BENNEMANNs BLOG
"Achtung Rütschgefahr"
So, damit du dir nicht gar so passiv meine Zeilen reinziehst, damit die kleinen grauen Zellen überhaupt noch merken, dass sie nicht nur da sind, sondern auch gebraucht werden. Hier mal für dich ein Rätsel. Aber nicht fuddeln, kein Internet! Was hat der Fruhtrunk mit Aldi zu tun?
Und wo ich gerade wieder einmal bei meinem Lieblingsdiscounter bin (wobei, eigentlich sind es ja mittlerweile zwei Lieblingsdiscounter). Neulich war ich doch kurz davor, mich mal so was von mit, der Einkaufswagen schon randvoll, also quasi Totalausverkauf für dieses Produkt, als ich Gott sei Dank in allerletzter Minute feststellte. Ich stell mir nur vor, ich hätte das meinen Schulern ausgeteilt. Da wurde ich jetzt nicht so gemutlich in meinen vier Wänden sitzen. Womöglich wäre ich sogar eingefahren, säße ein. Auf jeden Fall hätten sie mich sofort aus dem Verkehr gezogen. Aber es hatte sich im Werbeblättchen folgendermaßen gelesen: Motivationssnacks – Soft-Happen, Soft-Herzen. Okay, ich gebe zu, bei Soft-Knöchelchen hätte ich fruher drauf kommen können. Egal, ist ja noch mal gut gegangen. Ich hatte halt übersehen, dass es auf der ganzen Seite des Werbeblättchens nur um Produkte für Hunde ging.
Eigentlich wollte ich aber uber etwas ganz anderes sprechen: Uber Kunst. Weil, das liegt mir schon lange am Herzen. Fur wen, fur wie viel Prozent der Menschheit sind denn bitteschön folgende Worte? „Ihre großformatigen, ungemein kraftvollen Gemälde unterlaufen die konventionellen Beziehungen von Vorder- und Hintergrund, Oberfläche und Untergrund, Bildfläche und Bildrand und eröffnen neue Vorstellungswelten innerhalb und außerhalb des Kunstwerks. In einem ergebnisoffenen, schöpferischen Prozess, in dem die Malerei performative Züge annimmt, überdenkt sie grundlegende Fragen, die die Geschichte der Malerei lange Zeit definiert haben.“ Und dann hältst du die Einladung eines Museums zur Eröffnung einer Ausstellung in der Hand und siehst, dass vier Redner zu Wort kommen werden. Und wenn du Pech hast, kommt einer von denen auf die Idee, sich jedes einzelne Kunstwerk vorzunehmen.
Da lob ich mir doch mal eine Vernissage in der Endenicher Burg, bei der ich neulich war. Ich hatte nichts anderes zu tun, Wetter super. Heißt, ich konnte ohne Ganzkörperkondom mit dem Rädchen fahren. Und ich hatte mich tatsächlich auf einen Vortrag einer Kunsthistorikerin eingestellt, die sich in aller Ruhe jedes Kunstwerk vorknupft. Deshalb hatte ich schon mal im Ausstellungsraum vorab selbstständig Hand an eine ungeöffnete Sektflasche gelegt, will sagen geöffnet. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wie das ankam. Weil, das Gläschen Sekt musst du dir ja erst verdienen: Erst die Arbeit, dann das Vergnugen. Erst musst du die Rede über dich ergehen lassen, dann darfst du trinken. Ja, du hast naturlich Recht. Ich hätte zuhause schon mal leicht vorgluhen können. Nur leicht wegen Rädchenfahren. Und dann hätte ich, um dem Vortrag der Kunsthistorikerin gewachsen zu sein, bei Ankunft noch eben schnell ein Piccolöchen. Egal, die Zeit lief, Worte wurden gesprochen, als plötzlich, ich denk, ich seh nicht richtig, eine Putzfrau auftaucht. Also richtig mit Kittel (so was Hässliches, ich wusste gar nicht, dass es so was noch gibt), Staubtuch, Schrubber, das volle Programm. Die stellt diesen gelben Warnaufsteller „Achtung Rutschgefahr“ auf und fängt tatsächlich von hinten an, den Raum durchzufeudeln, während vorne gesprochen wird. Ich mir erst mal noch einen Sekt nachgeschenkt, die Flasche war ja schon entkorkt. Was soll ich dir sagen, ich hatte ja schon leicht einen hängen. Dachte kurzfristig, ich halluziniere. Die Putzfrau stellt das „Achtung Rutschgefahr“ um und erkennt plötzlich, dass sie quasi neben der Kunstlerin steht. Und sogleich fängt sie an, der Kunstlerin zu sagen, wie toll, wie herrlich sie deren Bilder und Figuren findet: „Sie glauben ja gar nicht, was unsereiner hier sonst so vorfindet. Fett in der Ecke, Dinge, wo du dich fragst, ist das Kunst oder der Feuerlöscher. Aber hier diese Figuren, so was von wunderbar. Und wo ich Sie gerade zu packen kriege, ich hätte da noch ein paar Fragen. Haben Sie kurz Zeit? Hier geht es eh noch nicht weiter.“ Und zu den Umherstehenden: „Noch ein bisschen müssen Sie sich gedulden. Safety first. Hier ist es noch nass.“ Und dann ging die Putzfrau in aller Ruhe mit ihren Fragen und der Kunstlerin durch die Ausstellung und es entwickelte sich quasi ein Kunstlerinnengespräch, dem alle ganz aufmerksam lauschten. Du ahnst es sicherlich schon. Die Putzfrau war nicht echt, der Boden nicht nass und die Kunstlerin war eingeweiht. Schau dir unbedingt das Video an – so was von witzig! Da siehst du, es geht auch mal anders: Vernissage mit der Putzfrau.
So, wie ist es jetzt? Hast du das Rätsel gelöst? Welches Rätsel? Hallo: Was hat der Fruhtrunk mit Aldi zu tun? Also erst einmal. Es heißt tatsächlich Fruhtrunk und nicht Frühtrunk. Ich hab mir den Spaß draus gemacht und alle Üs als Us geschrieben. Ich fands witzig. Ich komm deshalb drauf, weil es ja heute um Kunst geht. Und der Günter, der Günter Fruhtrunk ist ein Künstler, genauer gesagt ein Maler und Graphiker. Und der hat Folgendes abgesondert: „Zur Genüge ist ja bekannt, dass meine Intentionen, meine Augen etwas von der Schärfe der Konturen brachten, die bequemerweise aber fälschlich als Geometrie bezeichnet worden sind; die durch die Schärfe entstehenden Grenzirritationen und Schwingungen. In Wirklichkeit schlägt dies ja geradezu Geometrie mit einem Teil ihrer formalen Bedingungen auf ihrem eigenen Feld …“ Der Hammer, oder? Ach so, das Rätsel. In dem Leporello über Günter ist Folgendes zu lesen: 1970 entstand auch das ikonische blau-weiße Diagonalmuster der Aldi Nord Plastiktüte, das Fruhtrunk als Auftragsarbeit für den Aldikonzern entwarf.
Hast du dir vorher noch nie Gedanken drüber gemacht, stimmt’s? Jetzt weißt du es. Und wenn du mich in Düsseldorf auf der Kö mit einer Aldi-Plastiktasche flanieren siehst, dann weißt du, dass das so soll. Bleibt noch die Frage, vor welcher Kunst ich da oben auf dem Foto posiere. Zur Zeit gilt das noch nicht als Kunst, kann aber ja noch werden. Das ist der Absperrzaun am Akademischen Kunstmuseum im Hofgarten.
LeserReporter/in:Adelheid Bennemann aus Bonn |
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