Zeitgeschehen
1784 - als das Eis zur „Sündflut“ wurde

Vom Künstler Friedemann Sander gegossene Tafeln wurden im und gegenüber dem Bürgermeister -Stroof Haus angebracht. | Foto: Helmut Müller
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  • Vom Künstler Friedemann Sander gegossene Tafeln wurden im und gegenüber dem Bürgermeister -Stroof Haus angebracht.
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Beuel - Am 25. Februar 1784, es war der Aschermittwoch vor 234 Jahren und
genau 40 Jahre, bevor die Beueler Weiberfastnacht geboren wurde,
erlebten das Rheinland und besonders die Beueler Dörfer ihre
„Sündflut“, bei der nicht nur die Sünden der Karnevalszeit
begraben, sondern praktisch alle Häuser zerstört wurden.

Um den Jahreswechsel 1783/84 hatte es in Europa einen ungewöhnlich
strengen Winter gegeben; und der Rhein war sogar weithin bis auf den
Grund zugefroren. Zwischen Bonn und Beuel herrschte wochenlang ein
reger Transitverkehr, den der kurfürstliche Hofmaler Rousseau in
einem schönen Bild festgehalten hat (s. Abb.). Selbst Karnevalsfeste
wurden auf dem Eis gefeiert, an denen sogar der Kölner Kurfürst
teilnahm.

Wechselhaft aber auch schon damals das Wetter, als nämlich nach einem
gemäßigten Dezember strengster Frost einsetzte, der im Rheinbett
eine Eisbarriere entstehen ließ, die schließlich zum Verhängnis
werden sollte. So schnell der Frost kam, der den der Rhein ab dem 25.
Januar zwischen Bad Breisig und Köln vollständig zufrieren ließ, so
schnell setzte am 24. Februar plötzliches Tauwetter ein. Es war
begleitet von einem gewaltigen Wasseransturm des Mittelrheins, der
sich binnen weniger Stunden aufstaute. Das mit Eis gefüllte Flussbett
bot keinen natürlichen Abfluss mehr. Die starke Erwärmung, die
heftigen Regenfälle, die Schmelzwassermassen und der Eisstau ließen
die Flusspegel sehr schnell steigen.

Vollkommen wurde die Katastrophe, als der Wasserdruck am 25. Februar
auch die Eisbarriere selbst aufbrach, als die Scheitelwelle bis auf
14,18 Meter stieg – 1993 lag er bei rund 9 Meter - zugleich riesige
Eisblöcke losriss und im Verbund mit der gewaltigen Wasserkraft alles
zermalmte, was den Naturgewalten im Wege war. Das Wasser stand so
hoch, dass die Fachwerkhäuser der rheinnahen Siedlungen darin völlig
verschwanden, selbst die Dachfirste boten keine Rettung mehr. Auch das
hat der Maler Rousseau im Bilde festgehalten. (s. Abb.)

Betroffen, wie auch heute bei Wasserständen um 9,50 Meter im
rechtsrheinischen Stadtbezirk und beim Rheindeich nördlich der
Kennedybrücke, der jetzt sogar einen Schutz von bis zu 11,00 Metern
bietet, waren alle flussnahen Ortschaften von Dollendorf bis zur
Siegmündung, also Beuel und seine Siedlungen Hahnen, Honigsheim,
Rülsdorf und Heckelsberg sowie Combahn und Vilich-Rheindorf und das
Schwarzrheindorfer Gensem. Die Rheinaue war bis in die Höhe des
heutigen Beueler Bahnhofes und dem heutigen Friedhof am Platanenweg
überschwemmt, Selbst im Kreuzgang des Bonner Münsters stand das
Hochwasser und die landeinwärts niedrig gelegenen Ortsteile Geislar
und Limperich waren in den Fluten verschwunden. Standhalten konnten
nur einige wenige Steinhäuser, darunter das Mehlemsche Haus in Beuel,
die heutige Musikschule. Die angebauten Wirtschaftsgebäude hingegen,
alle aus Fachwerk, verschwanden. Soweit die Recherchen von Manfred
Spata, gemeinsam zusammengetragen und recherchiert mit dem Denkmal-
und Geschichtsverein Bonn-Rrh.

