Vermehrung seltener Apfelsorte
„Adams Parmäne“ ist gefährdet
Bonn /Region (red). „Ein Apfel am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen“ ist nicht nur ein Sprichwort, sondern auch eine ärztliche Empfehlung. Denn: Äpfel sind gesund und lecker. Ein ganz besonderes Exemplar ist die Sorte „Adams Parmäne“, die sich aktuell auf der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen in Deutschland befindet. Die Lehr- und Forschungsstation Wiesengut der Universität Bonn arbeitet mit Pomologin Barbara Bouillon von der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis zusammen, um diese besondere Apfelsorte zu erhalten. Sie zeigt, wie das funktionieren kann und warum das gerade jetzt so wichtig ist.
Die Apfelsorte „Adams Parmäne“ wurde in der Grafschaft Norfolk in England durch einen Mr. Adams Anfang des 19. Jahrhunderts gezüchtet und hat sich später dann in Deutschland verbreitet. Sie gehört zu den Winteräpfeln, weil ihre Früchte Anfang Oktober reifen, ab Dezember genussreif sind und sich bis März halten. Die leicht kegelförmige, grüngelb-rote Sorte ist mit ihrem aromatisch süß-säuerlichen Geschmack ein guter Tafelapfel. Die Sorte ist stark gefährdet und steht daher auf der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen in Deutschland. Diese Liste umfasst alle einheimischen Nutzpflanzen und deren Sorten und Varietäten, die in Deutschland an lokale Bedingungen angepasst und von Bedeutung waren. Heutzutage ist die Adams Parmäne deutschlandweit in fast keinem Baumschulsortiment mehr zu finden und wird daher auch so gut wie nicht mehr nachgepflanzt.
Die Adams Parmäne ist nur eines von zahlreichen Beispielen für den Verlust genetischer Vielfalt auf der Erde. Dabei geht es nicht nur um das Aussterben wildlebender Tier- und Pflanzenarten oder den Verlust ganzer Lebensräume, sondern auch um die genetische Verarmung der Nutzpflanzen, die den Menschen zur Verfügung stehen. Bisher gibt es im gesamten Rhein-Sieg-Kreis nur einen eingetragenen Baum der Sorte Adams Parmäne. Dieser steht am „Campus Wiesengut“, einer Lehr- und Forschungsstation für Organischen Landbau der Universität Bonn. „In Anbetracht immer extremerer Klimaveränderungen können wir heute noch nicht mit Gewissheit sagen, auf welche genetischen Ressourcen die Menschheit in 20, 50 oder 100 Jahren angewiesen sein wird. Der Erhalt von Nutztier- und Nutzpflanzenvielfalt in ihrem natürlichen Lebensraum spielt daher eine sehr wesentliche Rolle“, sagt der wissenschaftliche Koordinator des Campus Wiesengut, Dr. Martin Berg.
Kooperation über Jahre hinweg
Der Campus Wiesengut und die Abteilung Agrarökologie & Organischer Landbau arbeiten schon seit vielen Jahren intensiv mit der Biologischen Station im Rhein Sieg zusammen, einer Einrichtung an der Schnittstelle von amtlichem und ehrenamtlichem Naturschutz im Rhein-Sieg-Kreis. „Die Adams Parmäne ist wie viele alte Apfelsorten sehr anspruchslos und robust, sodass sie auch noch in widrigen Lagen angebaut werden kann und sehr alt wird“, sagt Biologin Barbara Bouillon, stellvertretende Geschäftsführerin der Biologischen Station in Eitorf. Außerdem kann die Frucht auch noch bis in den Spätwinter gelagert werden.“ Allerdings habe die Apfelsorte ein Imageproblem: „Sie fällt leider nicht auf, und potentielle Esser greifen eher zu stärker rot gefärbten Äpfeln, die geschmacklich aber nicht unbedingt besser, meist wesentlich schlechter sind.“
Die Botanikerin und Pomologin kümmert sich in der Biostation bereits seit Jahren um den Erhalt alter, gefährdeter Obstsorten. Das Ziel der Zusammenarbeit ist es, die Populationen solcher hochbedrohten Pflanzenarten wie der Adams Parmäne zu stärken. Die Vermehrung bei Äpfeln funktioniert beispielsweise durch eine sogenannte „Veredelung“. Die einfachste Methode ist die Kopulation. Hierfür schneidet man von dem Apfelbaum einen gesunden, einjährigen Trieb ab und schneidet aus dem mittleren Bereich einen etwa bleistiftstarken sogenannten Edelreis. Das sollte mindestens fingerlang sein und vier Knospen besitzen. Als sogenannte Veredlungsunterlage dient ein möglichst gleichstarker Apfelsämling. Der Trieb wird dann auf den gesunden Sämling gepfropft. Er bildet nach dem erfolgreichen Anwachsen der Veredlung die Wurzel des neuen Obstbaums, während aus dem Edelreis Stamm und Krone entstehen. Wenn das Edelreis im Frühjahr austreibt, war die Veredelung erfolgreich.
Die jungen Adams-Parmäne-Bäumchen sollen auf den Streuobstwiesen der Biologischen Station in Lücken gepflanzt werden, die abgestorbene Bäume hinterlassen. Je älter ein Baum wird, desto interessanter wird er aus Sicht der Biodiversität, da zahlreiche Insekten, Vögel und viele andere Tierarten von dem Baum profitieren.
Künftig soll es noch eine engere Zusammenarbeit zwischen der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis, dem Wiesengut und der Abteilung Agrarökologie und Organischer Landbau der Universität Bonn geben. Diverse extrem seltene Arten aus dem Rhein-Sieg-Kreis, von denen am Naturstandort teilweise nur noch einzelne Exemplare der jeweiligen Populationen existieren, werden durch die Biostation am Wiesengut ausgesät und kultiviert, um sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder am Ursprungsstandort auszupflanzen.
Der Campus Wiesengut wurde der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn im Jahr 1985 zur Verfügung gestellt. Der Betrieb ist Mitglied in den Anbauverbänden „Naturland“ und „Bioland“.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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