E-Mobilität
Prof. Dr. Stefan Bratzel, CAM
E-Mobilität: Absatztrends in wichtigen globalen Märkten
Die Elektromobilität nimmt in der ersten Jahreshälfte 2018 in
wichtigen Märkten an Fahrt auf. Dabei bleiben China und Norwegen die
Treiber und Ausnahmeerscheinungen der globalen Elektromobilität.
Chinesische Automobilhersteller werden zunehmend zu ernsten
Konkurrenten der etablierten westlichen Autobauer.
Das sind die Kernergebnisse der Branchenstudie des Center of
Automotive Management (CAM), in der die aktuellen Markttrends sowie
die Produktstrategien der globalen Automobilhersteller regelmäßig
analysiert.
China festigt seine Position als Leitmarkt mit starkem Wachstum. In
der ersten Jahreshälfte 2018 wurden in China 412.000 (1. HJ 2017:
195.000) E-Autos abgesetzt (New Energy Vehicles, inkl.
Brennstoffzelle, gewerbliche Fahrzeuge, Busse). Die
E-Fahrzeugverkäufe konnten damit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum
um 111 Prozent gesteigert werden.
Der Marktanteil von E-Fahrzeugen steigt auf 2,9 Prozent an den
Neuzulassungen (1. HJ 2017: 1,5%) (vgl. Abbildung 1). Der chinesische
Automobilmarkt wird dominiert von chinesischen Automobilherstellern.
Auf den ersten 20 Plätzen der meistverkauften Modelle findet sich als
einziger ausländischer Hersteller lediglich Tesla (Model X, Rang 19).
Hierzu Studienleiter Stefan Bratzel: „China setzt sich als
Leitmarkt der E-Mobilität zunehmend von den anderen automobilen
Kernregionen wie Europa und USA ab. Dabei werden die
E-Fahrzeugverkäufe von chinesischen Herstellern dominiert, die sich
zunehmend als ernste Konkurrenten der etablierten globalen Hersteller
entwickeln.“
Norwegen steigert ebenfalls seine E-Fahrzeugverkäufe erheblich und
kann den Marktanteil von Elektrofahrzeugen in der ersten Jahreshälfte
auf einen Anteil von erstaunlichen 46,6 Prozent an den Neuzulassungen
erhöhen (1. HJ 2017: 34,9%). Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wurde
mit 35.788 Elektrofahrzeugen ein Zuwachs von 32 Prozent erzielt (1.HJ
2017: 27.202).
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Nach Absatzzahlen zweitgrößter E-Fahrzeugmarkt bleibt die USA. Dort
sind die Neuzulassungen von Elektroautos in der ersten Jahreshälfte
2018 um 35 Prozent auf über 117.000 Fahrzeuge angestiegen.
Batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) stellen dabei über die Hälfte
der Verkäufe.
Der Marktanteil von E-Fahrzeugen steigt von 1,0 auf jetzt 1,4 Prozent
an den Neuzulassungen und bleibt damit im internationalen Vergleich
noch auf niedrigem Niveau (vgl. Abbildung 2). Marktführer ist Tesla,
die mit dem Model 3, Model S und Model X rund 45.000 E-Fahrzeuge
absetzen können, während Toyota mit dem Plug-in Hybridmodell Prius
Prime auf rund 14.200 Verkäufe kommen.
Der deutsche Markt setzt seine Dynamik der letzten Monate fort und
kommt mit einem Zuwachs von 51 Prozent jetzt auf 33.917 neu
zugelassene Elektrofahrzeuge in der ersten Jahreshälfte 2018. Damit
steigt der Marktanteil von 1,3 Prozent auf im globalen Vergleich
durchschnittliche 1,8 Prozent. Mit rund 17.234 BEV legen die Verkäufe
von reinen Elektrofahrzeugen mehr zu (+69%) zu als die
Plug-in-Hybriden, die auf 16.683 Pkw (+36%) ansteigen. Smart setzt mit
seinen Modellen Fortwo ED und Forfour ED dabei mit über 3.900 Pkw am
meisten reine E-Fahrzeuge ab, gefolgt von Renault Zoe mit 2.691 Pkw,
VW e-Golf mit 2.561 Einheiten und BMW i3 mit 2.449 Pkw.
