Galerie Clement
Die neue Sicht der Dinge
Bonn - Pünktlich zum herbstlichen Saisonstart der Bonner Kunstszene zeigt
noch bis zum 27. Oktober die Galerie Clement in der Lotharstraße die
Arbeiten von vier jungen Künstlern. Was da zu sehen ist, ist nicht
nur einfach in einem ästhetischen Sinne schön anzuschauen. Die Werke
sprühen vielmehr vor Ideen und Überzeugungen, die den Betrachter zum
Reflektieren, zum Nachdenken anregen, ja geradezu verpflichten.
Lilah Fowler, Alex Grein, Julius Brauckmann und Dennis Siering zeigen
ihre Sicht der Dinge. Subjektiv, mit ihren Augen, ihrer Kreativität
und ihrer Fantasie präsentieren sie Ausschnitte aus ihrer Weltsicht.
Ob sie damit die Frage beantworten, die die Galerie der Ausstellung
als Überschrift gegeben hat, nämlich, ob Kunst ein Medium der
Wahrheit ist oder nicht, sei mal dahin gestellt. Dieselbe Frage stellt
man sich schon seit Jahrhunderten, ohne sie beantworten zu können.
Das wird auch den Vieren, die bei Clement in opulenten
Raumverhältnissen ausstellen, nicht gelingen. Immerhin gelingt es
aber, nachvollziehbar zu gestalten, was sie interessiert. Und damit
kann man sich selbst auseinandersetzen.
Lilah Fowler aus London übersetzt digitale Codes in florale gewebte
Muster. Thema ist also die hier Teppich gewordene Digitalisierung. Und
was heißt Digitalisierung? Eine endlose Aneinanderreihung von Alltag
gewordenen Zahlenreihen. Es darf die Sinnfrage gestellt werden. Auch
eine Priorisierung ist nicht ohne Weiteres erkennbar. Klar, hier soll
Kritik an dem Platz greifenden Digitalisierungswahn geübt werden.
Wieso und warum, das bleibt dem einzelnen Betrachter überlassen. Eine
objektiv, also für immer gültige Wahrheit, ist dabei kaum zu finden.
Aber immerhin eine eigene Meinung. Und das, nämlich eine eigene
Meinung zu haben, ist in diesen Zeiten medial vorgefertigter und
kritiklos übernommener Kommentare schon etwas Besonderes.
Dennis Siering befasst sich mit der Frage, was wir alle aus und mit
der Erde machen. Dazu entnimmt er mittels Bohrkernen Materie aus dem
Erdboden und zeigt, wie sich diese verhält. Er abstrahiert das, was
er in der sogenannten Natur vorfindet. Und skizziert auf diese Weise
eine Art modularer Architektur. Das Klimagedächtnis, das zum
Klimawandel führt, ist hier Thema. Was wird aus der Welt, das ist die
große Frage. Zeit, das Schindluder zu beenden, den die Menschheit mit
ihren Ressourcen treibt? Interpretationen der Kunstwerke sind
individuell, eine einzige Zielrichtung gibt der Künstler nicht vor.
Alex Grein fotografiert. Dadurch, dass sie individuelle Perspektiven
fotografiert, öffnet sie den Blick fürs Besondere. Umgekehrt erkennt
man damit das Gewöhnliche, Konventionelle. Wenn sie beispielsweise
die gefaketen Aquädukte auf unseren Euro-Geldscheinen explizit
verdeutlicht, achtet man erstmals auf die Motive. Kein normaler Mensch
weiß ansonsten, was auf Geldscheinen dargestellt wird. Wenn man aus
der Ausstellung von Alex Grein geht, schon. Bewusstsein zu schaffen,
ist hier offenbar das Anliegen.
Julius Brauckmann schließlich thematisiert die Kunst selbst. Den
Betreib, der von etablierten Namen lebt. Das ist ja nicht nur im
Kunstbetrieb so. Als Anfänger hat man es überall schwer. Wer
allerdings so anfängt und seine Arbeit fortsetzt wie die vier
Künstler, die hier ausstellen, bei dem wird es wohl nicht mehr lange
dauern, bis er sich zu den Etablierten zählen darf. Wenn das
überhaupt ein erstrebenswertes Ziel sein sollte.
www.galerie-clement.de
- Harald Weller
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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