Bierdeckel im Flug
Bonner Physiker analysieren Phänomen
Bonn - (red) Wer schon einmal daran gescheitert ist, einen Bierdeckel in
einen Hut zu werfen, sollte nun aufhorchen: Physiker der Universität
Bonn haben herausgefunden, warum diese Aufgabe so schwierig ist. Aus
ihrer Studie lässt sich aber auch schließen, wie man seine
Treffsicherheit und Reichweite deutlich erhöhen kann.
Physiker vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik und des
Argelander Instituts für Astronomie der Universität Bonn sind der
Frage nachgegangen, warum Bierdeckel so schlechte Flugeigenschaften
haben. Demnach ist das Verhalten des Deckels unausweichlich, zumindest
bei der üblichen Wurftechnik: Nach spätestens 0,45 Sekunden beginnt
er unweigerlich abzudriften. Spielkarten kommen schon nach 0,24
Sekunden auf die schiefe Bahn, CDs erst nach 0,8 Sekunden.
Grund ist das Zusammenspiel von Gravitation, Auftrieb und
Drehimpuls-Erhaltung: Einerseits kippt der Deckel durch die
Schwerkraft schon kurz nach dem Wurf etwas nach hinten. Er bekommt
also einen Anstellwinkel, ähnlich wie ein landendes Flugzeug. Diese
Neigung sorgt im Luftstrom für Auftrieb. „Allerdings greift die
Auftriebs-Kraft nicht im Zentrum des Deckels an, sondern im vorderen
Drittel“, erklärt Physikdoktorand Johann Ostmeyer, der die Idee zu
der Studie hatte.
Normalerweise würde sich die runde Pappe daher bald überschlagen.
Das tut sie auch tatsächlich – aber nur, wenn sie eher
unkonventionell geworfen wurde. „Meist wird ein Bierdeckel beim Wurf
in Drehung versetzt, ähnlich wie ein Frisbee“, sagt Ostmeyers
Kollege Christoph Schürmann vom Argelander-Institut für Astronomie
der Universität Bonn. „Er wird so zu einer Art Kreisel.“ Diese
Rotation stabilisiert den Flug und verhindert das Überschlagen.
Stattdessen führt die Auftriebskraft dazu, dass der Deckel zur Seite
abdriftet – nach rechts, wenn er linksherum rotiert; andernfalls
nach links.
Gleichzeitig richtet er sich auf – er liegt also nicht mehr parallel
zum Boden, sondern steht in der Luft, wie ein rotierendes Rad. In
dieser Position hat der Deckel einen Backspin – würde er
tatsächlich wie ein Rad auf dem Boden stehen, würde er also zum
Ausgangspunkt zurücklaufen. Im Flug verliert er nun schnell an Höhe
und fällt zu Boden. Dieser Ablauf ist für alle flachen, runden
Objekte charakteristisch.
Die Idee zu der Studie entstand bei einem Ausflug des
Physik-Show-Teams der Universität Bonn nach München. Die
Veranstaltung zieht mit ihren faszinierenden physikalischen
Experimenten regelmäßig mehrere hundert Besucherinnen und Besucher
in ihren Bann. Bei einem gemeinsamen Kneipenbesuch der Beteiligten kam
die Frage auf, warum sich fliegende Bierdeckel so verhalten, wie sie
es tun.
Nach ihrer Rückkehr gingen die Physiker diese Frage systematisch an:
Sie entwarfen eigens eine Bierdeckel-Wurfmaschine und zeichneten die
Flüge mit einer Hochgeschwindigkeits-Kamera auf. So konnten sie
kontrollieren, ob ihre theoretischen Vorhersagen mit den Beobachtungen
aus der Praxis übereinstimmten. „Einen Anwendungsbezug hat das
Projekt nicht“, erklärt Prof. Dr. Carsten Urbach vom
Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität
Bonn. „Allerdings ist das Problem für Laien und Physiker
gleichermaßen anschaulich. Und es bildet sehr schön den kompletten
Prozess ab, in dem die Naturwissenschaften Erkenntnisse gewinnen –
von der Beobachtung über die Theorie und ihre experimentelle
Überprüfung bis gegebenenfalls hin zu ihrer Anpassung und
Weiterentwicklung.“
Am stabilsten und damit weitesten fliegen Bierdeckel übrigens, wenn
sie sich sehr rasch drehen – ein Trick, den auch der wohl weltbeste
Spielkarten-Werfer Rick Smith Jr. beherrscht, dessen Rekord-Wurfweite
mehr als 60 Meter beträgt. Länger als 0,45 Sekunden bewegen sich
aber auch schnell rotierende Bierdeckel nicht geradeaus. „Wer
wirklich weit und genau werfen möchte, der sollte die Deckel direkt
senkrecht aufrichten und in Rückwärtsdrehung versetzen“, erklärt
Ostmeyer – und warnt im selben Atemzug vor möglichen Verletzungen.
Nicht umsonst findet sich am Ende der Publikation eine vorsorgliche
Abbitte: „Unsere ehrliche Entschuldigung gilt allen, die von einem
Bierdeckel getroffen wurden, sei es durch ungenaues Zielen oder
dadurch, dass andere durch uns zu albernen Experimenten angestiftet
wurden.“
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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