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„MICHAEL JACKSON: ON THE WALL“ – Kunst bleibt Kunst

Graham Dolphin (* 1972): „Thriller (black and white)“, 2017, Acryl auf Plattencover; Songtexte auf der Innenseite einer Schallplattenhülle | Foto: privat
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  • Graham Dolphin (* 1972): „Thriller (black and white)“, 2017, Acryl auf Plattencover; Songtexte auf der Innenseite einer Schallplattenhülle
  • Foto: privat
  • hochgeladen von Damiana C. Bauer-Püschel

Vom 22. März bis zum 14. Juli 2019 zeigt die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn die bereits im Vorfeld vieldiskutierte Ausstellung „MICHAEL JACKSON: ON THE WALL“, deren Titel auf das Jackson-Album „Off the Wall“ aus dem Jahr 1979 anspielt. Kontrovers diskutiert wurde über die Ausstellung in Anbetracht der Missbrauchsvorwürfe gegen den King of Pop, die Wade Robson und James Safechuck (heute 36 und 41) in einem vierstündigen Dokumentarfilm des Briten Dan Reed erheben. Sowohl beim Premierenpublikum als auch nach den TV-Ausstrahlungen in England und den USA hatte der Film „Leaving Neverland“ heftige Reaktionen ausgelöst und die Lager in Befürworter und Gegner des Films gespalten. In Deutschland war die Dokumentation am Samstag, den 6. April auf PRO SIEBEN zu sehen.

Die Verfasserin dieses Artikels hat sich in derselben Woche, in der ihr Besuch der Michael Jackson-Ausstellung „ON THE WALL“ stattfand, auch mit der Dokumentation „Leaving Neverland“ befasst, und weder das Eine noch das Andere hat die Sichtweise auf den Künstler und die Person Michael Joseph Jackson grundsätzlich verändert; sie wurde vielmehr ergänzt und erweitert. Paradoxerweise bekam Jackson durch die Dokumentation menschlichere Züge, denn er wurde weitaus weniger als das beinahe übernatürliche Wesen gezeigt, zu dem er lange Zeit gemacht wurde. Was immer geschehen sein mag: Ich halte den Boykott von mit Michael Jackson assoziierten Dingen – siehe Reaktion von Louis Vuitton – für unbedacht und überzogen. Das Modehaus hatte nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe eine Jackson gewidmete Modekollektion zurückgezogen. Insofern hat die Bonner Kunst- und Ausstellungshalle meines Erachtens gut daran getan, die Jackson-Ausstellung wie geplant zu zeigen und dabei sensibel mit dem Thema Missbrauch umzugehen, das nicht ausgegrenzt wird.

Dass Michael Jackson (1958-2009) zu den einflussreichsten Künstlern des 20. Jahrhunderts zählt, dürfte unbestritten sein. Die Auswirkungen seines Schaffens sind auch in unseren Tagen noch lebendig und werden es mit einiger Sicherheit auch in Zukunft sein. Jacksons Einfluss auf die Popkultur ist offensichtlich, sein Einfluss auf die bildende Kunst ist jedoch noch weniger bekannt. Nach Auskunft der Kunst- und Ausstellungshalle ist Michael Jackson zur „meistdargestellten Figur der Medienwelt“ geworden, seit Andy Warhol Jacksons Porträt laut Bonner KAH erstmals 1982 verwendet hat. Eine ’84er Version des Pop-Art-Bilds fehlt auch in der Bonner Ausstellung nicht.

Die Ausstellung der Bundeskunsthalle befasst sich mit dem Einfluss von Michael Jackson auf einige der namhaftesten zeitgenössischen Künstler aus dem Bereich der bildenden Kunst, wobei mehrere Künstlergenerationen sowie alle Medien berücksichtigt werden.

Werke von mehr als vierzig Künstlern aus weltweiten privaten und öffentlichen Sammlungen sind zu sehen; einige Werke wurden eigens für die Ausstellung geschaffen, welche von der Londoner National Portrait Gallery konzipiert wurde. Gemeinsam mit der Bundeskunsthalle wurde die Ausstellung in Kooperation mit dem Michael Jackson Estate an der Bonner Museumsmeile umgesetzt.

Obwohl die Ausstellung „MICHAEL JACKSON: ON THE WALL“ nicht primär die Biografie Jacksons zu vermitteln sucht und keine pure Devotionalien-Schau für Fans sein will, bietet sie doch eine illustrierte Reise durch die Karriere des Künstlers, der wie kein anderer Musik, Tanz und den Einsatz audiovisueller Medien beeinflusst und geprägt hat, und auch auf die Mode hat sein Stil Auswirkungen gehabt.

Besucher der Ausstellung erfahren zahlreiche Fakten über die Wechselwirkung zwischen Jackson und bildenden Künstlern, die teils auch im Auftrag Michael Jacksons gearbeitet haben.

Informativen Texttafeln ist beispielsweise zu entnehmen, wie die kreative Beziehung zu Kehinde Wiley entstand, dessen Kunst Michael Jacksons beim letzten Covershooting für „Ebony“, dem Magazin für afroamerikanische Kultur, begegnete. Während des Shootings für das Cover sah Jackson ein Kunstwerk von Kehinde Wiley (* 1977), das ihn tief beeindruckte, und dies führte zum Auftrag für ein Gemälde, das Jackson in Reiterpose zeigt. Wiley konnte es laut Ausstellungsinfos zunächst gar nicht glauben, dass Ihn wirklich Michael Jackson am Telefon sprechen wollte... Bei Kehinde Wileys „Reiterporträt Königs Philipps II. (Michael Jackson)“ aus dem Jahr 2010 – englisch „Equestrian Portrait of King Philip II (Michael Jackson)“ – handelt es sich um das letzte Porträt Jacksons.

