„Elisabeth“: das konzertante Open Air-Ereignis aus Wien jetzt auch für Bonner (und andere) Wohnzimmer
Aus der zweiten Beethovenstadt neben Bonn kommt ein Schmankerl, das nicht nur ausgewiesenen Musical-Freunden gefallen dürfte: die konzertante Open Air-Aufführung des erfolgreichsten deutschsprachigen Musicals „Elisabeth“ auf Doopel-CD. Im Sommer 2019 fand mit den Open Air-Konzerten vor der historischen Kulisse des Schlosses Schönbrunn in Wien ein musikalisches Spektakel statt, das perfekt in diese Umgebung passt und ein Stück Musical-Musikgeschichte fortschreibt.
Das 1992 im Theater an der Wien uraufgeführte Musical aus den Federn von Michael Kunze (Libretto) und Sylvester Levay (Musik) behandelt des Leben der österreichischen Kaiserin auf besondere Weise, nämlich als Liebesgeschichte zwischen Elisabeth und dem Tod, der immer wieder in verführerischer Weise ins Leben der Kaiserin tritt. Dabei räumt das Stück, dessen Erzähler die Figur des Attentäters Luigi Lucheni ist, mit allzu zuckersüßen Sissi-Klischees auf und zeichnet eine detailliert recherchierte Vita der Kaiserin. Trotz seiner modernen Partitur vermittelt „Elisabeth“ den Zeitgeist einer vergangenen Ära, die manchmal gar nicht so weit entfernt scheint, betrachtet man heutzutage Skandale und politische Entwicklungen.
Die Doppel-CD umfasst insgesamt 41 Tracks mit einer Gesamtspielzeit von 122:75 Minuten, also mehr als zwei Stunden Hörgenuss (Trackliste s. Cover in der Fotogalerie).
Die Besetzung besteht aus Mitgliedern der ersten, der dritten und der Neubesetzung des Werkes, so dass hier wie in der gesamten Produktion die Leitlinie erkennbar ist, Altes und Neues zusammenzuführen. Am Rhein sind die Namen der führenden Rollen auch aus Produktionen des Theater Bonn bekannt: Da wäre zunächst die grandiose Pia Douwes, die die Rolle der Elisabeth in der Uraufführung kreiert hat. Sie bringt eine beeindruckende Leistung mit enormem Stimmumfang und interpretiert auf CD die Altersspanne ihrer Rolle von Anfang bis Ende überzeugend. In Bonn war Pia Douwes in einer weiteren Paraderolle, der Norma Desmond in „Sunset Boulevard“, 2017 zu erleben.
Als Tod ist Bonns Jesus („Jesus Christ Superstar“) Mark Seibert zu hören, als Luigi Lucheni David Jakobs, der Judas der Bonner „Jesus Christ Superstar“-Produktion aus dem Jahr 2013. Auch diese beiden Künstler dürften unter anderem aus dieser Produktion noch in guter Erinnerung sein. Auf der CD der konzertanten „Elisabeth“-Aufführung gibt Mark Seibert souverän und mit der nötigen Balance an Gefühl und Kälte den Tod als Liebhaber Elisabeths. David Jakobs genießt als Lucheni die größte künstlerische Freiheit alles Rollen und nutzt sie mit seinen eigenen Phrasierungen.
Hier ist die namhafte Besetzungsliste der Hauptrollen, die sich in den Ensemblerollen weiter fortsetzt:
- Elisabeth, Kaiserin von Österreich: Pia Douwes
- Der Tod, Elisabeths Liebhaber: Mark Seibert
- Luigi Lucheni, Elisabeths Mörder: David Jakobs
- Kaiser Franz Joseph, Elisabeths Mann: Viktor Gernot
- Erzherzogin Sophie, Elisabeths Schwiegermutter: Daniela Ziegler
- Erzherzog Rudolf, Elisabeths Sohn: Lukas Perman
- Rudolf, Elisabeths Sohn als Kind: Philipp Gruber-Hirschbrich
- Herzog Max in Bayern, Elisabeths Vater: Hans Neblung
- Herzogin Ludovika, Elisabeths Mutter/Frau Wolf: Patricia Nessy
Das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien kennt sich in der „Elisabeth“-Partitur aus wie in der eigenen Westentasche und setzt sie tadellos akzentuiert um. Musikalischer Leiter des Live-Events war Michael Römer.
Produziert wurde die CD, die am 5. und 6. Juli 2019 live im Ehrenhof des Schlosses Schönbrunn von Hristo Koroniadis aufgenommen wurde, durch Martin Böhm und Ludwig Coss for HitSquad Productions. Weitere Produktionsdaten: Recording Mobile: MG-Sound Mobile, Edit: Hristo Koroniadis, Mix: Martin „Atomic“ Böhm (MG-Sound Studios, Vienna), Assistant Mix: Nina Böhm sowie Mastering: Werner Weitschacher (MG-Sound Studios, Vienna).
Was das Produktionsteam geschaffen hat, könnte glatt eine Referenzaufnahme des Musicals „Elisabeth“ sein. Der Live-Atmosphäre (Applaus) merkt man die starke Bearbeitung bzw. Einarbeitung an; dem klaren Sound der Aufnahme kommt sie zugute. Etwas befremdlich wirkt der Applaus nach dem Stück „Hass“, nach dessen Aufführung zumindest in den ersten Jahren, in denen „Elisabeth“ auf dem Spielplan stand, wegen seines Inhalts oft Totenstille im Publikum herrschte. Der zweite Teil des Musicals erscheint musikalisch an manchen Stellen leicht aufgefrischt, der erste dagegen schon traditionell.
Wenn es an der Ausstattung etwas zu kritisieren gibt, dann die Handhabbarkeit der Doppel-CD. Mir erschienen die CDs dünner und flexibler als gewohnt; beim Herausnehmen aus dem Jewelcase – man musste vorsichtig die nötige Kraft aufwenden – hatte ich Sorge, dass die CDs zerbrechen.
Das reichhaltig farbig bebilderte Booklet zum Tonträger gibt einen guten Eindruck der mit hohem Aufwand in Szene gesetzten Live-Produktion (Regie: Gil Mehmert). Die Originalkostüme der Aufführung stammten von Yan Tax, das Lichtdesign von Michael Grundner, das Musical Staging von Simon Eichenberger – nur ein paar der Namen, die fast schon Garanten für eine ansprechende Show sind. Das namhafte Kreativteam und nicht zuletzt die Bühnenbesetzung machen Lust auf mehr. Wird es die konzertante „Elisabeth“-Produktion auch auf DVD/Blu-ray Disc geben?
Stellt man sich die Frage, ob eine weitere „Elisabeth“-Aufnahme notwendig ist, wird man nach dem Hören schnell zu einem Ergebnis kommen: Unterm Strich ist die CD eine sehr runde Sache, deren Musik (immer noch) unter die Haut geht. Songs wie „Ich gehör nur mir“ (Elisabeth), „Kitsch“ (Lucheni), oder „Die Schatten werden länger“ (Der Tod/Rudolf) sind bereits unsterblich. Die seit dem 4. Oktober 2019 vorliegende Einspielung stellt durchaus eine Bereicherung dar und ist für „Elisabeth“-Fans sicher ein Must-Have!
(dcbp, 16.10.2019)
LeserReporter/in:Damiana C. Bauer-Püschel aus Bonn |
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