Gesprächsrunde in der Villa Hammerschmidt
Mehr als nur Nostalgie
Bonn - (we). In der Gesprächsrunde, zu der Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier in die Villa Hammerschmidt geladen hatte,
waren ausgewiesene Kenner der ehemaligen Bonner Polit-Szene gekommen:
Franz Müntefering, der SPD-Mann mit der „Klaren Kante“ beschrieb
die Atmosphäre im politischen Bonn unter dem Eindruck wesentlicher
Ereignisse. Prof. Rita Süßmuth, einst Bundestagspräsidentin und
zuvor Professorin an der Ruhr-Uni Bochum, brachte ihren Eindruck vom
Bonn vergangener Hauptststadtzeiten zu Gehör. Günter Bannas,
FAZ-Redakteur, damals in Bonn und heute in Berlin tätig, verglich die
Arbeit am Rhein und an der Spree. Peter Schneider schließlich,
Schriftsteller, 68er Ikone und früher im Team von Willy Brandt
unterwegs, beschrieb noch einmal aus seiner Sicht, wie es damals war.
Michaela Kolster von Phoenix moderierte.
Von der Bonner zur Berliner Republik – Erinnerungen und
Lehrstücke“ hatte Frank- Walter Steinmeier den Abend
überschrieben. In seiner Vorrede drückte er die Hoffnung aus, dass
das Gespräch nicht ausschließlich der Befriedigung von
Nostalgie-Gedanken dienen solle.
Günter Bannas erinnerte daran, dass Bonn wie später Berlin zunächst
umstritten war als Wahl der Bundeshauptstadt. Bonn habe gegenüber
Berlin den Vorteil der größeren Nähe gegenüber den Hauptorten
internationaler Politik. Seiner Überschaubarkeit wegen sei es keine
Konkurrenz zu den Weltstädten. Auch nicht gegenüber Berlin. Berlin
dagegen sei weiter weg vom Weltgeschehen. Das Leben in Bonn sei
„normaler“ gewesen als heute in Berlin. Als Beispiel nannte er die
klassischen Stallwächterpartys, die in Bonn 200, in Berlin aber 2000
Gäste zählten. Das journalistische Arbeiten sei härter geworden,
unpersönlicher.
Peter Schneider erinnerte an die 68er Bewegung. Er sei stolz darauf,
die damalige Zeit aktiv mitgestaltet zu haben. Der Mief der alten
Republik sei dadurch weggeblasen worden. Ob‘s schlussendlich etwas
verändert hätte, etwa gesellschaftlich: Hier setzte Peter Schneider
ein Fragezeichen.
Franz Müntefering erinnerte sich besonders gut an die Zeit des
Mauerfalls „Nie hätte ich gedacht, dass das friedlich abgeht“,
sagt er heute. Immerhin seien in der damaligen DDR Hunderttausende von
Soldaten stationiert gewesen.
Der Deutsche Herbst mit der Entführung von Hans Martin Schleyer kam
zur Sprache. Und der Umgang der Republik mit dem Terror.„Wir haben
eine friedliche Revolution ohne Gewalt erlebt“, meinte Rita
Süssmuth und erinnerte damit an den Mauerfall und seine Vorwehen.
Einen Vergleich der Werte in der alten Bonner und der neuen Berliner
Republik versuchte im Anschluss an die Runde Rolf-Dieter Krause, Gast
in Bonn und langjähriger Leiter des ARD-Studios Brüssel. Er kam zu
dem Schluss, dass Bonn ein anderes, wohl tieferes Verständnis von
Werten gehabt habe als heute Berlin. Hier werde eher nach rein
pragmatischen Gesichtspunkten entschieden.
Insgesamt wurde deutlich, dass es schwierig ist, aus der Geschichte zu
lernen. So wie jede Zeit ihre Höhepunkte und ihr Tiefen hat, so gibt
es immer wieder Orte, die zu ihrer Zeit politische Geschichte
schreiben.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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