Ehrenbürgerin verstirbt im Alter von 100 Jahren
Trauer um Philomena Franz
Bergisch Gladbach. Die Ehrenbürgerin der Stadt, Philomena Franz, ist verstorben. Bürgermeister Frank Stein hatte ihr erst am 13. August 2021 die Ehrenbürgerwürde verliehen, ihr im Juli 2022 zum 100. Geburtstag gratuliert. Am 28. Dezember 2022 ist Philomena Franz in ihrer Wohnung friedlich eingeschlafen. „Im Namen aller Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt spreche ich der Familie von Frau Franz mein tief empfundenes Beileid aus“, erklärt Bürgermeister Stein. „Ich habe die Verstorbene erst sehr spät kennengelernt, war aber umso faszinierter von ihrer Persönlichkeit und ihrer Lebensgeschichte. Weit über die Grenzen von Bergisch Gladbach hinaus hat sie die Menschen gelehrt, was es bedeutet, Hass, Folter und Vernichtung zu erfahren und trotzdem stets für Liebe und Versöhnung einzutreten.“
Alles andere als friedlich verlief das Leben der aus einer Sinti-Familie stammenden Ehrenbürgerin während der Nazizeit. Gemeinsam mit ihrer Familie hatte sie zuvor Musik gemacht, stand auf der Bühne, sang und tanzte in der Kapelle ihres Großvaters. Nach der Machtergreifung zunächst der Schule verwiesen, dann als Zwangsarbeiterin verpflichtet, wurde sie 1943 verhaftet und nach Auschwitz, später Ravensbrück verschleppt. Nach mehreren Fluchtversuchen wurde sie schließlich durch die Rote Armee befreit.
Nach Kriegsende trug Philomena Franz als Schriftstellerin entscheidend dazu bei, die Erinnerungskultur in Deutschland neu zu definieren, indem sie den Fokus auch auf die Schicksale der Sinti und Roma lenkte. Denn erst 1982 wurden die Verbrechen an diesen Bevölkerungsgruppen von der Bundesrepublik anerkannt. Philomena Franz setzte in ihren Publikationen und öffentlichen Auftritten indes niemals auf Konfrontation, sondern stets auf Verständnis füreinander, wie auch ihr bekanntestes Zitat ausdrückt: „Wenn wir hassen, verlieren wir. Wenn wir lieben, werden wir reich.“
Geehrt mit dem Verdienstorden des Landes NRW, dem Bundesverdienstkreuz am Bande und weiterer Auszeichnungen, hielt sie in späteren Jahren Vorträge in Schulen, Volkshochschulen, Universitäten und Kirchen, in Funk und Fernsehen. Ihr Erzählstil, der vermochte, das Unaussprechliche plastisch nahezubringen, weckte vor allem bei jungen Menschen das Interesse an der Vergangenheit und das Bewusstsein, dass so etwas nie wieder passieren dürfe. Vielmehr ermutigte sie stets dazu, Fremdes kennen und verstehen zu lernen, egal welcher Herkunft es entstammt.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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