Zwischen Januar und Juni 2018 sind beim Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle (BAFA) rund weitere 8.400 Förderanträge
(Umweltbonus) für Elektrofahrzeuge eingegangen. Insgesamt steigt
damit die Zahl der Anträge auf 66.029. Davon entfallen 27.866
Anträge auf Plug-In-Hybride und 38.146 auf BEVs sowie 17 auf
Brennstoffzellenfahrzeuge.
Die Fördermittel würden jedoch für mehr als 300.000 Fahrzeuge
reichen. Bei gleichen Abruftempo wie zuletzt würden die Fördermittel
noch mindestens bis zum Jahr 2022 reichen. Allerdings verfallen nach
derzeitiger Rechtslage die Mittel, die bis Ende Juni 2019 nicht
abgerufen werden.
In Deutschland sinken die Neuzulassungen beim Diesel angesichts der
Unsicherheiten um Fahrverbote weiter. Im Juni 2018 liegt der
Marktanteil nur noch bei 31,2 Prozent, ein Rückgang von 16,2 Prozent
zum Vorjahreszeitraum. Die Neuzulassungen von Benzinfahrzeugen
erhöhen sich dagegen um 14,5 Prozent auf einen Marktanteil von 64
Prozent.
Hierzu Stefan Bratzel: „Der Rückgang von energieeffizienteren
Dieselzulassungen und die Nachfrage nach SUVs führt u.a. dazu, dass
die CO2-Emissionen um 2,7 Prozent auf jetzt 130,9 g/km steigen und
damit im Kernmarkt Deutschland weiterhin in die falsche Richtung
weisen, um die EU-Grenzwerte von 95 g/km im Jahr 2020/21 zu
erreichen.“
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Großbritannien kann seine E-Fahrzeugverkäufe ebenfalls steigern und
setzt 29.363 Einheiten (+25%) in der ersten Jahreshälfte 2018 ab. Auf
die Plug-In-Hybride entfallen knapp 75 Prozent, 25 Prozent der
Verkäufe sind reine Elektrofahrzeuge. Während die Neuverkäufe von
Plug-In-Hybriden um 40 Prozent zugenommen haben, sinken die
Zulassungen von reinen Elektrofahrzeugen um 3 Prozent im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum auf 7.441 Einheiten. Der Marktanteil von
Elektrofahrzeugen steigt in Großbritannien von 1,7 auf jetzt 2,2
Prozent.
In Frankreich erhöhen sich ebenfalls die E-Auto Neuzulassungen der
ersten Jahreshälfte auf 21.488 (+33%). Damit liegt der Marktanteil
auf 1,8 Prozent (1. HJ. 2017: 1,5%). Im Unterschied zu Großbritannien
machen BEVs über 67 Prozent der Elektroautoverkäufe aus, während
auf Plug-in Hybride 33 Prozent entfallen. Der Renault Zoe ist mit
über 8.000 Einheiten mit Abstand der Marktführer in Frankreich
gefolgt vom Nissan Leaf mit über 2.300 Verkäufen. In den
Niederlanden steigen die Elektroverkäufe um 133 Prozent auf jetzt
9.056 Fahrzeuge (1. HJ. 2017: 3.880). Der Marktanteil steigt damit von
1,7 auf jetzt überdurchschnittliche 3,6 Prozent.
Innovationsstärke der E-Mobilität (BEV) im
Herstellervergleich
Die Analyse der Innovationen der globalen Automobilhersteller im
Bereich der batterieelektrischen E-Mobilität zeigt, dass die
Innovationsstärke bislang nicht von deutschen Herstellern getrieben
wird. Die höchsten Indexwerte erreichen derzeit Tesla und Renault
sowie der Allianzpartner Nissan sowie General Motors (vgl. Abbildung
3). Chinesische Hersteller wie BAIC, BYD und Dongfeng werden als
Anbieter von E-Fahrzeugen immer stärker (Ränge 5, 7,8) und schieben
sich vor die deutschen Hersteller. Daimler, Volkswagen (inkl. Audi,
Porsche etc.) und BMW rangieren im BEV-Innovationsranking auf den
Plätzen 9,10 und 12.
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Hierzu Studienleiter Stefan Bratzel: „Deutschland ist mit seinen
Herstellern bislang noch kein Leitanbieter der reinen
Elektromobilität, sondern findet sich eher im vorderen Mittelfeld
(Fast Follower). Angesichts der ambitionierten Produktpläne der
deutschen Hersteller bestehen jedoch gute Chancen, dass die deutschen
Automobilbauer zu Beginn der 2020er Jahre die Rückstände aufholen.
