„Sehr gut“ für die Lage der Wirtschaft in Bonn
Im Gespräch mit Stefan Hagen

Stefan Hagen, seit Februar 2017 Präsident der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg. | Foto: Harald Weller
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Bonn - Bonn (we). Stefan Hagen ist seit Februar Präsident der Industrie-
und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg (IHK). Die wirtschaftliche Lage in
Bonn und der Region beschreibt er als „sehr gut“.  Gleichwohl
beschäftigen ihn die Sockelarbeitslosigkeit in Bonn und die
unzureichende Flächen- und Verkehrssituation: „Ich nenne das den
zweiten Rutschbahneffekt“, so Stefan Hagen.

Damit meint der IHK-Präsident, dass sich einige namhafte Unternehmen
mit Bonner Ursprung wie Haribo, Frings oder früher am Alten
Schlachthof beheimatete Unternehmen in die Fläche begeben. Und ihren
Bonner Sitz aufgeben. „Das führt erstens dazu, dass geringer
qualifizierte Mitarbeiter Gefahr laufen, in Bonn zu bleiben. Was die
Arbeitslosigkeit auf ein Level bringt, das Bundesdurchschnitt ist. Na
ja, eben befriedigend.“ Zweiter Punkt dabei: „Das ist aktive
Stauförderungspolitik.“ Denn der Wohnsitz der bisherigen Arbeiter
ändere sich ja oftmals nicht. Aber ihr Arbeitsplatz ist weiter
entfernt. Sprich: Mangels Anbindung an den ÖPNV entsteht ein reger
Pendlerverkehr. Per Auto.

Die Wohnorte an die
Arbeitsplätze bringen

Mit der schlechten Verkehrssituation steigen die Probleme der
Mitarbeiter, ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Hinzu kommen die hohen
Immobilien- und Mietpreise in Bonn. „Da nimmt es nicht Wunder, dass
die Mitarbeiter in den Konzernen  ihren Wohnsitz in der Peripherie
nehmen. Einen Dienstwagen haben sie in der Regel. Und wohnen relativ
preiswert im Grünen.“ Die Lösung, wie sie Stefan Hagen vorschwebt:
„Nachverdichtung.“ Das müsse auch in Bonn möglich sein. Es sei
dringend erforderlich, um die Wohnsituation zu entschärfen. Sowohl
preislich, als auch politisch. „Jeder sagt, Bonn wachse. Und wo sind
die Wohnungen für die vielen Neubürger?“
Ein Wort zum Fachkräftemangel in der Region: „Wir müssen den
Leuten klar machen, dass das Studium kein Garant für einen sicheren
und finanziell attraktiven Arbeitsplatz ist.“ ‚Handwerk hat
goldenen Boden‘ sei das Stichwort, eine duale Ausbildung eine
sinnvolle Alternative. Die Akademikerschwemme führe ja auch dazu,
dass 40 Prozent aller Studierenden ihr Studium abbrächen. Das
wiederum führe zu unnötiger Frustration. Von den
volkswirtschaftlichen Kosten ganz zu schweigen.

Öffentlichen Personen-Nahverkehr
und Schienenverkehr stärken

Aber zurück zur Erreichbarkeit. Und damit zur Verkehrsplanung. „70
Prozent der Post- und Telekom-Mitarbeiter wohnen nicht in Bonn“, so
Stefan Hagen. „Der Pendlerverkehr verstopft die Straßen. Die
Wohnsituation muss gelöst werden. Zumal im Bundesviertel permanent
neue Arbeitsplätze entstehen.“ Der Appell an Politik und
Unternehmen: „Wir können hier viel mehr mit neuen
Arbeitszeitmodellen leisten.“ Der ÖPNV müsse neu gedacht werden.
Über den Tellerrand von Kommunalgrenzen hinaus. Maßnahmen wie die
Verdichtung von Wohnflächen und die Zusammenarbeit der Kommunen beim
ÖPNV könnten die Verkehrsprobleme entspannen. „Man muss den ÖPNV
besser koordinieren und mit den anderen Verkehrsträgern abstimmen.“
Außerdem müsse der schienengebundene Verkehr gestärkt und ausgebaut
werden. Hier verspricht sich Stefan Hagen einiges von der soeben
gegründeten Metropolregion Rheinland, in der alle Interessengruppen
zusammen arbeiten.

Den Tourismus als Region
professionell angehen

Für das Marketing wünscht er sich, dass Bonn nicht solitär agiert.
„Ein internationaler Gast fährt auch 100 Kilometer, um neben
Beethoven die Region zu erleben, das Mittelrheintal oder das
Siebengebirge. Die Attraktionen sollten mit Bonn, der Region, bis nach
Köln und Düsseldorf gedacht werden.“ Die Wohnorte an die
Arbeitsplätze bringen, den öffentlichen Nahverkehr stärken,
Schienenstränge ausbauen, den Tourismus professionell angehen, das
sind die Schwerpunkte, die Stefan Hagen sieht. Und wie soll das alles
angesichts der vielen Bürgerbedenken gegen politische Entscheidungen
durchgesetzt werden? „Es gehört zum Wesen der repräsentativen
Demokratie, dass Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls getroffen und
umgesetzt werden“, sagt Stefan Hagen.

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