VFG
Letzte Hoffnung auf Unterkunft für Wohnungslose
Bonn - „Wir bieten hier meist in 2-Betten-Zimmern 80 bis 90 Personen
Unterkunft. Im Auftrag der Stadt Bonn. Denn die ist gesetzlich
verpflichtet, Obdachlosen eine Unterkunft zu stellen.“ Michael
Heidekorn ist seit neun Jahren Leiter des VFG-Hauses Sebastian. VFG
steht für „Verein für Gefährdetenhilfe“. Waren es früher meist
alkoholkranke Männer, die hier einen Ausweg aus der Misere des harten
und teils gefährlichen Aufenthalts auf der Straße gesucht haben,
„sind es heute meist junge Menschen - übrigens Frauen wie Männer -
mit psychischen Schwierigkeiten und mit Drogenproblematik.“
Diese neue Klientel muss anders behandelt werden als die frühere, die
älter geworden und manchmal zu Stammkunden mutiert ist. Die
Drogen-Suchtkranken sind oft Therapieansätzen und anderen
Hilfsangeboten gegenüber kaum zugänglich, weil sie nur ein Interesse
umtreibt: Wie komme ich an mein Suchtmittel?
Und trotz aller Therapieangebote gilt, dass eine kranke Seele nicht so
einfach zu reparieren ist wie ein gebrochenes Bein.
Essen wird im Haus Sebastian nicht angeboten. „Das würde unseren
Bewohnern vom Hartz-IV-Satz abgezogen.“ Aber eine rund um die
Uhr-Betreuung mit insgesamt 25 Mitarbeitern, meist Sozialarbeitern und
Hauswirtschaftskräften, ist gesichert. „Die Bewohner haben die
Gelegenheit der An- und Aussprache.“
Gibt es Probleme mit den Nachbarn? „Klar freut sich niemand über
eine Alkoholleiche in seinem Vorgarten. Erfahrungen mit den künftig
zu beziehenden Neubauten dem Haus Sebastian gegenüber gibt es
naturgemäß nicht. Der Umsatz des Hauses liegt bei jährlich 1,2
Millionen Euro. Das sind wohlgemerkt nicht die Unterhaltskosten.
Ziel des Hauses Sebastian ist es also, ein Bett und eine Dusche
bereitzustellen. Und sonst? Gibt es Hoffnung, aus dem letzten Ausweg
Haus Sebastian vielleicht eine lohnende Lebensperspektive zu
entwickeln? „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit unserm Projekt
„housing first“ gemacht“, sagt Nelly Grünwald, die
Geschäftsführerin des VFG. „Dabei wird eine Wohnung gekauft oder
vermittelt und einem von unseren Klienten übergeben. Und die
Ergebnisse sind hervorragend. Die Leute, oft zum ersten Mal in einer
eigenen Wohnung, lernen Struktur, den Kontakt mit Sozialpartnern
aufzunehmen, lebens- und gesellschaftsfähig zu werden und unabhängig
zu sein. Natürlich ist es schwierig, bei dem an- und überspannten
Wohnungsmarkt in Bonn Vermieter zu finden, die ihre Wohnungen einem
Obdachlosen überlassen.“
Welche Wünsche sie zum Jubiläum hat, fragen wir Nelly Grünwald.
„Sozialwohnungen“, kommt die Antwort wie aus der Pistole
geschossen. Die Menschen verlernen ihre Ängste, sie entwickeln sich
zu völlig normalen Mitgliedern der Sozialgemeinschaft, wenn man ihnen
eine Bleibe gibt. „Wir bieten zudem eine ambulante Betreuung an. Es
ist ein schwieriger Weg, weil zuwenig Wohnungen da sind. Aber es ist
ein erfolgsversprechender Weg.“ Ein erfolgversprechender Weg, um
Gestrauchelten buchstäblich auf die Beine zu helfen.
Und wenn die Gesellschaft hinschaut anstatt wegzusehen, ja dann wäre
schlussendlich auch den Wohnungslosen beim VFG geholfen.
- Harald Weller
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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