Schutz vor sexuellem Missbrauch
„Mein Körper gehört mir“
„Mein Körper gehört mir“, ist eine ganz wichtige Kernaussage in
dem Konzept, das an der Erich-Kästner-Schule bereits im 7. Jahr
erfolgreich umgesetzt wird. In drei Phasen geht es um das Thema
sexuelle Belästigung. Durchgespielt werden Fallbeispiele, wie sie im
Alltag passieren können.
von Harald WellerKessenich. Heute sind sie in der
Erich-Kästner-Schule. Martine und Ben sind freiberuflich arbeitende
Schauspieler. Initiiert von der theaterpädagogischen werkstatt gGmbH
in Osnabrück fahren sie übers Land, um regelmäßig Kurse für Kids
abzuhalten. Darin geht es darum, den Kindern Mut zu machen, auf ihr
Körpergefühl zu hören. Und zu sagen, wenn ihnen was nicht passt.
Nicht passt, falls ein Erwachsener ihnen körperlich zu nahe kommt.
Entscheidend ist ihre eigenes Gefühl. Wenn es ihnen zu viel wird,
sollen und dürfen sie es laut sagen. Dann wird mit den Kids
besprochen, wie sie sich verhalten würden. Es folgen
Verhaltensvorschläge, die gemeinsam erarbeitet werden. Entscheidend
dabei: Die Lehrer und die Eltern sind involviert in das Programm.
„Zuerst machen wir einen Elternabend“, sagen Martine und Ben.
„Da sind die Lehrer dabei. Die Eltern wissen danach, was auf die
Kids zukommt. Das können sie nutzen, um selbst mit ihnen die
Lerninhalte nachzuarbeiten. Für die Lehrer gibt es eine umfangreiche
Arbeitsmappe, sodass sie im Unterricht die Dinge zur Sprache bringen
können.
Es gibt vieles zu bereden. Kindgerecht und so klar wie eindeutig wird
benannt, worum es geht. „Die Kids können schon gut abstrahieren“,
weiß Ben aus Erfahrung. Es wird nichts verbrämt. Deutlich wird
gesagt, wie der jüngere Bruder sich fühlt, wenn sein älterer Bruder
ihm an den Po fasst. Oder wenn ein Mann im Bus seinen Arm um das
Mädchen legt. Oder wenn ein freundlicher Herr einem Jungen einen
Tennisschläger schenkt und ihn körperlich in die Geheimnisse des
Tennisspielens einführen will. Oder, oder, oder.
Die gesamte Lernstrecke ist in drei Abschnitte eingeteilt, die
aufeinander aufbauen und deren Inhalte ineinander greifen. Cosima,
Georg und Ada nehmen heute an der dritten Reihe teil. Sie sagen, wie
sie die Reihe bisher erlebt haben. „Ich finde das sehr gut. Hier
lerne ich, nein zu sagen. Und das laut und deutlich. Mein Körper
gehört mir. Das weiß ich“, sagt Cosima. „Ich bin nicht
schuld“, weiß auch Ada. Das ist ein Lernziel: Sich selbst frei zu
machen von dem Gefühl, daran schuld zu sein, wenn jemand sexuell
etwas vom Kind will. Ein Fall beschäftigt sich denn auch mit einer
Internet-Bekanntschaft, aus der einseitig mehr werden soll. Dabei wird
den Kids häufig das Gefühl vermittelt, dass sie selbst schuld seien,
wenn sie per Internet-Kontakt zu sexuellen Handlungen aufgefordert
werden.
„Ich finde das richtig“, meint denn auch Georg. „Richtig, wenn
wir darüber sprechen. Ich weiß jetzt, dass ich nicht schuld bin.“
Falls es sich nicht richtig anfühlt, sagen die Kids nein. Und sie
lernen, wie sie im Fall der Fälle Hilfe erlangen können.
Habe ich ein Ja- oder ein Nein-Gefühl“ fragen sich die Kids als
erstes. „Weiß jemand, wo ich bin“, lautet die nächste Frage.
„Bekomme ich Hilfe, wenn ich Hilfe brauche“, so die dritte Frage.
Die gesamte Schulung verläuft adressatengerecht ohne erhobenen
Zeigefinger. Die Kids schämen sich nicht. Sie finden es nur wichtig,
über solche Dinge zu sprechen und Vorschläge für eigenes Verhalten
zu diskutieren. „Wir erleben, dass die Schulung nachhaltig wirkt“,
so die Projektlehrerin Friederike Moerchel.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.