Die letzte Klappe
Bonns älteste Videothek schließt
Beuel - Noch vor einigen Jahren gab es ihrer viele – heute fallen sie im
Straßenbild auf, wenn man eine entdeckt: Die große Zeit der
Videotheken ist vorbei. Das spürt auch Markus Heimann, Inhaber der
ältesten noch offenen Bonner Videothek. Nun steht auch seine
Videothek vor der Schließung. Mit ihr verschwindet auch ein Stück
Geschichte.
„Be kind, rewind!“ Auf Deutsch etwa: „Sei nett, spul
zurück!“. Wenn Markus Heimann diesen Slogan hört, der noch vor 20
Jahren jedem Videothekennutzer klar war, muss er lachen. Und den
Jüngeren erklären, was es damit auf sich hatte: „Wer ein Video
ausgeliehen hat, sollte so nett sein, das Band wieder an den Anfang zu
spulen. Tat er es nicht, kostete das eine Mark extra.“
Videobänder, Deutsche Mark? Das klingt nicht nur nach vergangenen
Tagen. „Die Blütezeit der Videotheken ist lange vorbei. Als ich die
Videothek 2008 übernommen habe, hatten wir schon lange keine
Videokassetten mehr, nur noch DVDs und BluRays. Richtig gut ging es
dem Markt vor 15, 20 Jahren. Seitdem hat sich viel verändert.“
Veränderungen getrotzt haben hingegen die Räumlichkeiten in der
Königswinterer Straße. Auf den etwa 150 Quadratmetern finden
Filmfreunde rund 5.000 Titel. „Was läuft sind die aktuellen
Blockbuster, da fragen die Leute nach. Außerdem natürlich die
Klassiker der einzelnen Genres sowie Arthouse-Titel.“ Der Aufbau der
Videothek hat sich in all den Jahren nicht verändert, seitdem Heimann
die Videothek vor neun Jahren übernommen hat. Gegründet hat sie 1986
Ferdinand Wagner, damals noch unter dem Namen „Isle of Video“.
„Die Regale sind so gut, dass wir die nie ersetzen mussten. Heute
fällt dem ein oder anderen auf, dass sie jedoch ein paar Zentimeter
tiefer sind als sie es für DVDs und BluRays sein müssten.
Schließlich waren die VHS-Bänder einfach größer.“
Die Gründe, warum es auch seiner Videothek zunehmend schlechter geht,
sieht Heimann bei verschiedenen Dingen. Neue technische Möglichkeiten
wie Video on Demand, oftmals einfach als Streaming bezeichnet, würden
viel ausmachen. „Die Studios haben viel Geld in ihre
Streaming-Portale gesteckt. Gleichzeitig haben uns die Studios die
Preise für die Leihfilme um ein vielfaches erhöht. Das setzt einem
zu.“ Dabei seien Streaming-Dienste vergleichsweise teuer. „Bei den
großen Anbietern zahlen Sie schnell 5 Euro für einen Film, den man
bei uns über das Wochenende für 3,60 Euro leihen kann. Aber
natürlich ist es bequemer vom Sofa aus den Film auszusuchen statt
dafür aus dem Haus zu gehen.“
Dass sich das trotzdem lohnen kann, schätzen Heimanns Stammkunden.
„Die Leute wissen die Beratung zu schätzen und freuen sich, wenn
man ihnen tolle Filme vorschlagen kann, von denen sie vielleicht noch
nie etwas gehört haben. Denn auf einen Trailer ist längst nicht
immer Verlass. Manchmal verrät er nur die besten Szenen.“
Ein weiteres Argument für den Gang in die Videothek ist die bessere
Bild- und Tonqualität. Auf eine BluRay passen 46 Gigabyte Daten, ein
Stream überträgt nur einen Bruchteil dieser Datenmenge. Das sieht
und hört man, wenn man den Film nicht gerade auf dem kleinen
Handydisplay, sondern einem guten Fernseher schaut.
Ein weiterer Grund für den Niedergang der Videotheken seien illegale
Streams. Dabei ist das Problem der Illegalität kein neues. „Früher
haben die Leute versucht das Band mit einem zweiten Videorekorder zu
kopieren. Wer ganz dreist war, schraubte die geliehene Kassette auf,
entnahm das eigentliche Band und tauschte es gegen das aus einer
Leerkassette aus. Der nächste Kunde war dann natürlich zu Recht
sauer.“ Doch auch hier dauerte es nicht lange, bis die Filmstudios
nachbesserten. „Dann kamen Kassetten mit einem Siegel. Hatte man
diese geöffnet, fiel es in der Videothek direkt auf.“
Bei den silbernen Scheiben, die heute die Filme transportieren, gibt
es andere Dinge zu beachten. „DVDs verkratzen relativ schnell,
BluRays haben eine härtere Beschichtung. So oder so: Wenn eine
Scheibe Gebrauchsspuren hat, können wir die mit unserer
Poliermaschine wieder wegbekommen. Die Disc läuft danach wie neu.
Über diesen Service freuen sich auch viele Kunden, die mit ihren
eigenen Discs zu uns kommen.“
Wie belebt es in Heimanns Videothek früher zugegangen sein muss,
belegen die 18.000 registrierten Kunden. Auf die Frage, wie man auf
die Idee kommt, eine Videothek zu übernehmen, antwortet Heimann, der
früher als Verkaufsleiter bei Schlecker gearbeitet hat: „Ich war
einfach immer gern im Kino und die Arbeit mit Filmen macht mir Spaß.
Daher war das hier für mich auch immer mehr als nur Arbeit.“
#Infobox
Ähnlich sieht es Michael Siedeck, der seit fast 17 Jahren Mitarbeiter
in der Videothek ist. „Ich gehöre hier quasi zum Inventar“
erklärt er lachend. Weniger zum Lachen ist ihm, wenn er an die
baldige Schließung auch "seiner" Videothek denken muss. "Wenn ich
hier vorbeikomme, stimmt mich das schon ein wenig traurig." Beide sind
sich sicher, dass es nicht mehr lange dauert, bis es keine Videotheken
mehr in Deutschland gibt. „In drei oder vier Jahren macht auch die
letzte zu“, glaubt Heimann. Siedeck ergänzt: „Wenn es überhaupt
so lange dauert.“
- Michael Thelen
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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