Beethovenhaus
Flaneure können Beethoven neu erleben
Bonn - (we) Der für Besucher wohl wichtigste Schritt ist getan: Das
Beethovenhaus ist wieder geöffnet. Ab sofort ist die völlig neu
gestaltete Dauerausstellung als Hauptattraktion des Hauses für
Besucher täglich zugänglich. Und, das sei vorweggenommen: Der Besuch
lohnt sich. Gemeinsam mit Ausstellungsprofis und Innenarchitekten
entworfen, zeigt sich die Ausstellung von einer ganz neuen,
beeindruckenden Seite. Nichts, aber auch gar nichts ist übrig von der
doch ein wenig altbackenen und verstaubt wirkenden Inszenierung
vergangener Tage. Die neue Konzeption zeigt Beethoven so, wie er wohl
auch war: Mitten im Leben stehend, hochkreativ, aber eben auch als
Menschen mit Alltagsproblemen.
Auf diese neue Weise vermittelt die Ausstellung dem Besucher nicht nur
ein Bild von Beethoven. Nein, es ist in der Tat ein Beethoven zum
Mit-er-leben. Der Meister scheint in der Tat neben einem zu stehen und
dem Besucher über die Schulter zu gucken, während er, der Komponist,
aus seinem Leben erzählt. Das ist nicht nur gut, das ist einfach
klasse und wird alles in allem 3,5 Millionen Euro kosten.
Kein Heiligenschein, keine künstliche Überhöhung eines Genies, das
für Normalos eh unverständlich ist, keine Heldenverehrung. Beethoven
als Mensch wird erfahrbar. Das zu erreichen, ist mit allerlei
Gehirnschmalz gelungen: Zunächst rückt ein perfektes
Beleuchtungssystem die Ausstellungsgegenstände ins rechte Licht.
Weggefallen sind die Schwermut verbreitenden Farben zugunsten eines
ausgefuchsten Farb-Kontrastsystems. Die Gegenstände sind nicht mehr
chronologisch wie auf einer Perlenschnur aufgereiht: Sie sind in
Themengebieten geordnet. Es gibt keine umfänglichen komplexen
Text-Bleiwüsten. Es ist eine Zeige- und Erlebnisausstellung, kein
pädagogisch angelegter theoretischer Bildungskurs. Man glaubt
förmlich, Beethoven durch das Haus gehen zu hören.
Und man kommt auch dem Geheimnis der Kreativität Beethovens auf die
Spur: In dem ehemals als Geburtszimmer bezeichneten Raum ist eine
Spiegelwand zu sehen, die ein Beethoven-Wort zeigt, auflöst, in Musik
verwandelt und wieder zusammensetzt: Das symbolisiert, wie der
Komponist aus einem Gedanken eine Idee, einen Text und dann einen
Musikeinfall kreiert. Das muss man selbst erlebt haben, Worte allein
zur Beschreibung des Wirk-Effekts reichen da nicht aus.
Zu sehen sind jede Menge Alltagsgegenstände, die allesamt authentisch
sind. Die Handschriften sind ebenfalls - als Faksimile - vorhanden.
Aber was heißt schon eine Handschrift, wenn der Gänsekiel, das
Original-Schreibwerkzeug des Komponisten, quasi live zu sehen ist.
Oder auch der Spazierstock des Meisters. Oder die Standuhr, die er
täglich sah. Das führt nun wieder dazu, dass man meint, dem Meister
über die Schulter schauen zu können.
Regelrecht lebensnah vermittelt die Ausstellung, wie Beethoven gelebt
und wohl auch geliebt hat. Man kann seine Gefühle nachempfinden.
Etliche Räume hat die Kuratorin Nicole Kämpken mit ihrem Team
konzipiert. Und von den Ausstellungsprofis kongenial umsetzen lassen.
Seien Sie sicher: So nah sind Sie Beethoven noch nie gekommen. Man
kann sich problemlos vorstellen, wie der Komponist gelebt hat. Und
auch, wie er ausgesehen hat. In einem Raum hängen Porträts
einschließlich des berühmten idealisierten Bildes und eine Büste
von der Totenmaske abgenommen. Beethoven als junger Mann, Beethoven
als Arrivierter, Beethoven zum Ende des Lebens.
Bis zum Jahresende werkeln die Leute vom Beethoven-Haus weiter. Eine
Schatzkammer mit Original-Handschriften steht noch auf dem Programm,
ein Musikzimmer, ein Café, ein Shop. Am 16.12. soll alles fertig sein
und dann in eine neue Zeit gehen. Eins steht schon heute fest: So hat
Bonn seinen Beethoven noch nie gesehen. Original, so wie einen
lebendigen Mitmenschen. Das neuen Flaneur-Konzept verleiht dem Gast
neue Möglichkeiten. Es gibt keinen Anfang, kein Ende. Es ist immer
ein Mittendrin. Glauben Sie nicht? Gehen Sie einfach hin.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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