Übung für Retter
Wenn Sekunden entscheiden
Beuel - Es ist die 30. Einsatzübung für die Feuerwehren in Bonn und
Umgebung, zugleich der 30. Kurs für angehende Notärzte: Andreas
Bartsch und Ulrich Heister leiten die Fortbildung für 50 angehende
Notärzte in der Feuerwache Maarstraße im Beueler
Feuerwehr-Ausbildungszentrum. Brandrat Albert Lehmann koordiniert den
dazugehörenden Einsatz der Feuerwehr. Bei dieser praktischen Übung
wollen die Ärzte wissen, wie die Feuerwehr im Ernstfall arbeitet.
Damit die Ärzte im Fall der Fälle ihre eigenen Maßnahmen zur
Rettung von Unfallopfern darauf abstellen.
„Hier lernen die Nachwuchs-Notärzte, wie es ist, auf sich selbst
gestellt zu sein. Dazu müssen sie auch wissen, wie die Feuerwehr
arbeitet. Deshalb sind Kurse wie dieser hier wichtig“, sagt
Kursleiter Bartsch, der gemeinsam mit Ulrich Heister im Auftrag der
Ärztekammer Nordrhein hier ist. Ein solcher Kurs ist obligatorisch,
wenn ein bereits im klinischen Betrieb erfahrener Arzt als Notarzt
eingesetzt werden will.
Eine Menge von Übungen waren an diesem Tag zu erfüllen: Von der
Rettung Verletzter aus einem brennenden Turm über Funkenflug bis zur
Rettung Verletzter aus einem Unfallauto: Nach einer Woche der Theorie
freuten sich die angehenden Notärzte über die praktische Vertiefung
ihres theoretischen Wissens: „Ich lerne so, mit der Angst umzugehen.
Routine zu entwickeln“, sagt Isabelle Osberghaus. „Als Notärztin
muss ich sofort die richtigen eigenen Entscheidungen treffen. Ich kann
niemanden fragen, wenn ich an den Unfallort gerufen werde“, meint
Marie-Helen Schwane.
Ein Thema, das die Retter mehr und mehr beschäftigt: Feuerwehr und
Notärzte sind bei ihren Einsätzen zunehmend Behinderungen
ausgesetzt. Brandrat Albert Lehmann berichtet: „Bei einem Unfall auf
der Autobahn ist die Rettungsgasse für uns als Feuerwehr und auch
für die Rettungsfahrzeuge unabdingbar notwendig. Leider gibt es sie
nicht immer. Manche Autofahrer bleiben einfach stehen, wo sie gerade
stehen und machen keinen Platz. Davon aber können Menschenleben
abhängen. Wir, die Feuerwehr und die Rettungsfahrzeuge, müssen
sofort und unverzüglich zu den Unfallopfern, um effizient helfen zu
können.“ Weiterhin beobachtet die Feuerwehr, dass, wenn schon eine
Rettungsgasse gebildet wird, einige gedankenlose Autofahrer trotzdem
eben in diese Gasse einfahren, um ein paar Meter für sich selbst zu
gewinnen. Sie gefährden damit rücksichtslos das Leben ihrer
Mitmenschen, weil sie dann den Weg für die Rettungsfahrzeuge
versperren.
Endlich am Unfallort angekommen, stehen die Retter oft vor neuen
Problemen: „Es gibt sehr viele Gaffer, die die Unfälle aus
Sensationsgier per Handy aufnehmen und anschließend ins Internet
stellen. Da sieht man dann blutende Opfer, Erbrochenes und Bilder von
Unfallopfern, die kein Mensch zu sehen braucht. Wir haben jetzt Planen
zum Sichtschutz für die Opfer dabei. Denn ein Nebeneffekt der
Filmerei: Wir haben zusätzlich zum Stau auf der Unfall- noch einen
weiteren Gafferstau auf der gegenüberliegenden Straßenseite.“
Immer häufiger wird auch die Aggression gegenüber Hilfskräften.
„Das geht von Beleidigungen bis hin zur körperlichen Gewalt.“ so
Albert Lehmann. Die Ursachen für solch unglaubliches Verhalten sieht
er in der zunehmenden Vereinzelung der Gesellschaft. „Es gibt diesen
Gemeinsinn nicht mehr. Vielleicht deshalb, weil es den Leuten
insgesamt zu gut geht. Da denkt jeder nur an sich. Dabei kann sich
doch jeder vernünftige Mensch sagen, dass man sich nur gegenseitig
helfen kann, wenn man zusammensteht und nicht für sich allein
lebt.“ Einen Lösungsansatz der teils massiven Behinderungen sieht
er darin, dass Übeltäter härter bestraft werden. Das ist neuen
gesetzlichen Regelungen zufolge möglich.
- Harald Weller
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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