Warum aber gerade jetzt die Erinnerung an dieses Jahrtausend-Ereignis?
Auf die Spur des Eishochwassers kam Hans-Josef Müller, techn. Leiter
des Denkmal- und Geschichtsverein Bonn-Rrh. im
Bürgermeister-Stroof-Haus in Vilich. Nachdem der Verein das Haus
übernommen hatte, stieß er auf einen verborgenen Brunnenschacht.
Dieser wird auf das 16. Jahrhundert geschätzt, also viel älter als
das heutige Fachwerkhaus selbst. Ergebnis: Durch das einstürzende
Eiswasser entstand dort ein dauerhafter Schaden und der Brunnen musste
offensichtlich aufgegeben werden. Ein zusätzlicher Beleg dafür ist
eine Bruchstelle im Mauerwerk, die bei der archäologischen Ausgrabung
des Brunnens zum Vorschein gekommen ist.

Die "Kulturdetektive" des Denkmal- und Geschichtsvereins Bonn-Rrh.,
die die sich seit 40 Jahren mit derzeit rund 320 Freunden und
Förderern um Denkmalschutz und Geschichtspflege zur Bewahrung des
kulturellen Erbes im Stadtbezirk Beuel kümmern, fanden also den
Schlüssel zur seit Menschengedenken höchste Rheinflut-Katastrophe im
eigenen Haus. Grund genug, dieses Thema aufzuarbeiten und zu
präsentieren. Denn die globalen Hintergründe der Katastrophe waren
bis heute nicht publiziert.

Um den unglaublich hohen Wasserstand jener Eisflut und die damit
verbundene Katastrophe nun im Gedächtnis nicht nur der Bevölkerung
auf der rechtsrheinischen Seite wach zu halten, initiierte der
Denkmalverein entsprechende Maßnahmen.

So stieg Manfred Spata, Vermessungsingenieur und Historiograph, in die
Geschichte ein und publizierte seine gewonnenen Erkenntnisse in
knapper Form, aber reich bebildert. Zudem präsentiert der Verein seit
November 2017 eine Sonder-Ausstellung im Bürgermeister-Stroof-Haus,
die Spata gemeinsam mit Filmemacher Georg Divossen kuratiert hat.
Wegen des großen Zuspruchs musste sie zweimal verlängert werden. Am
kommenden Freitag und Sonntag wird sie ein allerletztes Mal, von 15:00
bis 17:00 Uhr geöffnet sein.

Dazu passend die Idee, mit einer Markierungsaktion an das
Schicksalshochwasser von 1784 zu erinnern. Dazu sollen um die zehn
Bronzeplatten mit der Kennzeichnung „Jahrtausend-Hochwasser 1784“
an öffentlich zugänglichen Stellen von Geislar bis Beuel angebracht
werden. Bereits jetzt sind diese vom Künstler Friedemann Sander
gegossenen Tafeln im und gegenüber dem Bürgermeister -Stroof Haus
angebracht.

Am letzten Sonntag wurden zwei weitere Markierungen an der St.
Josef-Kirche in der Beueler Herrmannstraße und im Beueler
Heimatmuseum montiert, den höchst gelegenen Plätze im gesamten
Ortsbereich von Beuel. Dort stand das Eishochwasser damals bis zu
einer Höhe von rund dreieinhalb Meter. Weitere Markierungen sind als
nächstes u. a. am Mehlemschen Haus, an der Doppelkirche in
Schwarzrheindorf und an der Abtshof-Mauer in Geislar geplant.
Die Dokumentation „Das Jahrtausend-Hochwasser von 1784 in Bonn und
Beuel“ mit allen originalen Zeitzeugenberichten, das vom
Denkmalverein herausgegeben wurde ist im Bürgermeister-Stroof-Haus
zum Preis von 5,- EUR (freitags und sonntags, jeweils von 15 bis 18
Uhr) zu erwerben oder kann telefonisch (0228 / 422 14 664) oder per
Mail (denkmalverein.bonn@t-online.de) bestellt werden.

- Helmut Müller

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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