Abschied von der Münster-Orgel
Die Königin geht
Bonn - Ein wenig trostlos sieht er schon aus, der Innenraum des Bonner
Münsters. Wo sonst die Choräle zum Lobe Gottes erklingen,
beherrschen jetzt Gerüste das Geschehen. So auch für die
Klais-Orgel. Die wird momentan zu großen Teilen abgebaut. Um behutsam
abtransportiert zu werden. Konserviert für den Wiedereinbau in
einigen Jahren.
Zum Abschied beweist Orgelbaumeister Dominik Haubrichs etwas
wehmütig, dass sie doch noch klingt, die Münster-Orgel. Er spielt
das, was er noch spielen kann. Von Jubilieren allerdings keine Spur.
Die sonst den Klang energisch schmetternden spanischen Trompeten
liegen verloren am Boden des Kirchenschiffs. Da klingt momentan nichts
mehr. Der Spieltisch bleibt. Weil er umfassend verkabelt ist. Die
Orgel funktioniert zwar wie jede andere Orgel mit Wind. Aber sie wird
elektrisch angetrieben.
Ja, überall nehmen die Klais-Leute Pfeifen heraus und platzieren sie
behutsam in dafür bereit gestellte Behältnisse. Vorsicht: Nicht ohne
OP-Handschuhe anfassen. Auf Zinn hinterlässt das unschöne Flecken.
Die nicht zu beseitigen sind.
Unten lagern Riesenpfeifen aus Kupfer, stehend an der Wand: „Hat man
damals so gebaut“, weiß der Orgelbaumeister. Die meisten Pfeifen
sind aber aus wechselnden Zinn-Legierungen oder aus Holz. Redwood und
Kiefer. Das Prospekt (die Verkleidung) ist aus Eiche. Mit
Verzierungen, die Alltagsszenen darstellen. Das gab viel Ärger, als
das Instrument 1961 neu war. Realistische Szenen, keine Allegorien,
das hatte Bildhauer Manfred Saul damals verwirklicht. Dazu die
Entstehung der Welt symbolisiert. Die realistischen Szenen mit etwa
einer Frau, die noch ihre Nabelschnur trägt, weil sie gerade erst
entbunden hat, waren nicht jedermanns Sache. Heute stehen sie dafür,
dass Kirche und die Orgel Bestandteil des menschlichen Lebens sind.
Dem großartigen Schnitzwerk in nichts nach steht der Klang. Wer
einmal gehört hat, wie Kantor Markus Karas die 69 Register mit den
5112 Pfeifen zum Klingen bringt, weiß, warum eine Orgel als
„Königin der Instrumente“ bezeichnet wird. Das ist kein Klang,
das ist ein Traum. So machtvoll wie feinsinnig, so fordernd wie
zärtlich, so fröhlich wie besinnlich, so exaltiert wie schüchtern.
Na ja, wer‘s kann, der kann‘s eben.
Ein 70. Register zu haben, ist übrigens der sehnliche Wunsch des
Fördervereins des Münsters. Um noch mehr Klangfülle in Form von
Emotion zu generieren. Spenden herzlich willkommen ...
Ein Teil der Orgel bleibt, wie er ist. Er wird allerdings aufwändig
verpackt. So wie die übrigen festen Teile des Münsters auch. In etwa
zwei Wochen werden die Bänke entfernt. Doch bleiben wir bei der
Orgel. Wolfgang Brettschneider, langjähriger Organist im Münster,
beobachtet aufmerksam, wie die Orgelbauer von Klais die Einzelteile
verpacken: „Wenn die Orgel Schaden nähme, würde ich in den Rhein
springen“.
Dominik Haubrichs und seine Truppe werden dafür sorgen, dass ihm das
erspart bleibt. „Wir werden etwa vier Wochen gebraucht haben, bis
wir die Orgel ausgebaut bzw. eingehaust haben.“ Dabei, eine
grauenhafte Vorstellung für den Laien, werden Riesenpfeifen aus Holz
auch schon mal - ja, tatsächlich - durchgesägt. „Das ist heute
gang und gäbe“, meinen die Spezialisten. Denn sie wissen
hoffentlich, was sie tun ... Kaputt vom Zahn der Zeit sei kein
einziges Teil beim Ausbau gewesen, wissen die Spezialisten.
Die Münster-Orgel wiegt mehr als 20 Tonnen. Die Pfeife mit dem
tiefsten Ton übrigens hat 16 Hertz. Wer das hört, ist kein Mensch.
- Harald Weller
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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