Die Sanduhr - auch mit ohne h !

Sie steht vor dem Schaufenster und denkt an die Sanduhr. Eines Tages war sie kaputt. Im wahrsten Sinne des Wortes lief nichts mehr, innen feucht geworden. Das war das letzte Mal, dass ich hier etwas gekauft habe, denkt sie. Sie brauchten die Sanduhr für ihr Lieblingsspiel. Stattdessen ein anderes Spiel spielen? Kam nicht in Frage!

Nach wie vor ist das ja mein Lieblingsspiel. Genau genommen ist es das einzige Spiel, was ich spiele. Ich komm deshalb drauf, weil wir neulich wieder Activity gespielt haben. Deshalb mein Lieblingsspiel, weil du null Allgemeinwissen haben musst. Im Gegensatz zu Trivial Pursuit. Hab ich gehasst wie die Pest. Deshalb mein Lieblingsspiel, weil ich mit zunehmendem Rotweinkonsum immer besser werde. Was meinen Traummann so was von fuchst. Und, ja, es ist von Vorteil, wenn man gut zeichnen kann - was aber nicht wirklich stimmt. Ich sag immer: "Du brauchst einfach gute Rater in deinem Team." Da fällt mir ein, ich habe vergessen, das Spiel zu erklären: Also, Activity ist ein Brettspiel, bei dem mindestens zwei Teams gegeneinander in Wettstreit treten. Durch das Erraten bestimmter Begriffe kommt man auf dem Spielfeld voran. Im Spiel müssen Begriffe, je nachdem auf welchem Feld man steht, innerhalb von 60 Sekunden – die Zeit wird mithilfe einer Sanduhr gemessen – mit Worten erklärt, pantomimisch dargestellt oder gemalt werden.

Was also von vorne herein feststeht: Mein Traummann und ich sind nicht im selben Team! Weil, hallo, wehe, wenn ich den Begriff seiner grandiosen Zeichnung nicht errate - möchte ich mir gar nicht ausmalen (!). Wo ich aber so was von Spaß habe ist, wenn mein Team meine Zeichnungen errät! Da fallen mir spontan zwei Beispiele ein: Kaum habe ich meinen Kuli angesetzt und begonnen, die Idee einer Schlangenlinie zu malen, da ruft auch schon mein Mitspieler "Elbsandsteingebirge" und errät damit den gesuchten Begriff. Ist das nicht genial? Oder: Ich male eine Art Kreis und zeige mit der Kulispitze auf den unteren Rand und mein Mitspieler sagt "Bodensee". Zwei Fliegen mit einer Klappe: Mein Team kommt weiter und - das verständnislose Gesicht meines Traummannes! Oder neulich, da bildeten meine Tochter und ich ein Team. Sie muss einen Begriff malen, ich selbigen raten. Sie malt in einer Sekunde eine Uhr, ich rate Uhr, sie malt in einer Sekunde zwei Bäume, ich sage Urwald - der Begriff lautet Urwald. Im selben Spiel, sie malt einen Fisch (ich vergaß, in einer Sekunde), ich rate Wal, sie malt zwei Zeilen mit mehren Punkten, darunter einen Strich und noch einmal Punkte, ich sage Ergebnis, Wahlergebnis. Der Begriff lautet Wahlergebnis. Fazit: Scheiß auf die Rechtschreibung!

Wie traurig, wie trostlos! Obwohl sie dieses Mal wegen der Schließung sogar größer ist.
Die Frau sieht ihr Spiegelbild in der Scheibe, das Gesicht einer Sechzigjährigen, die vor fast 40 Jahren hier die erste Puppe kaufte : für ihr erstes Kind, für ihre erste Tochter, eine Puppe mir langen, roten Haaren. An Heiligabend würde sie unter dem Weihnachtsbaum liegen und von da an Zora heißen.

Erst vor ein paar Tagen hatte sie in ihrem SCHAUFENSTER die Anzeige gelesen: In 146 Jahren passiert einiges - und doch ging es immer um das eine: Kinderaugen zum Strahlen zu bringen. Der Puppenkönig sagt DANKE für das Vertrauen seiner Kunden, die uns über all die Jahre die Treue gehalten haben. DANKE an seine Mitarbeiter, die all die Jahre mit viel Herzblut unsere Kunden, ob groß oder klein, mehr als nur beraten haben. Ein ganz besonderer DANK gilt den Kindern selbst, die über all die Generationen hinweg die Trendscouts und der Antrieb des Puppenkönig waren. Uns war alles daran gelegen, auch den Kindern der nächsten Generationen den Zauber der Besuche beim Puppenkönig, einem Haus voll mit Spielzeug, ermöglichen zu können, doch der Wille und die eingebrachte Kraft der ganzen Familie hat leider nicht gereicht, um einen Spielzeugladen in der Größe und mit dem bestehenden Anspruch in der heutigen Zeit wirtschaftlich tragbar weiterzuführen. Der Puppenkönig sagt DANKE und freut sich über jeden einzelnen, der uns in unseren letzten Tagen des Puppenkönig in Bonn nochmal besucht! Und daneben ein Foto, auf dem der Betrachter von innen durch das Schaufenster blickt, auf die vielen, vielen Menschen, die mit großen Augen die große Modelleisenbahn bestaunen.

Und jetzt steht sie vor dem Schaufenster und bestaunt die große Modelleisenbahn. Schon im August hat der David Kersch angefangen, die große Modelllandschaft aufzubauen. Jedes Jahr so früh, damit spätestens zum 1. Advent alles fertig ist. Wobei für den passionierten Modellbauer das Ende auch Ansichtssache bleibt: "Wirklich fertig ist ein Modell nie, man kann immer noch etwas verbessern." Es ist seine 94. Bahn.

Und wie ich da nachts so stehe, vor dem Schaufenster mit der Modelleisenbahn, die übrigen Fenster abgeklebt für das, was neu kommt, kommen mir die Tränen und ich denke an meinen letzten Besuch bei Puppenkönig - vor vielen, vielen Jahren, als ich die Sanduhr erwarb. Die Sanduhr bei Wikipedia: Eine Sanduhr (auch: Stundenglas) ist ein einfaches, etwa seit Anfang des 14. Jahrhunderts bekanntes Zeitmessgerät und gilt als Symbol der Vergänglichkeit. In künstlerischen Darstellungen mahnt die Sanduhr, dass das Leben nur kurz ist und dass der Mensch seine wie der Sand verrinnende Zeit sinnvoll nutzen sollte. Sie ist ein Symbol für die Vergänglichkeit alles Irdischen.

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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