Talkrunde
„Zimmer auf der Straße“

Von links: Lutz Urbach, George Koldewey, Sabine Merschjohann und Gerhard Wölwer diskutieren im Caritas-Zimmer in der Fußgänger-Zone über Wohnungsnot und steigende Mieten. | Foto: Caritas/W. Drötboom
  • Von links: Lutz Urbach, George Koldewey, Sabine Merschjohann und Gerhard Wölwer diskutieren im Caritas-Zimmer in der Fußgänger-Zone über Wohnungsnot und steigende Mieten.
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Caritas, Kreis- und Stadtpolitik und Wohnungswirtschaft sprachen
über Wohnungsnot

BERGISCH GLADBACH - Nach Angaben der Caritas fehlen in
Deutschland derzeit etwa eine Million Wohnungen. Mieten steigen und
Menschen werden aus ihrem angestammten Umfeld verdrängt. Besonders im
Bereich der Sozialwohnungen sei die Lage angespannt: Laut Caritas
müssten bundesweit jährlich rund 80.000 davon gebaut werden, doch in
2016 seien es nur 25.000 gewesen.

Um Politik, Investoren und Bürger darauf aufmerksam zu machen, hat
der Caritasverband am Mittwoch das „Zimmer auf der Straße“
organisiert. In Bergisch Gladbach wurde in der Fußgängerzone ein
„Wohnzimmer“ aufgebaut, wo Passanten mit Mitarbeitern von Caritas,
Kreis- und Stadtpolitik und Wohnungswirtschaft ins Gespräch kommen
konnten.

Moderiert von Basti Wirtz, Radio Berg, diskutierten bei einer
Wohnzimmer-Runde Sabine Merschjohann, Geschäftsführerin der
Rheinisch-Bergischen Siedlungsgesellschaft mit Bergisch Gladbachs
Bürgermeister Lutz Urbach und Bau- und Planungsdezernent Gerhard
Wölwer als Vertreter des Rheinisch-Bergischen Kreises, gemeinsam mit
Caritas-Vorstandssprecher George Koldewey zum Thema Wohnungsnot. Aus
verschiedenen Blickwinkeln trugen sie Meinungen und Ideen zum Thema
bei. Zuschauer konnten sich mit Fragekarten aktiv an der
Caritas-Aktion beteiligen. Das Motto des Tages: „Jeder Mensch
braucht ein Zuhause“.

„Die Zahl der Sozialwohnungen ist im Rheinisch-Bergischen Kreis
in den letzten 25 Jahren um fast 50 % und somit massiv
zurückgegangen“,
erklärt Goerge Koldewey, Sprecher des
Vorstands bei der Caritas RheinBerg. Im Kreis gebe es derzeit noch
rund 4.600 vermietete Sozialwohnungen; vor 25 Jahren seien es doppelt
so viele gewesen.

Die Preisbindung für viele der öffentlich geförderten Wohnungen
laufe aus, so dass die Eigentümer die Mieten erhöhen könnten und
die Objekte aus dem sozialen Wohnungsmarkt herausfielen. Die Caritas
betont, dass Wohnen nach der Europäischen Sozialcharta ein
Menschenrecht sei. Deshalb müsse der Staat gesetzliche Regelungen
schaffen, um den sozialen Wohnungsbau zu fördern. Städte und Kreise
könnten mit dem Bauplanungsrecht direkten Einfluss darauf nehmen, wo
und wie sozial gebaut werde.

Bei einer Voting-Aktion unter den Passanten zeigte sich, dass 63 % der
Befragten zwischen 30 und 50 Prozent ihres Gesamt-Nettoeinkommens für
Wohnungskosten aufbringen müssen. Fast 16 % der Befragten gaben an,
bereits über 50 Prozent des Einkommens für Miete/Wohnkredit und
Nebenkosten auszugeben. Diese Entwicklung wurde von allen
Gesprächsteilnehmern zwar bedauert, doch relativ wenig eigene
Handlungsmöglichkeit gesehen.

„Der Markt von Angebot und Nachfrage reguliert auch das
Mietniveau.“
konstatierte Bergisch Gladbachs Bürgermeister Lutz
Urbach. Weiter: „In einer Stadt, die in den letzten Jahren um
fast 10 Prozent gewachsen ist, sind die Mieten naturgemäß hoch, da
der Wohnbestand nicht in gleichem Umfang mithalten kann. Wir bemühen
uns natürlich, auch preiswerten Wohnraum zu schaffen, sogar im
Stadtkern zum Beispiel mit dem Objekt „Altes Arbeitsamt“ und dem
ehemaligen Steinbüchel-Komplex.“

Einen weiteren möglichen Lösungsansatz, Wohnraum zu schaffen, sieht
Gerd Wölwer darin, kleine Senioren-Wohnanlagen stärker zu fördern
und den Wohnungstausch zwischen Alt und Jung auch durch entsprechende
Unterstützungsangebote zu forcieren.

Als Vertreterin der Wohnungswirtschaft wies RBS-Geschäftsführerin
Sabine Merschjohann auf die Problematik hin, im innerstädtischen
Bereich überhaupt Baugrund zu generieren. „Das geht nur über
Verdichtung. Diese muss natürlich maßvoll sein, wie wir es derzeit
in unserem ältesten Baubestand, der Heidkamper Märchensiedlung,
praktizieren“,
führte Merschjohann aus. „Das schafft dann
natürlich keine hundert Wohnungen, aber zumindest zusätzlichen
Wohnraum.“

Mit einem Blick in die Zukunft aus jeweils fachlicher Sicht der
Gesprächsteilnehmer ließ Radio Berg-Moderator Basti Wirtz die gut
einstündige Diskussion ausklingen. Die Reaktionen der gut 60
Zuschauer, die ihren Einkauf am Vormittag unterbrachen und dem
Gespräch lauschten, zeigte, dass dieses neue Caritas-Format bei ihnen
gut ankam – handfeste Lösungen konnten allerdings erwartungsgemäß
nicht präsentiert werden.

„Man kann die Welt eben nicht in 30 Sekunden erklären und auch
schon die Lösungen alle mitliefern“
zog Sabine Merschjohann ihr
persönliches Fazit. Das zustimmende Nicken der Zuschauerinnen gab ihr
recht.

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RAG - Redaktion

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