Um in wichtigen Kernmärkten wie China die Marktpositionen zu halten
oder zu verbessern, müssen die Hersteller dann wettbewerbsfähige
E-Fahrzeuge in verschiedenen Segmenten im Angebot haben.“
Entwicklungstrends der E-Mobilität bis 2030 /
Nullemissionsquote
Die Elektromobilität wird in den nächsten zwei Jahren nur moderate
Wachstumsraten in wichtigen Automobilmärkten realisieren können.
Allerdings rechnet das CAM auf Basis einer Szenarioanalyse mit einer
deutlichen Steigerung der Marktdynamik zu Beginn der 2020er Jahre.
Ausschlaggebend sind die massiven Produktanstrengungen der Hersteller
und das zu erwartende regulatorische Umfeld in zentralen Autoländern.
Für Deutschland und die EU ist ab 2020 mit einem exponentiellen
Anstieg des E-Autoabsatzes zu rechnen, da die OEM die CO2-Ziele
erreichen müssen und Strafzahlungen verhindern dürften. Die derzeit
vergleichsweise geringen Marktanteile sollten nicht darüber
hinwegtäuschen, dass ein massiver Umbruch der Antriebstechnologien in
den nächsten 10-15 Jahren bevorsteht.
Auf Basis der CAM-Szenarien werden die globalen Neuzulassungen von
E-Autos bis zum Jahr 2020 nur moderat ansteigen und sich zwischen 2,5
Prozent (konservativ) und 6 Prozent (optimistisch) bewegen. Danach ist
jedoch befeuert von einer breiten Produktoffensive der globalen
Hersteller und wegen einer verbesserten Ladeinfrastruktur von einem
massiven Wachstum des E-Mobilitätsmarktes auszugehen.
Im Jahr 2025 wird im optimistischen Szenario mit rund 25 Prozent bzw.
25 Millionen jährlich neu zugelassenen Elektro-Pkw gerechnet
(konservativ: 12%). Diese könnten danach bis zum Jahr 2030 auf 40
Prozent bzw. rund 40 Mio. elektrisch angetriebener Pkw steigen
(konservativ: 25%). Gleichwohl wären dann immer noch mindestens 60
Prozent der Neuzulassungen mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet
(vgl. Abb. 4).
Ausschlaggebend für die Trendkurven sind Annahmen zu den
Entwicklungen im politisch-regulativen Umfeld sowie im Hinblick auf
die komparativen Wettbewerbsvorteile der Elektromobilität im
Vergleich zum Verbrennungsmotor.
Es wird insbesondere davon ausgegangen, dass sich die Herstellkosten
für Benzin- und Dieselfahrzeuge im Zuge sich verschärfender
Umweltregularien in den nächsten Jahren signifikant verteuern werden.
Gleichzeitig werden die Kosten für (reine) Elektrofahrzeuge vor allem
durch günstigere Batteriezellkosten pro kWh deutlich sinken und
technologische Innovationen insbesondere im Hinblick auf Reichweite
und Ladedauer den Kundennutzen erhöhen. Voraussetzung der Szenarien
ist auch eine entsprechende Dichte von (Schnell-)Ladeinfrastrukturen
in den Kernmärkten China, Europa und USA.
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Das Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der
Wirtschaft in Bergisch Gladbach untersucht regelmäßig im Bereich der
„Elektromobilität“ die Absatzentwicklungen und Trends in
wichtigen automobilen Leitmärkten sowie die Innovationen der
Automobilhersteller.
Analysiert werden die Absatztrends und Rahmenbedingungen in relevanten
Ländern sowie die fahrzeugtechnischen Neuerungen von über 30
Automobilgruppen seit dem Jahr 2005. Insgesamt sind derzeit über
10.000 Innovationen in der CAM Inno-Datenbank inventarisiert.
Jede einzelne Neuerung wird systematisch nach dem M.O.B.IL - Ansatz
(Maturity/Reifegrad, Originalität, Benefit/Kundennutzen, Innovation
Level/Innovationsgrad) bewertet und gewichtet. Aus der Summe der
gewichteten Innovationen wird die Innovationsstärke eines
Automobilherstellers berechnet.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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