Stadtklangkünstler
Lernen zuzuhören und zu hören
Bonn - In der Jahrhunderte andauernden Überlieferung und Tradition des
japanischen No-Theaters sind sowohl die auftretenden Charaktere als
auch der Aufbau des Aufführungsortes genau festgelegt. Die
Schauspieler betreten die Bühne mit drei Schritten von der Seite her.
Zur rechten sitzen die Besucher vor der Bühne, zur linken ist ein
drei Schritte in die Tiefe reichender Freiraum hinter der Bühne, der
Ort der Gedanken, des Geistigen. Dieser Ort ist immer auf den
Polarstern ausgerichtet, der in den Mythologien der
Menschheitsgeschichte einen zentralen Raum einnimmt.
Noch bis zum 30. November steht vor dem Städtischen Kunstmuseum Bonn
eine „Skulptur“. Eine angedeutete Treppe mit einem überlangen
Rohr, das schräg in den Himmel weist. Man denkt unwillkürlich an ein
Fernrohr, mit dem man die Sterne beobachten kann. Doch der Fall liegt
anders. „Observatory of Spirits“ heißt die Skulptur von Akio
Suzuki, dem aus Japan stammenden Stadtklangkünstler der Stadt Bonn in
diesem Jahr. Das Rohr ist ein sogenanntes Analapos, ein spezielles
Echo-Instrument zu Hören der eigenen Stimme. Man spricht, ruft, singt
hinein und kann dabei seiner Stimme lauschen, nachhören, die über
dieses Rohr in den Himmel geleitet wird. Ausgerichtet ist das Rohr auf
den Polarstern, womit sich der Kreis zum No-Theater schließt.
Entwickelt hat Akio Suzuki das „Observatory of Spirits“ in den
70er Jahren, mitten in einer Phase, als er als Klangforscher
Architekturräume in Orte in der Natur auf ihre klangliche Qualität
untersuchte und die dort gemachten Erfahrungen in den Bau
verschiedener Echogeräte einfließen lassen konnte.
Eine weitere Installation von Akio Suzuki „ko da ma“ befindet sich
in den beiden symmetrisch angelegten Notausgangsbereichen neben den
beiden Eingängen. Dort ist in den beiden stahlblechverkleideten
Treppen je ein Lautsprecher installiert, aus dem man einen Kanal einer
Stereokomposition hören kann. Man kann also immer nur einen Kanal
hören, die gesamte Komposition ist nur „für das Gebäude“
hörbar.
In beiden Arbeiten zeigen sich weitere Aspekte der Arbeiten von Akio
Suzuki. Als ausgebildeter Architekt hat er eine besondere Affinität
zu den jeweiligen Gebäuden, auf die er seine Installationen und
Skulpturen ausrichtet. Dabei spielen Treppen eine besondere Rolle, die
immer wieder bei ihm zu finden sind. Inwieweit seine Architektur und
seine Arbeiten zu Echo und Ruf zusammenwirken, zeigt eine
Fotodokumentation im Foyer des Museums, auf dem Entstehung, Bestand
und Ergebnis einer mutwilligen Zerstörung seines „Space in the
Sun“ zu sehen ist. Eine große Land Art Installation am Mount
Takatenyama in Japan.
Eineinhalb Jahre verbrachten Suzuki und viele Helfer seit 1987 auf dem
Berg exakt auf dem 135 Längengrad und stellten in Handarbeit
sonnengetrocknete Ziegel her, aus denen zwei große, parallel in
West-Ost-Richtung Mauern von 3,5 Meter Höhe und 17 Meter Länge mit
einem Abstand von 7 Metern errichtet wurden.
Am 23. September des Jahres 1988 verbrachte Suzuki den Tag über in
dem Gebäude und als die Sonne genau um die Mittagszeit über dem
Meridian stand, stellte er sich zum ersten Mal wahrhaft der Frage, was
es heißt, zuzuhören und zu hören.“ Das Bauwerk, das jetzt 30
Jahre alt geworden wäre, wurde im letzten Jahr mutwillig zerstört.
Im Vorfeld der Ausstellungseröffnung fand im Stadtpark Bad Godesberg
eine Performance statt. Ausgehend vom Trinkpavillon interpretierte die
Tänzerin Hiromi Miyakita die akustische Erfahrung von „Entfernung
und Dichte“, so auch der Titel der Tanzperformance. Klanghölzer,
gespielt von Akio Suzuki, und Saxophon- und Bassklänge, gespielt von
Georges Paul, bildeten dabei die akustische Grundlage. Aus dem Park
heraus sich langsam dem Pavillon zuwendend und ihn teilweise
umkreisend näherten sich die Klanggebilde und die tänzerische
Darstellung einander an, entfernten sich wieder und erkundeten so die
Umgebung des Pavillons in gegenläufigen Bewegungen. Georg Wagner am
Carillon taktete die Performance in zeitlich exakte 10 Minuten
Abstände, nachdem er mit einem kurzen Stück die Aktion im wahren
Wortsinne eingeläutet hatte.
„Observatory of Spirits“, „ko da ma“ und die Dokumention
zu „Space in the Sun“ sind bis zum 30. November in und vor den
städtischen Kunstmuseum Bonn zu sehen und zu hören.
- Rolf Thienen
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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