Kippenbergers Kunst
Ausstellung bis 16. Februar
Bonn - (rth) Sie ist schreiend bunt, sieht man einmal von seinem
„Erstling „Uno die voi, un tedesco in Firenze“ aus den Jahren
1976/1977 ab. Sie ist in aller Regel groß, plakativ, aufdringlich,
und es nimmt auch nicht Wunder, das bereits 1981 mit „Lieber Maler,
male mir“ eine Serie großformatiger Bilder entsteht, an denen
Kippenberger nur als Ideengeber beteiligt ist, insofern er Ideen
lieferte, die er von einem Plakatmaler ausführen ließ.
Auch das bezeichnend für seine Arbeitsweise, in der er die
Urheberschaft eines Werkes absolut in den Hintergrund stellt, als
sekundär wenn nicht gar als tertiär sieht und somit ein Zeichen
gegen den „Geniegedanken“ setzt.
Geht man durch die Ausstellung, fühlt man sich in eine Zeit versetzt,
die man im Begriff war zu vergessen. Eine Zeit, die Vieles
hervorgebracht hat, neue Sichtweisen eröffnete, grundlegende Begriffe
in Kunst, Malerei, Literatur veränderte und eine vollkommen neue
Sicht auf die Lebenswirklichkeit im umfassenden Sinne hervorbrachte.
Allerdings bleibt auch zu konstatieren, dass durch die auch aus dieser
Zeit entspringenden Ökonomisierung fast allen menschlichen Handelns,
die sich bis heute immer stärker durchsetzt, viele dieser
Errungenschaften vergessen werden und die Auseinandersetzung mit der
Frage nach der Sinnhaftigkeit des Lebens reduziert wird auf den
Begriff des Nutzens, des ökonomischen Erfolgs.
Und so streifen wir denn durch die einzelnen Räume, setzen uns den in
aller Regel großformatigen Werken aus, die sicher nicht ins heimische
Wohnzimmer passen, orientieren uns an der genialen Zeitreise, die von
der Bundeskunsthalle zur Verfügung gestellt wird, versuchen Ort, Zeit
und Werk zu verstehen und mit der eigenen Empfindung, die doch immer
wieder in den Vordergrund rückt, in Verbindung zu bringen. Lassen uns
von der übersprühenden Genialität der ihm eigenen Selbstvermarktung
gefangen nehmen, spüren dem Zeitgeist, der sich in den Werken
Kippenbergers ja zeigen müsste, nach und stellen fest, dass wir, die
wir damals schon die geistige Wende von der Adenauerzeit hin zu dem,
was nicht genau gedacht war, was im nebulösen einer sich allgemein
langsam entwickelnden Zukunft, in der sich das Wagnis der Demokratie
entfalten sollte, abspielte und dann in Gewalt und
menschenverachtenden Aktionen entlud, das wir, die wir das miterlebt
haben, Zeuge einer entscheidenden Phase der BRD waren, einer
Zeitenwende.
Davon ist bei Kippenberger allerdings wenig zu finden. Er, der so
umtriebig im künstlerischen Umfeld tätig war, er, der sich in seinem
Werk so umfangreich und mit einem Arbeitseifer auf vieles stürzte,
gerade bei ihm ist davon nichts oder so gut wie nichts zu finden. In
der Musik setzten Frank Zappa und Jerry Garcia, Karl-Heinz Stockhausen
und Holger Czuckai, neben der ganzen sogenannten Beat-Generation neue
Maßstäbe. In der Literatur brachen Rolf Dieter Brinkmann, Ralf
Rainer Rygulla, Wolf Wondratscheck, Ror Wolf und weitere radikal mit
der Nachkriegsliteratur eines Böll und Grass, beide immerhin
Nobelpreisträger, und versuchten sich, allenthalben erfolglos, sieht
man einmal von Peter Handke ab, neben der traditionell
weitergeführten FAZ-Literatur im Sinne eines Reich-Ranicki zu
positionieren.
Bei Kippenberger nichts davon, und dennoch zeigt sein Werk in der
Nachschau viel von dem Lebensgefühl, dass damals in die Literatur,
Musik und, mit einiger Verspätung, eben auch in die bildende Kunst
eingeflossen ist und hier ihren Ausdruck fand. Und gerade deswegen
lohnt sich ein Besuch der Ausstellung, denn hier findet man eine im
Grunde genommen einsame, vielleicht aber die originäre, auf
jedenfalls originelle Position der Kunstszene, die Position eines
immer etwas zu spät Gekommenen dafür aber um so genialeren
Selbstvermarkters.
Die Jüngeren, die diese Zeit nicht selbst mit erlebt haben, werden
mit Sicherheit einen ganz anderen Zugang zu Kippenberger finden,
sollten ihn zumindest finden, und sich auf die einzelnen Aspekte
seines Lebens und Werkes, die scheinbar untrennbar mit einander
verwoben sind, einlassen. Es lohnt sich, bei aller Plakativität, bei
aller Verkürzung und auch bei aller Buntheit, die ihren Ursprung mit
Sicherheit nicht in den psychedelischen Tapetenmustern der späten
60er und 70er Jahre hat.
#article
#article
#article
Und noch was zum Schluss: Es gibt kaum einen Künstler, bei dem man
soviel Humor findet wie bei Kippenberger. So zum Beispiel die
„Familie Hunger“, dargestellt natürlich durch überlebensgroße
Skulpturen mit einem „Loch im Bauch“, und noch viel mehr, wenn
Kippenberger sich mit sich selbst beschäftigt. Das tut er zwar fast
immer, aber ganz besonders in seinen Werken „Ab in die Ecke, …“,
und auf einmal findet man Kippenberger als einen „Kippen berger“.
Würde ich noch rauchen, würde ich mir da erst mal eine anstecken und
nochmal, mit dem Segen von „Fritz the frog“ über dem Eingang zur
Ausstellung, einen zweiten Rundgang wagen und sehen, ob er,
Kippenberger, bei seinen Adaptionen von Gericauls „Floß der
Medusa“ auch Brandungswellen dargestellt hat, obwohl das Floß sich
mitten auf dem Meer befand. Aber nein, Kippenberger war schlau, er
ließ die Wellen weg und stellte sich selbst dafür in den
Mittelpunkt. Klar doch, oder?
#article
#article
#article
Infos:
Ausstellung „Martin Kippenberger“, zu sehen bis 16. Februar,
Bundeskunsthalle, Museumsmeile Bonn, Helmut-Kohl-Allee 4.
Öffnungszeiten: mo geschlossen, di und mi 10-21 Uhr, do bis so (auch
feiertags) 10-19 Uhr, Info:
www.bundeskunsthalle.de
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.