Synagoge
Ein Schatz kehrt zurück
Bonn (we). Ein Schatz ist zurück gekehrt ins Stadtarchiv. Dessen
Leiter Norbert Schloßmacher schätzt sich glücklich, dieses
„wertvolle Stück Stadtkulturgeschichte“ wieder in seinen Händen
zu halten. Bis zur vergangenen Woche galt die Bauakte der Synagoge an
Bonns Rheinufer an der Stelle des heutigen Hotels als verschollen.
„Wir dachten, die Akte sei in den Wirren des zweiten Weltkriegs
abhanden gekommen“, so Norbert Schlossmacher. Das galt als sicher.
Solange bis – ja, solange bis der Anruf kam. Ein Sohn des
verstorbenen Kunstschmieds Karl König, der seinerzeit die
Gedenktafeln in Form eines Reliefs an der Stelle der Synagoge
gefertigt hat, hat die Bauakte aus dem Jahre 1869 bei Aufräumarbeiten
im Nachlass seines Vaters gefunden. Der muss die Akte wohl ausgeliehen
haben, um eine Vorlage für seine Gedenktafel zu haben. Im
Zusammenhang mit einem Vortrag von Norbert Schloßmacher im Haus der
Bildung zum Thema Judenverfolgung in Bonn wurde Karl Königs Sohn auf
den Sachverhalt aufmerksam und gab die Akte ans Stadtarchiv zurück.
Der Bauakte zufolge stellten die jüdischen Bauherren am 12. Dezember
1876 gelegentlich eines Besuches bei der Stadtverwaltung den Antrag,
eine Synagoge zu bauen. Die Zeichnung hatten sie gleich mitgebracht.
Zu dieser Zeit waren die Juden in Bonn gleichberechtigt mit den
anderen Bürgern der Stadt. Sie waren angesehen und deshalb
selbstbewusst genug, insgesamt 5 Synagogen im Stadtgebiet zu bauen.
Eine davon an prominenter Stelle am Rheinufer. Bekanntlich wurden alle
Bonner Synagogen in der Reichspogromnacht am 10. November 1938 Opfer
der Flammen. Die Nationalsozialisten begannen so ihren Holocaust, dem
zahllose Juden zum Opfer fielen. Darüber allerdings findet sich
nichts in der Bauakte. Deren letzter Eintrag stammt von 1955. In den
Akten der übrigen vier in Bonn niedergelegten Synagogen finden sich
zynische Hinweise, nach denen die Juden noch dafür zahlen sollten,
dass ihre Gotteshäuser in Schutt und Asche gelegt worden waren. Und
der Platz anschließend wieder in Ordnung zu bringen war. 1942 begann
die Deportation der Bonner Juden in den Wald nahe Minsk. Dort, in
Malyjtrostenetz, fanden etwa 130 Bonner Juden ihren Tod. Sie wurden
ohne Federlesen im Wald erschossen, mit Kalk bedeckt und mit Erde
bedeckt. Nur, um später – als die Nazis ihre Untaten verdecken
wollten – von Zwangsarbeitern wieder ausgegraben und verbrannt zu
werden.
Die Bonner Juden waren in Endenich interniert. Im dortigen ehemaligen
Kloster waren ursprünglich 120 Nonnen untergebracht. Jetzt mussten
sich 500 Juden denselben Platz teilen. Ein Zeugnis der Stadtgeschichte
Bonns wird durch das Widerauftauchen der Bauakte lebendig. Die wird
nunmehr in Kopie der Gedenkstätte für die Bonner Opfer des
Nationalsozialismus als Zeugnis dienen. Als Zeugnis für die bewegte
und bewegende Geschichte Bonns.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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