Mit dem Bagger zum Lagerfeuer
Wie ich letztens ja schon anmerkte, also was meine Sinnesorgane im Alter betrifft, kann ich nicht klagen. Trotzdem krieg ich natürlich an allen Ecken und Kanten mit, dass die Dings mittlerweile kürzer ist als die Vergangenheit, von der Wahrscheinlichkeit her. Erst neulich teilte mir doch meine Versicherung mit, dass … Das musst du dir mal vorstellen! Dass du irgendwann in deinem Leben, gefühlt ist das eigentlich in einem ganz anderen Leben passiert. Ich weiß noch ganz genau, wie ich überlegte, was ich da für ein Fälligkeitsjahr eintragen soll. Dass ich dachte, wer weiß, ob ich da überhaupt noch lebe. Also die Lebensversicherung sei jetzt fällig und würde mir demnächst ausgezahlt, teilte sie mir postalisch mit, die Versicherung. Da hab ich mich so was von alt gefühlt!
Und noch einen draufgesetzt: Einige Tage später bekam ich wieder einen Brief von selbiger Versicherung mit folgender Überschrift: Für mehr Zusammenhalt in einer schweren Zeit. Ich fragte mich, von welchem Zusammenhalt in welchen schweren Zeiten sprechen die. Dachte, klar, spontan an das Balkon-Applaudieren oder das Einkäufe-vor-die-Tür-Stellen. Aber nein, die machten mir ein Angebot für eine: Es sei traurig aber wahr, das Thema Bestattungskosten könne innerhalb der Familie leider zu Diskussionen führen. Angehörige können sich teilweise nur schwer darauf verständigen, wer sich mit welchen Kosten an den notwendigen Ausgaben beteiligt.
Hallo! Jetzt wissen die, dass sie mir gerade die Lebensversicherung ausgezahlt haben, ich also liquide bin, und schon kommen die mit ihrem Angebot für eine Sterbegeldversicherung. Ich habe der Versicherung zurückgeschrieben, dass ich Diskussionen nach meinem Ableben nicht scheue. Und, ja, in dem Zusammenhang habe ich das mit den Kosten aber mal in die "Drei Töchter WhatsApp-Gruppe" gestellt. Seitdem herrscht Funkstille.
Wo ich auch letztens fein an mein Alter erinnert wurde. Ich komm deshalb drauf, weil es am Samstag, es war der 13.Dezember 2014, im Bonner-Generalanzeiger "Das Lagerfeuer verlöscht" hieß. Jetzt fragst du dich natürlich, woher ich das noch so genau weiß. Das ist eine ganz andere Geschichte. Horch zu! Ich selbst habe ja nie den Generalanzeiger abonniert, aber meine liebe Freundin und Nachbarin. Und nachdem wir an besagtem Samstag gemeinsam auf dem Sofa vor dem Fernseher gesessen hatten, lag danach besagter Zeitungsartikel in meinem Briefkasten. Und, ja, frag mich nicht, diesen Artikel habe ich mir aufgehoben. Da siehst du auf einer ganzen Seite unzählige Balken- und Kreisdiagramme, die Auskunft geben über die Städte, in denen die Sendung am häufigsten zu Gast war, über die Zuschauerzahlen im Jahresdurchschnitt pro Sendung in Millionen. Du bekommst einen Überblick über die häufigsten Wetten: Da gibt es große und kleine Kreise. Je größer der Kreis, desto häufiger die Wetten. Wetten mit Eiern, Seilen und Luftballons gab es, aber nicht gar so viele. Deshalb kleinere Kreise. "Tiere" und "Bälle" - schon größere Kreise. Klar, die Kreise, in denen "Motorisierte Fahrzeuge", "Autos" und "Großes Gerät" steht, am größten. Ich sag nur "Bagger-Wetten". Und dann siehst du noch die einzelnen Moderatoren abgebildet. Den Frank Elsner als ersten Moderator, der ja auch die Sendung erfunden hat. Apropos Alter. Zu meiner Zeit (daran siehst du übrigens auch, dass du alt bist - wenn du "zu meiner Zeit" sagst), zu meiner Zeit war der Frank Elsner Moderator bei Radio Luxemburg und RTL war ein Radiosender. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich von "Wetten, dass ..?" spreche?
In dem Zeitungsartikel liest es sich folgendermaßen: Das berühmteste Sofa der deutschen Fernsehgeschichte dient heute Abend letztmals als Sitzgelegenheit für Stars und Sternchen. Heute Abend wird Fernsehgeschichte geschrieben. Wie auch immer man zu "Wetten, dass ..?" stehen mag, ob man die Show toll, unverzichtbar, langweilig und überlebt oder ganz nett, aber unwichtig findet: Wenn die letzte Sendung über den Bildschirm geflimmert ist, dann ist nicht einfach ein Format gestorben, sondern ein Kapitel Gesellschaftsgeschichte beendet. In einem Satz: Unser aller gemeinsames Lagerfeuer ist aus. In dem Artikel heißt es auch: "Ja, wenn der Gottschalk wiederkäme, eines Tages - aber nein, "Nein!" mit Ausrufezeichen, der Gottschalk kommt nicht zurück, das hat ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler klipp und klar gesagt, und "Wetten, dass ..?" auch nicht.
Was ich aber eigentlich sagen wollte: Jetzt lief ja dann doch "Wetten, dass ..?" am 6. November. Und NATÜRLICH habe ich von der ersten Minute an geschaut. Und da musst du ja auch gar keine Angst haben, dich fremdschämen zu müssen, dass der Thomas das in seinem Alter nicht mehr gebacken bekommt. Das war ja auch schon früher so, dass die Michelle ihm als Betreuerin an die Seite gestellt wurde, falls er sich mal total gesprächstechnisch in die Einbahnstraße manövriert hatte. Da hatte ich also null Angst.
Ich war aber ja eigentlich beim Thema Alter. Weil, ich hab natürlich nach der Sendung - so was von euphorisch - den ein oder anderen gefragt, ob er denn auch. Ich geb zu, eigentlich mehr als rhetorische Frage, eigentlich mehr als Intro, um dann monologartig zu schwärmen: von dem Abend, von der Helene Fischer, wie sie die beiden ABBA-Männer begleitet hat, wie … Ich habe dann bei dem ein oder anderen Gegenüber mal nachgerechnet und festgestellt, dass da doch der ein oder andere Altersunterschied ist. Weil die meinten, entweder hätten sie das noch nie gesehen, oder sie erinnerten sich ganz dunkel, dass immer mit der Oma geschaut zu haben.
LeserReporter/in:Adelheid Bennemann aus Bonn |
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