BENNEMANNs BLOG
Die Hoffnung stirbt durch's Nadelöhr

Was soll ich sagen? Ich hätte nicht gedacht, dass es mich noch mal so hart erwischt! Gut, damals, alles auf einmal: die Kinder aus dem Haus und die letzte Folge von "Desperate Housewives". Bis ich mich da wieder gefangen hatte. Wieder Spaß und Freude am Leben gefunden hatte. War das eine Durststrecke, als ich den Prosecco nicht genossen habe, sondern seiner dringend bedurfte. Das hat sich dann aber alles wieder eingerenkt. In dem Sinne, dass ich den Hugo wieder so was von genießen kann und auch mal einen Aperol dazwischen schiebe. Aber was rede ich? Kann, schiebe. Es muss heißen konnte, schob! Weil, dass ich diesen Tiefgang, ich dachte, ich sei gewappnet. Ich hatte jetzt ein Vierteljahr voller Emotionen, leidenschaftlichem Tiefgang, der schöne Tiefgang eben. Und da gehst du ja auch mit. Da bist du nicht unbeteiligt, so aus der Ferne, selbst wenn anderer Kontinent.

Das schaust du nicht eben mal wie "Tatort" am Sonntagabend. "Tatort", hallo, eine Leiche, in kleine Würfelchen gedübelt und in der Tiefkühltruhe zwischengelagert. Oder der Klassiker: einbetonieren. Apropos einbetonieren. Jedes Mal, wenn ich über das Autobahnkreuz Köln Ost und das Dreieck Heumar, die kleben ja so was von aneinander, fahre, frage ich mich immer wieder, wie viele Leichen da wohl nachts passgenau abgeliefert wurden, um für die Ewigkeit mit einbetoniert zu werden. Also wie viele Leichen da auf Nimmerwiedersehen endgelagert sind. Also "Tatort" oder "Polizeiruf 110", da hast du die eine Leiche mit abben Händen und die andere ohne Kopf und wieder eine andere ohne Füße. Gut, versteh mich richtig, das ist nicht schön, aber ja auch nicht das wahre Leben. Deshalb bewegt mich das nicht, deshalb gehe ich da nicht so mit. Da lass ich einfach das Wochenende ausklingen.

Wobei, stimmt so auch nicht ganz, das mit dem wahren Leben.. Weil, Stichwort True Crime Serien. Diese Serien, die so aufbereitet sind, dass du dir auf unterhaltsame Weise die harte Realität reinziehen kannst. Da lief ja jetzt diese True Crime Serie "Schwarzer Schatten - Serienmord im Krankenhaus". Über diesen Niels Högel , einen deutschen Serienmörder. Da heißt es über ihn bei Wikipedia: Er war von 1999 bis Mitte 2005 als Krankenpfleger in Krankenhäusern in Oldenburg und Delmenhorst tätig und beging dort im Dienst zahlreiche Morde an Patienten. Die Gesamtheit der aufgeklärten Fälle stellt die größte Mordserie in der bundesdeutschen Kriminalgeschichte dar. Insgesamt leiteten die Behörden in 332 Fällen Ermittlungsverfahren wegen Mordverdachts ein. Högel wurde wegen über 80 Morden verurteilt. Dazu kommen zahlreiche verurteilte Fälle gefährlicher Körperverletzungen.

Diese vierteilige Serie kannst du dir übrigens immer noch in der ARD-Mediathek anschauen. Leider ohne mich. Und da meine ich jetzt nicht, dass wir zwei Hübschen uns die nicht zusammen anschauen können. Nein, ich meine, hallo, darüber bin ich so was von stinksauer. Weil, ich hatte darin eine Rolle. Gut, eine kleine, aber immerhin. Ja, ob du's glaubst oder nicht, ich bin da so was von professionell gestorben - als Komparsin. Glaub mal nicht, dass es sich so leicht glaubwürdig daher stirbt am Set, inmitten von Kamerateam, Regisseurin, Kabelträger und dem ganzen Rattenschwanz. Meine Rolle war so was von anspruchsvoll: Einerseits lebe ich noch und blicke zuversichtlich, wenngleich nach der Operation noch recht geschwächt, meine Tochter an, die an meinem Bett auf der Intensivstation meine Hand hält. Und dann bin ich in der nächsten Szene tot und darf nicht blinzeln. Und dann schneiden die die ganzen Szenen mit mir am Ende einfach raus! Hallo! Was ich aber eigentlich sagen will, ja, alles ist Realität, aber ich habe mir ehrlicherweise die vier Folgen nur deshalb angeschaut, um mich zu sehen, in meiner exzellenten Leidens- und Sterberolle. Aber dass ich da jetzt in ein tiefes Loch gefallen wäre, nein.

Oder "Aktenzeichen XY … ungelöst", auch so ein Thema. Wenn du die Leute fragst, ganz gruselig, diese nachgestellten Schicksalstage, alles in Grau und immer dieselbe Stimme aus dem Off. Für mich aus der Erinnerung: sturmfreie Bude. Ob du es glaubst oder nicht, zu meiner Zeit hattest du nur einen Fernseher und der stand im Wohnzimmer. Da konntest du nur dann mal fernsehen, wenn deine Eltern freitagabends aushäusig waren. Und entweder lief dann "Der Kommissar" oder "Aktenzeichen XY … ungelöst". Beides in Schwarzweiß. (Witzig in dem Zusammenhang, obwohl das ZDF bereits 1967 das Farbfernsehen eingeführt hatte, wurde die Serie bis zuletzt in Schwarzweiß produziert.) Du verstehst, das rangierte bei mir, das war für mich dasselbe: sturmfreie Bude, irgendwie Krimi, irgendwie eine Leiche. Da hab ich mir beim besten Willen keine Gedanken darüber gemacht, ob da jetzt in echt gestorben wurde. Und dass ich da jetzt emotional mitgefiebert hätte, ob der Mörder oder die Mörderin gefunden wurde, kann ich mich nicht erinnern.

Vielleicht kannst du dir mein Vierteljahr voller Emotionen so vorstellen, wie wenn du ein Vierteljahr ununterbrochen deine Lieblingsfußballmannschaft am Start hast. Ich mein, das verstehst du doch als Sportschau-Gucker und Sofa-Trainer. Als Zuschauer mit der Flasche Bier in der Hand, wenn du dich aufregst, weil du es besser gemacht hättest. Da liegen die Nerven irgendwann mal komplett blank.

Bei mir ist es dann ja das Aperölchen . Und leider, was jetzt wohl hart war für mich, versetz dich da mal bitte in meine Lage, du Fußballfan! Was wirklich hart war, ich war ja nie wirklich live dabei. Weil, so viel Werbung auf einmal, wie die donnerstags dazwischen schieben, so viel Alkohol kann ich beim besten Willen nicht in mich reinkippen, dass ich das ertrage! Also habe ich erst freitagabends vor dem Fernseher gesessen und die Werbung vorgespult. Wie komm ich drauf? Ach so, die schlimme Zeit danach, die ich jetzt gerade durchmache. Quasi Suchtproblem, die Zeit nach GNTM! Damit du mal einen Eindruck kriegst von der Atmosphäre auf unserem Sofa. Mein Traummann schrie: "Da passt kein Blatt mehr in die Hutschnur!" und ich " in die Spannung rein!" Oder auch: "Die Hoffnung stirbt durch's Nadelöhr." Ich sag nur, alles nur Hilfsausdrücke.

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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