Perspektiven für Geflüchtete
Der Motor zur Selbsthilfe
Bonn-Tannenbusch - Der Verein ‚Help‘, vor 36 Jahren in Bonn gegründet, hier nach
wie vor beheimatet und in 22 Ländern auch international aktiv, hat
unter vielen anderen ein Projekt, das Firmen und Geflüchtete zusammen
bringt. Das erscheint schon auf den ersten Blick als eine
Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Die einen, also die
Unternehmen, suchen in Zeiten des ausufernden Fachkräftemangels
nachgerade händeringend Fachkräfte und Auszubildende. Die
Geflüchteten suchen ebenso händeringend einen Ausbildungsplatz
respektive eine Arbeitsstelle.
Deshalb waren von vornherein die Voraussetzungen blendend, als
‚Help‘ sein Netzwerk bestehend aus Unternehmen der Region und aus
Geflüchteten nutzte, um beide Seiten zusammenzubringen. Ein
Kooperationspartner war mit dem Haus Vielinbusch schnell gefunden.
Olga aus der Ukraine ist seit zwei Jahren in Deutschland. Sie sucht
„ein Leben“. „Ich will meine Zukunft finden und gestalten“,
sagt sie. „Dazu brauche ich einen Ausbildungsplatz.“ Beim
Speeddating im Haus Vielinbusch spricht sie mit der DAK. „Wir suchen
zum Beispiel Auszubildende zum Sozialversicherungsfachangestellten“,
sagen die Repräsentantinnen der DAK. „Sowohl für die unmittelbare
Kundenberatung am Telefon als auch im Back Office, wo die
Verwaltungsarbeit erledigt wird. Auch im Vertrieb setzen wir unseren
Nachwuchs ein. Oder bei der Gesundheitsberatung in Firmen. Das nennt
man „betriebliches Gesundheitsmanagement“ und soll die Mitarbeiter
gesund erhalten und für die Firmen nachhaltig den Gesundheitsstand
erhöhen. Also insgesamt ein sehr vielfältiges Arbeitsgebiet.“
Olga spricht eine Viertelstunde angeregt mit den beiden DAK-Damen,
nimmt Info-Blätter mit, macht sich selbst Notizen und vermittelt
einen recht zufriedenen Eindruck. “Ich hab‘ die Chance auf einen
Ausbildungsplatz im nächsten Jahr“, strahlt sie. „Jetzt muss ich
erst mal meine Bewerbung abschicken.“
Yves Hielscher unterhält mit seiner Familie 15 Fleischerfilialen in
der Region. Auch er sucht Fachkräfte und Auszubildende: „Das Bild
von einem Metzger ist auch heute noch verbunden mit dem Töten von
Tieren. Dabei habe ich selbst und auch sonst niemand, den ich kenne,
das gelernt und es ist auch nicht Teil des Berufs der Leute, die wir
suchen.“ Geschlachtet wird für die Hielschers in der Eifel oder im
Westerwald. Einen eigenen Schlachthof unterhalten sie nicht. Also
braucht es im Betrieb Leute für den Verkauf von Fleisch und Leute,
eben Feischereifachverkäufer, und solche, die das Fleisch
verarbeiten, also Metzger. „Wir bezahlen gut“, sagt er. Man muss,
um im Hause Hielscher verkaufen zu können, die Bereitschaft zum
Umgang mit rohem Fleisch mitbringen und Menschen mögen.“
Schließlich sollen unsere Leute bei den Kunden Vertrauen aufbauen.
Eben das Vertrauen, Fleisch aus der Region zu bekommen und erste
Qualität.“ Und siehe da, es kommt ein Mann vorbei, der mit einer
Bewerbungstrainerin erscheint und einen Job bei Hielschers will.
„Wir bieten sogar über die Bonner FOM-Hochschule ein duales Studium
an“, meint Yves Hielscher. „Die Leute sollen dort
betriebswirtschaftliche Kenntnisse erwerben und in unseren Betrieben
das Handwerkliche erlernen. Leider haben wir noch niemanden gefunden,
der diesen Ausbildungsgang mitgeht. Wir selbst wollen das
unbedingt.“
Nebenan beraten die Vertreter von Deutsche Post DHL einen jungen Mann
in Sachen „Paketzusteller“. Das heißt heute ‚Fachkraft für
Kurier-, Express- und Postdienstleistungen‘ und ist nach wie vor
„ein Beruf fürs ganze Leben“, wie Berater Kim Zenndorf betont.
Die Auszubildenden erhalten nach der Prüfung einen unbefristeten
Arbeitsvertrag. Warum man so dringend Kräfte sucht? „Offenbar ein
Imageproblem“. An der Bezahlung liege es jedenfalls nicht, sagen
Maike Heimann und Kim Zenndorf. Um in dem Beruf erfolgreich zu sein,
müsse man fleißig und zuverlässig sein. Aber das sei ein Beruf, der
eine hohe Eigenverantwortung mit sich bringe. „Man hat keinen Chef
vor der Nase, ist frei auf seiner Tour.“
Michele Pützkuhl vertritt die Handwerkskammer Köln und berät
Firmen. „Wir haben 130 Ausbildungsberufe“, sagt sie und spricht
mit einem jungen Mann, der seine Mutter dabei hat und nicht recht
weiß, wohin ihn sein beruflicher Weg führen soll. „Die jungen
Leute haben Super-Chancen, etwa im Elektronik-Handwerk. Sie müssen
natürlich Sprachkenntnisse haben und Mathe können.“ Die Firmen
kommen üblicherweise zu ihr und fragen nach bestimmten
Qualifikationen. Sie schaut in ihren Bewerberpool und vermittelt
entsprechende Kräfte.
Sechs Firmen machen von dem ‚Help‘-Angebot Gebrauch, in
Tannenbusch per Speeddating ihren Nachwuchs zu finden. Als wir den
Dating-Raum verlassen, haben sich noch einmal 20 junge Leute
eingefunden, die einen Ausbildungsplatz suchen. „Wenn ich einen
Ausbildungsplatz finde, darf ich in Deutschland bleiben“, sagt
einer. Ein zweiter nickt bestätigend.
Jasmin Noorasmai und Mohamed Ismaili haben für ‚Help‘ den Tag
organisiert. „Wir sind hier prima vernetzt, genießen das Vertrauen
der Menschen und auch der Firmen“, sagen sie. „Wir führen in 22
Projektländen im Wesentlichen nachhaltige Entwicklungshilfe zur
Selbsthilfe durch“, sagt Help-Geschäftsführerin Bianca
Kaltschmitt. „Das vor allem in Südost-Europa. So haben wir einem
jungen Mann die Möglichkeit geschaffen, eine Autowerkstatt im Kosovo
zu eröffnen. Der Staat dort und die Gemeinden helfen mit. Denn so
schafft der junge Mann in Zukunft dauerhafte Arbeitsplätze für die
Region.
„Hilfe zur Selbsthilfe“ lautet das Motto von ‚Help‘. Der
Verein sieht sich als Motor der Selbsthilfe. Kooperationspartner
„Haus Vielinbusch“ ist ein Bildungs- und Familienzentrum, getragen
von einem Zusammenschluss diverser Hilfsorganisationen. Das
Speeddating war ein voller Erfolg. Drücken wir die Daumen, dass die
Unternehmen die geeigneten Kräfte gefunden und die Bewerber
einschließlich Olga die für sie geeignete Arbeit. Damit sie ihr
Leben gestalten kann.
- Harald Weller
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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