platz, nur sechs Stunden nach Kirmesende für Mittwoch, 7 Uhr. Sie hielten Wort! Zum Dank findet seither die Schaustellermesse statt, die auch das Patronatsfest der Pfarrei und Ursprung der Laurentiuskirmes wieder hervorhebt.
(Quelle: Laurentiuskirmes um 1900 – Anton Jux, Vor 100 Jahren im Bergischen, Heider Verlag S.255 ff)
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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