Das oben erwähnte „Ebony“-Titelbild ist in der Ausstellung als posthumes Werk auf dem Material eines Leichentuchs zu sehen (Lyle Ashton Harris (* 1965): „Black Ebony II“, 2010, Öl auf ghanaischem Grabtuch, nach dem „Ebony“-Cover aus dem Jahr 2007).

Ausstellungsbesucher erfahren (implizit) auch, wie die Öffentlichkeit der Musikbranche Einfluss auf Jackson hatte, wie der Mensch Michael Jackson einerseits geprägt wurde und sich seine Rezeption im Lauf der Jahrzehnte auf der anderen Seite veränderte. Michael als herausragender Kinderstar unter seinen Brüdern bei „The Jackson 5“ bzw. „The Jacksons“, Michael Jackson als starke Ikone der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, Michael Jackson, der sich für Frauenrechte einsetzt (s. Quilt von Faith Ringgold (* 1930): „Who’s Bad“, 1988), aber auch der Megastar Jackson, der innerlich höchst fragil und zerrissen ist – die Kunstwerke konfrontieren mit vielen Facetten Jacksons. Ein sehr hoher Anteil der Bilder stellt Jackson verfremdet dar, womit auch auf den exzentrischen Lebensstil angespielt wird, den Jackson zahlreichen Medienberichten nach pflegte. Werke wie „Michael and E.T.“ von Mark Flood (* 1957) aus dem Jahr 1985 bringen das alienartige Image Jackson zum Ausdruck.

Ein Bild mit klaren Aussagen über Jacksons Karriere und seinen Status auf ihrem Zenit stellt „Michael Joseph Jackson“ von Kai Quetta aus dem Jahr 2012 dar, das Jackson in verschiedenen Altersstufen zeigt.

David LaChapelles glorifizierende Michael Jackson-Darstellungen (s. Bildergalerie zum Artikel) mögen dem ein oder anderen kitschig oder wegen der dargestellten religiösen Bezüge gar blasphemisch erscheinen, sie spiegeln aber visuell durchaus eindrucksvoll eine Phase in Jacksons Leben wider, in der er vielen wie ein (exzentrischer) Heiliger erschien und ihm persönlich ein solches Selbstbild offenbar gefiel; LaChapelle schuf schließlich Auftragsarbeiten für Jackson.

Mir persönlich fiel beim Besuch der Ausstellung auf, wie viele Situationen in meinem eigenen Leben doch direkt oder indirekt mit Michael Jacksons Musik und deren weiterer künstlerischer (insbesondere tänzerischer) Interpretation positiv verbunden sind. Gerade angesichts der LaChapelle-Bilder, die mir im Vorfeld sehr provokant, ja geradezu anstößig erschienen, kamen mir freudige und geradezu wundersame Erlebnisse in den Sinn, die für mich mit dem Werk des Künstlers Jachson konnotiert sind.

Musikenthusiasten werden ihre Freude an Werken wie dem Auftragswerk für das Album „Dangerous“ mit eigens gefertigtem Rahmen haben (Künstler: Mark Ryden (* 1963): „The King of Pop“ (#135), 1991-2018, Acryl auf Holz mit Holzschnitzerei). Mit Exponaten wie diesem wird ein Stück Musikgeschichte lebendig.

Multimediale Exponate bieten interessante Perspektiven; wer empfindlich gegenüber akustischen und visuellen Reizen ist, wird den ein oder anderen Ausstellungsraum zügig passieren oder umgehen wollen. Ich kann mir vorstellen, dass für Epileptiker ein Warnhinweis vor einem stroboskopartigen Lichteffekt angebracht wäre, den ich zumindest nirgendwo erblickt habe.

Mal launig (wie mit dem Video „MOONWALK“ aus dem Jahr 2018 (Jérôme Bel, * 1964, Frankreich), in dem sich verschiedenste Leute an dieser Tanzfigur probieren), mal ernst (wie mit dem Werk „In Memory of Michael Jackson 1958-2009“ von Yan Pei-Ming (* 1960)) präsentieren und reflektieren die ausgestellten Kunstwerke Michael Jackson. Er wird durch die Ausstellung insgesamt weder unantastbar auf einen Sockel gestellt noch demontiert. Jacksons Einfluss auf die gesamte Kunstwelt und nicht zuletzt auch auf die Gesellschaft ist beachtlich, und dies vermittelt die Ausstellung wohltuend neutral. Der Ausstellungsbesucher kann sich ein eigenes Bild von der Kunst über den Künstler machen.

Mein Fazit dabei: Kunst bleibt unabhängig von etwaigen Skandalen Kunst. Die Bonner Michael Jackson-Ausstellung ist daher durchaus sehenswert und bildend.

Alle Ausstellungsfotos sind mit Erlaubnis der Kunst- und Ausstellungshalle entstanden und veröffentlicht.

(dcbp, 01.05.2019)

Link zur KAH Bonn:

MICHAEL JACKSON: ON THE WALL - Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland - Bonn

LeserReporter/in:

Damiana C. Bauer-Püschel aus Bonn

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